Konzert

Gesungene Geschichten, die die Zeit überdauern

Gudrun Walther und Jürgen Treyz führen in der Menzenschwander Dorfkirche ihr Publikum hinein in die deutsche und irische Volksmusik vergangener Jahrhunderte. Es ist eine Welt voller Entdeckungen.  

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Gudrun Walther und Jürgen Treyz besche...e Volksmusik vergangener Jahrhunderte.  | Foto: Susanne Filz
Gudrun Walther und Jürgen Treyz bescheren ihren Zuhörern tiefe Einblicke in die Volksmusik vergangener Jahrhunderte. Foto: Susanne Filz
St. Blasien Die im Konzert erlebte Musik der ländlichen Bevölkerung, der einfachen Leute des 17., 18. oder 19. Jahrhunderts, scheint vor allem eins gewesen zu sein: mitreißend und tanzbar. Mit Gitarre, Akkordeon und Geige vermittelt das mehrfach mit Folkmusik-Preisen ausgezeichnete Duo dieses mitreißende Moment der alten Musik so kraftvoll, so gut, dass es schwer fällt, dabei still sitzen zu bleiben. Tatsächlich sah man im Publikum viele dezent im Takt wippende Füße und Hände, die sich wohl gerne ebenfalls bewegt hätten. Was in den Stücken an Energie und Lebensfreude steckt, vermitteln Walther und Treyz absolut überzeugend. Sie sind gespickt mit einfallsreicher raffinierter Rhythmik, mit vielen Überraschungsmomenten. Man mag sich dazu schnelle, mit Sprüngen verzierte Schrittfolgen vorstellen – und auch, dass die damaligen Tänzer eine ziemlich gute Kondition gehabt haben müssen. Dass man diese Musik derart miterlebt, liegt nicht zuletzt am virtuosen Spiel und an der Spielfreude und Leidenschaft, mit dem Walther und Treyz miteinander musizieren.

Von Mund zu Ohr weitergegeben

Dass viele der Tanzstücke in die heutige Zeit überliefert wurden, liege daran, dass es damals praktizierende Musiker gegeben habe, die die damals vor allem mündlich weitergegebenen Tanzweisen und Lieder notiert haben, erzählt Jürgen Treyz. So habe die Küster-Dynastie Dahlhoff aus dem Münsterland in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts rund 800 Tanzmelodien gesammelt, die in etlichen Notenheften aufgeschrieben wurden. Inzwischen sei die Dahlhoff-Sammlung von der Staatsbibliothek in Berlin, wo die Hefte in den Kellern gelagert waren, digitalisiert und veröffentlicht worden.

Der Folk-Abend in Menzenschwand war auch ein Abend der Geschichten und gesungenen Lieder aus Jahrhunderten, glückliche und unglückliche. Etwa das Lied "Ich weiß ein fein brauns Mägdelein". Es erzählt von einem Liebespaar, das nicht zusammenkommen konnte, wohl wegen eines vorhandenen Standesunterschieds. Symbolisiert wird die Verhinderung durch unmöglich zu erfüllende Forderungen, die sich die Liebenden gegenseitig stellen, wenn auch in poetischen Bildern. Demnach müsste das Mädchen aus Sicht des Mannes, soll sie seine Braut werden, zunächst "aus Haberstroh braune Seiden spinnen". Sie wiederum fordert, damit ihr das Kunststück mit den braunen Seiden gelingt: "So musst du mir von Eichenlaub zwei Purpurkleider schneiden". Und so geht es fort, eine unerfüllbare Forderung trifft auf eine weitere neue unerfüllbare Bedingung des Gegenübers. Das Lied, ausdrucksvoll vorgetragen von Gudrun Walther und begleitet von Treyz’ Gitarrenklängen und Walthers eigenem schönen Akkordeonspiel, bleibt ohne Happyend. Das Lied aus dem 16. Jahrhundert habe die Zeit wohl überdauert, weil es so schön sei, sagt Gudrun Walther.

Geschichten aus dem Totenreich

Eine Eigenkomposition ist die von Gudrun Walther vertonte gruselige Ballade "Lenore" von Gottfried August Bürger (1747 bis 1794), in der ein im Krieg gefallener Soldat als Geist zu seiner jungen Frau zurückkehrt und sie mit sich ins Totenreich nimmt. Wie Jürgen Treyz erzählt, haben Verse der Ballade unter anderen die Schriftsteller Edgar Allen Poe (in "The Raven") und Bram Stoker (in "Dracula") inspiriert. Ein Lied so traurig.

Am Schluss des Konzertes forderte das Publikum mehrere Zugaben. In einer erklingt die Vertonung eines Eduard-Mörike-Gedichts aus Mörikes als unglücklich erlebten Vikariatszeit im Schwäbischen, wo er auf den Höhen der Burg Teck Trost fand. Die poetischen und anrührenden Verse des Dichters über bis heute nicht aus der Welt verschwundene Gefühlslagen kommentiert Gudrun Walther so: "Das ist eben Mörike und nicht Helene Fischer."

Das Konzert, zu dem der Verein Winterhalter in Menzenschwand im Rahmen der Jubiläumsveranstaltungen zum 220. Geburtstag von Franz Xaver Winterhalter eingeladen hatte, hätte klar ein größeres Publikum verdient. Die Zuhörer, die die Gelegenheit in Menzenschwand aber beim Schopf gepackt hatten, erlebten in der alten Dorfkirche außergewöhnliche Stunden.
Schlagworte: Gudrun Walther, Jürgen Treyz, Helene Fischer
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