"Die Menschen haben geheult und geschrien"

ZISCHUP-INTERVIEW mit Abdlie Goddard über seine Flucht aus dem an der afrikanischen Westküste gelegenen Land Gambia.  

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Abdlie Goddard   | Foto: privat
Abdlie Goddard Foto: privat

Abdlie Goddard ist 29 Jahre alt und kam 2016 aus Gambia nach Deutschland. Mit Salome Strehlau, einer Schülerin der Klasse 8b des Freiburger Goethe-Gymnasiums, sprach der junge Mann darüber, warum er damals aufbrach und wie er die Reise nach Deutschland erlebt hat.

Zischup: Wieso sind Sie aus Gambia geflohen?

Goddard: Wir sehen keine Zukunft in Gambia. Es gibt kaum Arbeit. Unser Präsident war ein Diktator, der 22 Jahre lang an der Macht war und unser Land in den Ruin getrieben hat.
Zischup: Sind Sie denn ganz allein geflohen?
Goddard: Nein, ich bin zusammen mit meinem Cousin geflohen.
Zischup: Wie sind Sie zusammen mit Ihrem Cousin von Gambia nach Deutschland gekommen?
Goddard: Als Erstes sind wir mit dem Bus nach Senegal gefahren und von dort aus durch das Land Mali nach Burkina Faso. Dann ging es weiter mit dem Pick-up-Truck durch die Wüste Niger bis nach Libyen. Von der Hafenstadt Tripolis ging es für uns dann mit einem Boot ins Mittelmeer hinaus, wo uns die italienische Küstenwache rettete und nach Italien brachte. Dort blieben wir dann ein Jahr lang, bevor wir weiter nach Deutschland reisten.
Zischup: Wie lange haben Sie dafür gebraucht?
Goddard: Wir haben nur zwei Monate gebraucht, ich kenne andere, die mehrere Jahre brauchten.
Zischup: Viele wollen sich an der Flüchtlingssituation bereichern, wie haben Sie das erlebt?
Goddard: Bei jeder Grenze wurden wir angehalten und mussten viel Geld bezahlen, um weiter fahren zu dürfen. Manchmal reichte das Geld nicht mehr aus, somit hielten sie uns fest, bis wir das Geld abgearbeitet hatten. Bei manchen dauerte es Jahre.
Zischup: Was für Arbeiten mussten Sie machen?
Goddard: Sie brachten uns weit raus in die Wüste und drückten uns eine Schaufel in die Hand. Wir mussten tagelang in der heißen Sonne nach Gold suchen. Wer etwas gefunden hat, hatte Glück und durfte weiter, wer nicht, wurde in der Wüste zurückgelassen oder ihm wurde in den Kopf geschossen.
Zischup: Wie war die Überfahrt mit dem Boot?
Goddard: Fürchterlich und beängstigend, die Menschen haben über 24 Stunden lang geheult und geschrien. Wir durften uns nicht bewegen, damit das Boot nicht umkippt. Viele Menschen waren seekrank und spuckten die ganze Zeit. Wir waren 600 Menschen, darunter Frauen und Kinder.
Zischup: Was waren denn die größten Gefahren auf Ihrer Flucht?
Goddard: Die Wüste. Wir saßen tagelang auf einem vollbeladenen Pick-up in der prallen Sonne und rasten bei hoher Geschwindigkeit durch den Sand. Wenn jemand herunterfiel, hat keiner angehalten. Auf dem Weg durch die Wüste sahen wir liegengebliebene Autos und Tote.
Zischup: Ich habe von dem Sklavenhandel in Libyen gehört, haben sie damit Erfahrung gemacht?
Goddard: Ja, wir konnten ihm gerade noch entkommen. Die Libyer dort waren extrem gewalttätig und rassistisch. Alle tragen Waffen, auch Kinder. Wir wurden von einer Gruppe junger Bewaffneter von der Straße entführt und zu einem Haus gebracht. Dort waren bereits viele festgehaltene Flüchtlinge. Sie schlagen einen, bis man seine Verwandten anruft und um Geld bettelt, um sich freizukaufen. Viele Frauen und Kinder verschwinden hier als Sexsklaven. Und die Männer müssen harte Arbeit leisten, wie zum Beispiel in den Goldminen. Wir konnten nachts zum Glück entkommen, manche wurden beim Wegrennen erschossen. Wir hatten keine Schuhe und sind barfuß über Zäune, Stacheldraht und Gebüsch um unser Leben gerannt. Ich habe noch Narben an meinen Füßen.
Zischup: Wie fühlt es sich an, nach so einer Reise in Deutschland angekommen zu sein?
Goddard: Erst einmal gab es mir ein Gefühl von Schutz und Sicherheit, aber das Leben hier ist auch unsicher .Manche Flüchtlinge werden plötzlich aufgegriffen und abgeschoben. Ich möchte gerne bleiben, Deutsch lernen und eine Ausbildung machen, damit ich etwas tun und Geld verdienen kann und um mir etwas aufzubauen.
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