Zischup-Interview

"Ich wollte nur ein paar Jahre bleiben"

50 Jahre ist es her, dass die ersten türkischen Gastarbeiter nach Deutschland kamen, um den Mangel an Arbeitskräften auszugleichen. Mikail Vanci und Tim Weinhold haben zwei Gastarbeiter der ersten Generation interviewt.  

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Gastarbeiter Seyfullah  Ilhan  | Foto: privat
Gastarbeiter Seyfullah Ilhan Foto: privat
Zischup: Warum sind Sie nach Deutschland gekommen?
Emine Vanci: Da Europa und Australien Arbeiter suchte und mein Vater davon überzeugt war, dass ich auch gehen sollte, hatte ich mich für einen Arbeitsplatz beworben. Ich wurde in vielen Ländern angenommen. Ich hätte also genauso nach Holland, Belgien oder sogar Australien gehen können, doch ich wollte nach Deutschland. Ich wollte meinen Kindern auch eine bessere Schulausbildung bieten.

Zischup: Woher erfuhren Sie, dass Deutschland Arbeiter sucht?
Emine Vanci: Mein Vater ist oft in die Stadt gegangen und hat von anderen Leuten mitbekommen, dass man hier Arbeiter suchte.

Zischup: Wo haben sie gearbeitet?
Emine Vanci: Als ich nach Deutschland kam, wurde ich der Tabakfirma C.A. Ringwald in Emmendingen zugeteilt.

Zischup: Wie kamen Sie mit der Sprache, der Kultur und dem Land an sich klar?
Emine Vanci: Bis ich die Sprache einigermaßen konnte, hatten wir als Gruppe einen Dolmetscher der uns bei allen Situationen half.

Zischup: Hatten Sie vor für immer in Deutschland zu bleiben?
Emine Vanci: Wie viele andere auch, hatte ich vor nur einige Jahre zu bleiben. Mein Mann wollte sich einen Traktor kaufen und ich wollte eigentlich nicht zurück ins Dorf, sondern wollte mir ein Haus in der Stadt Samsun kaufen. Doch irgendwann gewöhnten sich die Kinder an Deutschland, sprachen die Sprache schon sehr gut und ich bekam noch zwei weitere Kinder. Wir kamen nicht mehr dazu in die Türkei zurück zu gehen, und nun leben wir hier schon seit 39 Jahren mit Kindern und Enkelkindern.

Zischup: Warum kamen Sie nach Deutschland?
Seyfullah Ilhan: Ich bin hauptsächlich wegen unserer Armut nach Deutschland gekommen. Ich wollte nicht, dass meine Kinder in Armut aufwachsen und wollte ihnen eine Schulausbildung ermöglichen.

Zischup: Woher erfuhren Sie, dass Deutschland Arbeiter sucht?
Seyfullah Ilhan: Ich habe es in den Zeitungen gelesen. Es gab viele Schlagzeilen, dass Deutschland, die USA und Australien Arbeiter suchten um nach dem zweiten Weltkrieg die Wirtschaft anzukurbeln. Ich hatte mich beworben und einige Zeit gewartet bis endlich eine Zusage kam – aus Deutschland. Ich war glücklich, dass ich nach Deutschland gehen konnte, weil es nicht sehr weit von der Heimat entfernt ist.

Zischup: Wo haben Sie gearbeitet?
Seyfullah Ilhan: Da ich gelernter Schneider bin, wurde ich der Textilbranche der Ramie AG in Emmendingen zugeteilt.

Zischup: Wie kamen Sie mit der Kultur, der Sprache und dem Land an sich klar?
Seyfullah Ilhan: Am Anfang hatte ich beim Verständigen große Probleme, die Kultur war mir sehr fremd aber nach einiger Zeit kam ich zurecht.

Zischup: Hatten Sie vor für immer in Deutschland zu bleiben?
Seyfullah Ilhan: Nein, hatte ich nicht. Ich habe drei Jahre gearbeitet und dann meine Familie nach Deutschland gebracht. Meine Kinder gingen hier zu Schule und gewöhnten sich an das neue Leben in Deutschland. Dann bekamen wir noch ein Kind.

Zischup: Welche Ziele hatten Sie?
Seyfullah Ilhan: Meine Ziele waren es, in der Türkei einen Kleinbus zu kaufen und meinen Unterhalt zu bestreiten, meine Frau träumte von einer Hühnerfarm. Es war ein großer Wunsch wieder zurück in die Türkei zu kehren, doch je älter die Kinder wurden desto größer wurde ihr soziales Umfeld und sie gewöhnten sich immer mehr an das Leben in Deutschland. Es war ihr Wunsch in Deutschland zu bleiben, und meine Frau und ich waren der Meinung, dass dort, wo unsere Kinder sind, auch wir bleiben werden. Da meine Frau inzwischen verstorben ist, bin ich öfters in der Türkei. So gerne ich auch in der Türkei bin, genauso gerne komme ich auch nach Deutschland.

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