Der Student als Kunde des Bildungssystems

Mit der Einführung des Landeshochschulgesetzes könnte sich manches an den Unis ändern - auch die Zahl der Studenten aus wenig wohlhabenden Elternhäusern.  

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Eine große Debatte an den Hochschulen und folglich auch unter den Studierenden löst das geplante Landeshochschulgesetz aus. Wir finden, auch "Unbeteiligte", zum Beispiel Schüler (zumal wenn sie aufs Abi zusteuern), sollten wissen, um was es da geht - und haben Fakten und Diskussionspunkte dazu zusammengetragen.

Im Landeshochschulgesetz sollen, so plant es das baden-württembergische Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, alle Bestimmungen über Hochschulbildung zusammengefasst werden. Es beinhaltet verschiedene Veränderungen in der Struktur der Hochschulen besonders viel diskutiert wird die geplante Einführung von Studiengebühren. Verhindert wird das Landeshochschulgesetz bisher durch das Hochschulrahmengesetz (HRG).

Dieses Gesetz wurde im August 2002 erlassen und verbietet den Ländern, beziehungsweise den Universitäten, die Erhebung von Studiengebühren. Sechs Bundesländer, darunter Baden-Württemberg, klagen nun vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das HRG. Sie argumentieren, dass die Bildungshoheit nach wie vor bei den Ländern liege. Es steht zu erwarten, dass den Klägern Recht gegeben wird - dann tritt das neue Landeshochschulgesetz in Kraft.

Die Befürworter von Studiengebühren argumentieren unter anderem damit, dass das Bildungswesen pleite ist. Das sehen alle Beteiligten ein. In Freiburg ist die Lage noch nicht so kritisch wie anderswo: aus weniger reichen Bundesländern wird von katastrophalen Zuständen an den Unis berichtet. Schätzungsweise 4 Milliarden Euro würde eine "Generalüberholung" der deutschen Universitäten kosten, nämlich die gründliche Sanierung, die Beschaffung besserer Lehrmaterialien und die Einstellung von mehr Professoren. Mit Studiengebühren könnte eine Verbesserung der Universitäten finanziert werden. Außerdem könnte die Zahl der so genannten Langzeitstudenten verhindert werden, die sich - gelangweilt, einfach so aus Spaß oder um an billige Flüge zu Studententarifen zu kommen - an einer Universität einschreiben, ihr Studium aber nicht zu Ende bringen und den Staat Geld kosten.

Die Studiengebührgegner argumentieren anders: ihnen geht es vor allem um Chancengleichheit. Bildung soll für jeden - unabhängig von seiner sozialen und finanziellen Situation - zugänglich sein. Selbst im bisherigen System ist diese Chancengleichheit Kritikern zufolge nicht immer gewährleistet, ein Großteil der Studienabgänger kommt auch heute aus den vermögenden Schichten der Gesellschaft. Die Erhebung von Studiengebühren könnte noch mehr Menschen aus sozial schwachen Schichten von einem Studium abhalten. Das Argument, Studiengebühren verbesserten den Standard der Unis dauerhaft, muss kritisch betrachtet werden: es wird befürchtet, dass die Einnahmen aus den Studiengebühren nicht direkt den Hochschulen, sondern zuerst einmal dem Staat zugunsten kommen, der seine Finanzlöcher damit (zumindest teilweise) stopfen könnte. Schon jetzt fließen Verwaltungsgebühren, die an den Unis erhoben werden, zum Teil in die Bundeskassen.

Die Höhe der Studiengebühren wird derzeit zwischen 500 und 1000 Euro pro Semester gehandelt. Gegner der Studiengebühren fürchten aber, dass die Lage - sobald die Studiengebühren erst einmal da sind - eskaliert und sich bald System etabliert, in dem die Wahl der Universität, oder überhaupt die Möglichkeit zu studieren, direkt vom jeweiligen Einkommen des Studenten abhängig ist. Wie beispielsweise in Amerika. Mit dem Unterschied, dass dort die Universitäten massenhaft Stipendien vergeben. Von solchen Starthilfen für finanziell schwache Studenten ist in Deutschland bisher nicht die Rede gewesen.

Welche Gebührenmodelle stehen zur Debatte? Darüber wird bisher öffentlich weniger gestritten als über die allgemeine Frage nach der Einführung von Gebühren. Varianten gibt es unzählige. Bestimmte Fächer wie Medizin oder BWL könnten für den Studenten teurer werden als beispielsweise Geisteswissenschaften, sei es, weil sie die Universitäten mehr Geld kosten oder weil die Gehaltserwartungen für den jeweiligen Berufszweig höher sind. Auch über das Modell, das zur Zeit in Australien angewandt wird, wird diskutiert: wer die Studiengebühren nicht sofort bezahlen kann, erhält vom Staat ein Darlehen, das er erst zurückzahlen muss, wenn er selbst genügend Geld verdient. Dieses Modell steht allerdings insofern auf wackligen Füßen, als der Staat mit seinen leeren Kassen das Geld für die Kredite aufbringen muss. Denkbar wäre auch, dass nur die Langzeitstudenten zur Kasse gebeten werden - allerdings befürchten manche Sachverständige, dass die Unis dann gerade versuchen würden, Langzeitstudenten zu gewinnen, um ihre Finanzlage aufzubessern. Viele Studenten wenden sich gegen das Landeshochschulgesetz. Neben den Studiengebühren plant das Land Baden-Württemberg beispielsweise auch, die Entscheidungen innerhalb der Universitäten nicht mehr durch den Senat, sondern durch einen Aufsichtsrat treffen zu lassen, dessen Mitglieder vom Kultusministerium ernannt werden.

"Bildung für alle und zwar umsonst!" Demo-Parole

Außerdem sollen flächendeckend die Bachelor- und Masterstudiengänge eingeführt werden. Und: die Studenten sollen in Zukunft mehr als Kunden denn als Konsumierende des Bildungssystems auftreten; in diese Richtung gehen auch die Bemühungen der Länder, mehr Wettbewerb zwischen den Hochschulen zu ermöglichen, die ihre Studenten in Zukunft frei auswählen sollen. Unter anderem diese Elemente des Gesetzes werden beispielsweise vom u-Asta als gefährlich für die weitere Entwicklung der Hochschulen angesehen.

Darum fanden am Samstag in mehreren baden-württembergischen Städten Demonstrationen statt, an denen nicht nur Studenten, sondern auch Schüler beteiligt waren. Das Landeshochschulgesetz wird nämlich, falls es in Kraft tritt, in einigen Jahren vor allem diejenigen betreffen, die jetzt noch nicht studieren. Bei den Protesten vermischen sich zuweilen die Themen etwas; die Botschaft kann sich, auf Parolen verkürzt, dann auch mal so anhören: "Bildung für alle, und zwar umsonst!"

Das Demonstrieren hat dennoch Vorteile gegenüber dem Zuhausebleiben: man hat die reelle Chance, dass die Öffentlichkeit auf die Bildungsdiskussion aufmerksam wird. Auch wenn diese Diskussion noch immer ziemlich kompliziert aussieht: es lohnt sich in jedem Fall, über das informiert zu sein, was im Ministerium gerade beschlossen wird. Und ganz klar ist: Bildung darf nicht vom Geldbeutel abhängen.

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