Der Gebirgssee und die Frauen
NEU IM KINO: Die preisgekrönte Doku "Walchensee forever" von Janni Ji Wonders.
Thomas Abeitshauser
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Imposante Wolkenformationen verdoppeln sich auf der glasklaren Oberfläche und entladen sich nicht selten in spektakulären Gewittern. Und noch ein weiteres Staunen machendes Geheimnis birgt dieser See, das die junge Filmemacherin Janni Ji Wonders nun mit ihrer mehrfach preisgekrönten Doku "Walchensee forever" lüftet. Darin zeichnet sie in sehr persönlichen Befragungen ihrer Mutter und ihrer Oma ihre außergewöhnliche Familiengeschichte nach, die vor allem von Frauen bestimmt wurde.
Sie beginnt in den 1920er Jahren mit Urgroßmutter Apa, die nach dem Tod einer Tochter mit ihrem Mann an den See zieht und ein Ausflugslokal eröffnet. Großmutter Norma führt das Café zunächst widerwillig weiter und betreibt es nach der Trennung von ihrem Gatten, einem Künstler und Kriegsveteranen, allein, um nicht mehr von einem Mann abhängig zu sein. Ihre beiden Töchter Anna und Frauke reisen in den 60er Jahren durch Mexiko und Kalifornien, wo sie in Dirndln und mit Hackbrett und Gitarre bei Indigenen und Hippies gleichermaßen schnell Anschluss finden. Anna reist später zu indischen Ashrams und spirituellen Treffen, wo sie auch Jazon begegnet, einem amerikanischen Hippie, von dem sie bald schwanger wird. Ihre Tochter, die Regisseurin des Films, wird in San Francisco geboren und beginnt bereits als kleines Mädchen am Walchensee mit einer Videokamera, ihre Familie und ihr Umfeld zu filmen und ihnen Fragen zu stellen.
Aus diesen Aufnahmen, den alten Fotos ihrer Mutter, Zeitungsartikeln und neuen Interviews, etwa mit der inzwischen 104 Jahre alten Oma, stellt sie eine Familienchronik über ein Jahrhundert zusammen, die zur Zeitreise wird, bei der mit dem Intimen und Privaten auch immer wieder gesellschaftliche Umbrüche abseits des Sees mitschwingen. Vor Wonders Kamera erinnert sich Mutter Anna auch an ihre Zeit mit Rainer Langhans und ihr Leben in seinem "Harem", auch Mitkommunardin Jutta Winkelmann und Langhans selbst kommen zu Wort.
Ganz beseelt lauscht man diesen Frauen, die so offen und herzlich zugeneigt miteinander umgehen, dabei Konflikten nicht ausweichen und immer neugierig statt wertend aufnehmen, was jemand sagt oder denkt. In einer klugen Collage entsteht so nicht nur ein Bild höchst unterschiedlicher, bisweilen in sich widersprüchlicher Lebenslinien mehrerer Generationen, sondern auch eine Reflektion über das Vergehen von Zeit selbst. Am Rande der Alpen spiegelt sich am Walchensee das Große im Kleinen.
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