"Der erste Fall ist von großem öffentlichen Interesse"

JUZ-INTERVIEW mit Kai Ambos, Experte für internationales Strafrecht, über die Wirksamkeit des ständigen Strafgerichtshofs.  

Zu den Kommentaren
Mail

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen

Im internationalen Völkerrecht ist der ständige Internationale Strafgerichtshof eine Neuheit. Was ein solches Gericht tatsächlich leisten kann, in wiefern es Sinn macht, wo Schwierigkeiten lauern, darüber sprach für die JuZ Madeleine Arens mit dem Juristen Kai Ambos, Privatdozent an der Universität München und Wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg.

JuZ: Kann man Kriegsverbrecher überhaupt adäquat bestrafen?
Kai Ambos: Der Sinn einer internationalen Strafe liegt zum einen in der Festschreibung geschichtlicher Vorkommnisse. Niemand soll später leugnen können, dass es solche schwer wiegenden Verbrechen gegeben hat. Zum anderen soll Strafe natürlich auch abschreckend wirken. Für die speziellen Täter gibt es in den meisten Fällen ohnehin keine Gelegenheit zu erneuten Taten dieses Ausmaßes mehr, da sich meist schon die Machtverhältnisse geändert haben.

JuZ: Welche Kenntnis muss ein Täter von den Verbrechen haben, damit man ihn dafür verantwortlich machen kann?
Ambos: Das ist eine viel diskutierte und komplexe Frage. Es ist nicht nötig, dass der Angeklagte über alle Details informiert war. Für die Annahme einer vorsätzlichen (also willentlichen und wissentlichen) Begehung reichen auch Indizien für eine Förderung solcher Kriegs-und Menschenrechtsverbrechen aus.

JuZ: Was ist mit "Handeln auf Befehl"?
Ambos: Handeln auf Befehl ist dann strafbar, wenn der Befehl offensichtlich rechtswidrig war. Das ist bei Genozid (Völkermord) und Verbrechen gegen die Menschlichkeit immer anzunehmen, bei Kriegsverbrechen könnte es im Einzelfall zweifelhaft sein.

JuZ: Was bringt ein Völkerstrafgesetzbuch?
Ambos: Deutschland ist bisher das einziges Land mit einem eigenen Völkerstrafgesetzbuch. Auch die anderen Länder in Europa werden etwas Vergleichbares schaffen. Denn hier gilt überall, dass nur eine vorher gesetzlich unter Strafe gestellte Tat auch bestraft werden kann. In Südafrika oder Kanada, also im angloamerikanischen Rechtskreis, genügt ein schlichter Verweis auf das Rom Statut.

JuZ: Welche Rolle spielen regierungsunabhängige Organisationen wie Amnesty International in diesem Zusammenhang?
Ambos: Sie haben eine sehr wichtige Aufgabe. In vielen Ländern waren solche Organisationen ausschlaggebend für eine Ratifikation des Rom Statut. Sie haben auch die Auswahl der Richterkandidaten überwacht. Sie sind sozusagen die demokratische Legitimation. Und in Zukunft werden sie vermutlich wichtige Beweise bei Verfahren liefern.

JuZ: Welcher Fall wird eigentlich als Erstes am IStGH verhandelt?
Ambos: Ein heikles Thema - der erste Fall wird von sehr großem öffentlichen Interesse begleitet sein. Wichtig ist, aus welchem Land der Täter kommt.

JuZ: Gibt es da schon Überlegungen?
Ambos: Wünschenswert wäre ein Täter aus Kontinentaleuropa. Wahrscheinlich aber wird der Täter, der als Erster am IStGH angeklagt wird, aus Kolumbien oder möglicherweise aus einem afrikanischen Staat kommen.

JuZ: Was sind die nächsten wichtigen Schritte zur Etablierung des IStGH?
Ambos: Das Ganze war ein fast 40-jähriger Prozess, der gerade am Anfang noch einiger Verbesserungen bedarf. Es ist nicht so einfach, so viele verschiedene Kulturen unter einen Hut zu bringen.


"Es ist nicht so einfach, so viele verschiedene Kulturen unter einen Hut zu bringen." Kai Ambos, Jurist

Vor allem, da die internationale Zuständigkeit des IStGH einen enormen Souveränitätsverlust für alle Staaten bedeutet. Von daher kommt der stetigen Suche nach Konsens besondere Bedeutung zu.

JuZ: Was kann die Politik beitragen?
Ambos: Politisch gesehen, ist die Gleichberechtigung aller Staaten wichtig. Die kleinen Staaten müssen spüren, dass auch große Staaten nicht vor der internationalen Strafjustiz verschont bleiben. Langfristig ist dazu eine Zusammenarbeit auch mit USA und China nötig.

JuZ: Und wie stehen die Aussichten für eine derartige Zusammenarbeit?
Ambos: In China wird sich wohl nichts tun, solange der Tibet-Konflikt nicht gelöst ist. Was die USA betrifft, so bin ich zuversichtlich, dass es langfristig zu einer Zusammenarbeit kommen wird. Die USA wollen ja als Verfechter des demokratischen Rechtsstaates gesehen werden. Das kann man schlecht mit der Abwesenheit vor dem IStGH vereinbaren. Unter dem Republikaner Bush ist der Widerstand zwar immer stärker geworden, aber unter einem von den Demokraten gestellten Präsidenten könnte sich das wieder ändern.

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel