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"Geh’ doch raus und mach’ dich dreckig!"

Frauke Wolter
  • Di, 11. April 2017
    Deutschland

     

BZ-INTERVIEW: Kinder- und Jugendarzt Uwe Büsching gibt Tipps, wie Eltern mit dem Medienkonsum ihrer Kinder umgehen sollten.

Uwe Büsching   | Foto: PRIVAT
Uwe Büsching Foto: PRIVAT

Ob Fernseher, Smartphone oder Tablet – Kinder lieben Medien. Deren Nutzung aber muss kontrolliert werden, auch um Abhängigkeiten zu vermeiden. Wie Eltern hier ansetzen können, darüber sprach Frauke Wolter mit dem Kinder- und Jugendarzt Uwe Büsching.

BZ: Herr Büsching, gibt es klare Regeln für den Medienkonsum von Kindern?
Büsching: Die existieren in Deutschland leider nicht. Dabei gibt es jährlich sechsmal mehr Neu-Abhängige als beispielsweise beim Konsum illegaler Drogen! Diese Neu-Abhängigen laufen Gefahr, später keiner Ausbildung oder Arbeit nachgehen zu können. Diese Kollateralschäden durch die Medien werden aber von den Politikern akzeptiert. Die Schweizer sind da rigoroser: Kinder sollen erst ab drei Jahren fernsehen. Digitale Medien, also Tablet, Smartphone, Laptop, sollten Kinder erst ab sechs Jahren kennenlernen und nur mit den Eltern nutzen; ein Handy mit Wlan-Zugang sollte man erst ab zwölf Jahren bekommen, so die Empfehlung.
BZ: Das ist schwierig umsetzen, da ist der Berufsalltag, der Druck der Freunde …
Büsching: Es geht nicht um ein Verbot, sondern wir müssen mehr aufpassen, offener und wacher mit Medien umgehen. Natürlich sind die digitalen Medien spannend, aber sie sollten nicht von der realen Welt ablenken. Grundsätzlich gilt: Kinder sollten erst die reale Welt kennenlernen, dann die virtuelle.
BZ: Was können Eltern hier tun?
Büsching: Eltern sollten immer darüber nachdenken, ob man die Medien wirklich braucht – oder ob das Kind nicht auch etwas anderes machen kann. Ich weiß, das ist ein hoher Anspruch, besonders an Alleinerziehende und Berufstätige. Aber wir dürfen es nicht den Kindern überlassen zu entscheiden, wie oft oder wie lange sie in der virtuellen Welt abtauchen. Der echte Rasen fühlt sich eben anders an als auf dem Tablet. Die Frage an das Kind ist also: Kannst Du nicht rausgehen und Dich dreckig machen?
BZ: Nicht wenige Eltern leben aber etwas anderes vor...
Büsching: Medienkompetenz fliegt einem nicht einfach so zu. Aber Kinder sehen, was ihre Eltern tun – das ist "Lernen am Vorbild". Wenn die Eltern den ganzen Tag am Smartphone hängen, dann haben sie in der Tat schlechte Argumente. Auch die Erwachsenen müssen sich anders verhalten. In Schlafräumen zum Beispiel haben Telefone nichts zu suchen, man kann sich auch vom Radio wecken lassen. Auch Bildmedien sollten hier nicht stehen. Und in Wohnräumen sollten die digitalen Medien nie unkontrolliert sein. Mit dem Wlan muss man hochkritisch umgehen! Die Frage ist: Können Sie es kontrollieren? Viele Eltern wissen gar nicht, was ihre Heranwachsenden nachts machen.
BZ: Woran merke ich, dass mein Kind eine Mediensucht entwickelt?
Büsching: Wenn es seine häuslichen Pflichten oder seine sozialen Beziehungen vernachlässigt und lieber auf sein Zimmer geht, ist das ein Alarmzeichen. Da sollte man nicht lange diskutieren.

Uwe Büsching (63) ist Kinder- und Jugendarzt in Bielefeld und unter anderem Mitglied des Vorstands des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte
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Ressort: Deutschland

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 11. April 2017: PDF-Version herunterladen

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