"In sechs Wochen wiederkommen"

Der Essener Sozialverein Tafel weist nun wie angekündigt Ausländer als Neukunden ab / Kritik, aber auch Verständnis.  

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Bedürftige am Mittwoch vor der Essener Tafel   | Foto: dpa
Bedürftige am Mittwoch vor der Essener Tafel Foto: dpa

ESSEN (dpa). Die Essener Tafel hat am Mittwoch wie geplant neue Bezugskarten für Lebensmittelpakete nur an bedürftige Deutsche ausgegeben. Es wurden mehrere Bewerber mit ausländischen Pässen weggeschickt. Dutzende Menschen standen am Morgen für neue Berechtigungen an. Wer keine Kundenkarte bekam, wurde gebeten, in sechs Wochen wiederzukommen.

Die Enttäuschung war groß bei einigen Ausländern vor der Essener Tafel. Sie standen für eine neue Berechtigungskarte für Nahrungsmittel an, bekamen aber keine mehr. "Wir sollen in sechs Wochen wiederkommen", sagt ein abgewiesenes Ehepaar. Andere Ausländer, die am Mittag an der Ausgabe für Brot, Obst oder Gemüse anstanden, sehen bange in die Zukunft. Wenn ihre aktuell noch gültige Karte demnächst abläuft, bekommen sie nach jetzigem Stand keine neue mehr.

Die Entscheidung des Vereins, bedürftigen Ausländern neue Bezugskarten für Lebensmittel vorerst zu verwehren, sorgt bundesweit für Debatten. "Ich kann nur appellieren an unsere Gesellschaft, dass wir uns nicht definieren über deutsch oder nicht deutsch, sondern dass wir uns definieren über anständig und unanständig", sagte NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) im Düsseldorfer Landtag. "Wer an einer Tafel sich nicht anständig benimmt, der gehört da dauerhaft ausgeschlossen – und da ist es auch völlig egal, ob er einen Fluchthintergrund hat oder nicht. Wer sich nicht benimmt, hat an einer Tafel nichts verloren."

Die Essener Tafel begründet ihr Vorgehen mit einem sehr hohen Anteil an Ausländern. Gerade ältere Menschen und alleinerziehende Mütter hätten sich von den vielen fremdsprachigen jungen Männern in der Schlange abgeschreckt gefühlt, hatte Vereinschef Jörg Sartor gesagt.

CSU-Chef Horst Seehofer zeigte Verständnis für diese Entscheidung: "Das ist ja ein Hilferuf von Menschen, die sich um Mitmenschen kümmern. Und ich würde uns Politikern empfehlen, solche Dinge nicht zu kritisieren, sondern miteinander zu überlegen, wie man denen, die diesen Hilferuf absetzen, helfen kann."

Linken-Parteichefin Katja Kipping forderte einen Kurswechsel in der Sozialpolitik. Sie wolle nicht über Quoten nach Nationalitäten für die Nutzer der Tafeln diskutieren. "Ich möchte darüber diskutieren, wie wir möglichst die Tafeln überflüssig machen, weil niemand mehr hungern muss in diesem Land."

Die Stadt Essen und der Vorstand hatten am Dienstag während einer Krisensitzung die Gründung eines Runden Tisches beschlossen. Dieser soll innerhalb der nächsten zwei Wochen zusammenkommen, um Lösungsansätze zu beraten.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte die Einrichtung des Runden Tisches. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Mittwoch in Berlin, die Kanzlerin sehe den Einsatz von Ehrenamtlichen zur Verteilung von Lebensmitteln für Bedürftige mit "größtem Respekt". Das habe sie in einem Telefongespräch mit dem Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) deutlich gemacht. "Ein bedürftiger Mensch ist ein bedürftiger Mensch", sagte Seibert. Die Staatsangehörigkeit sei dafür keine Richtschnur.
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