Gemeinderat
Klarstellung angestrebt: Hitler ist kein Ehrenbürger Offenburgs
Adolf Hitler ist kein Ehrenbürger Offenburgs und auch nie ein solcher gewesen, erklärt die Stadt. Sollte der Gemeinderat am 28. Juli zustimmen, wird ein Kapitel aus der NS-Zeit endgültig geschlossen.
Fr, 18. Jul 2025, 12:00 Uhr
Offenburg
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Die Stadt Offenburg strebt eine Klarstellung an: Der aktuelle Offenburger Gemeinderat soll in der Sitzung am Montag, 28. Juli, über die Bewertung der Beschlüsse von 1933 entscheiden - und zeigen: Paul von Hindenburg, Adolf Hitler und vier weitere NS-Funktionäre sind keine Ehrenbürger der Stadt Offenburg.
Eine entsprechende Verwaltungsvorlage stütze sich auf ein Gutachten des Historikers Wolfgang Gall. Dieser zufolge haben zwei Stadtratsbeschlüsse aus dem Jahr 1933, in denen Hitler, Hindenburg und vier weitere NS-Größen zu Ehrenbürgern erklärt wurden, keinen Bestand. Ehrenbürgerschaften der Stadt Offenburg seien dadurch nicht begründet worden. "Damit wird die in Verwaltung und Stadtgesellschaft seit Langem geübte Praxis bestätigt, die 1933 verliehenen Ehrenbürgerschaften als nichtig zu betrachten", heißt es dort. Gleichzeitig wird ein entsprechender Stadtratsbeschluss aus dem Jahr 1946 zur Aberkennung der Ehrenbürgerwürde präzisiert.
Robert Wagner sorgte für die Deportation der badischen Juden in das Lager Gurs
Im Einzelnen geht es um den früheren Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, den früheren Reichskanzler Adolf Hitler, den früheren NSDAP-Gauleiter von Baden, Robert Wagner, sowie die früheren NS-Minister in Baden, Karl Pflaumer, Walter Köhler und Otto Wacker. Letzterer war auch Mitgründer der Offenburger NSDAP.
Gauleiter Wagner war unter anderem der Initiator und Vollstrecker der Deportation der badischen Jüdinnen und Juden in das Lager Gurs am 22. Oktober 1940. Die weiteren NS-Funktionäre waren als badischer Ministerpräsident, Finanz- und Wirtschaftsminister (Köhler in Personalunion), Innenminister (Pflaumer) sowie Justiz- und Kultusminister (Wacker) unmittelbar an der Entrechtung, Enteignung und Deportation der jüdischen Bevölkerung beteiligt., gibt die Mitteilung der Stadt Auskunft.
Ehrenbürgerwürde steht in zeitlichen Zusammenhang mit Verfolgungen
Die Genannten waren unmittelbar nach der Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes (24. März) von Offenburger Stadtrat am 3. April beziehungsweise am 31. Juli 1933 pauschal zu Ehrenbürgern erklärt worden. Im zeitlichen Kontext stehen der Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte in Offenburg (1. April 1933), das Verbot der Zeitung "D’r alt Offeburger" (18. März) sowie eine öffentliche Bücherverbrennung (17. Juni).
Reichsweit hatte die Verfolgung und Inhaftierung von Kommunisten, Sozialdemokraten und anderen Regimegegnern begonnen. Bis zum 14. Juli 1933, also kurz vor dem zweiten Beschluss, waren alle Parteien außer der NSDAP aufgelöst beziehungsweise verboten worden. Die kommunalen Gremien, so auch die Stadt- und Gemeinderäte, waren gleichgeschaltet, betont die Stadt Offenburg.
Historiker und Stadt erklären, dass die Ehrenbürgerbeschlüsse nicht frei waren
Die Stadtratsbeschlüsse aus dem Jahr 1933, so die Argumentation, waren in der Form unzureichend. Sie genügten nicht einmal den Minimalanforderungen an ein Ehrungsverfahren: Eine Prüfung der Verdienste der zu Ehrenden fand nicht statt. Überdies waren die nicht frei: Unter dem Druck des zunehmenden Terrors hatten sie den Charakter einer Ergebenheitsadresse an das nationalsozialistische Regime und konnten keine Ehrenbürgerwürde begründen, so die Satdt Offenburg. Sie reihen sich ein in eine Welle von Ehrenbürgerschaften für Hitler, Hindenburg sowie lokale und regionale NS-Größen in hunderten Kommunen.
Bisher war man ausgegangen, dass ein Beschluss des Stadtrats aus dem Juni 1946 die Ehrenbürgerschaften aus dem Jahr 1933 rechtswirksam annulliert hat.
Formale Unzulänglichkeiten bei der Aberkennung der Ehrenbürgerwürde
Im Lichte dessen, dass jüngst das Instrument der Verleihung von Ehrenbürgerwürden für die Stadt wieder stärker in den Fokus gerückt ist, haben Mitarbeitende der Verwaltung sowie der Historiker Wolfgang Gall die Vorgänge überprüft. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass der Beschluss von 1946 die Absicht einer Annullierung der Ehrenbürgerschaften verfehlt hat. Die Recherchen ergaben: Nominell entzogen wurde das Ehrenbürgerrecht lediglich den damals noch lebenden Wagner und Pflaumer. Der damals noch lebende Walter Köhler (verstorben 1989) wurde übersehen. Seiner Heimatstadt Weinheim an der Bergstraße entzog ihm die Ehrenbürgerwürde dagegen bereits zwei Tage nach Kriegsende.
Bei den 1946 bereits verstorbenen Personen (Hindenburg, Hitler, Wacker) wurde das Ehrenbürgerrecht aufgrund des Todes als erloschen betrachtet. Eine Erklärung über den Entzug der Ehrenbürgerwürde gab es deshalb nicht.
In der Praxis wurden sie schon lange nicht mehr als Ehrenbürger behandelt
Diese formalen Unzulänglichkeiten konterkarierten die eigentliche Absicht, das Kapitel der Ehrenbürger-Beschlüsse von 1933 abzuschließen, so die Stadt. In der Offenburger Stadtgesellschaft und in der Verwaltung wurde es gelebte Praxis, alle sechs genannten Personen nicht als Ehrenbürger zu betrachten, sie nicht als solche zu erwähnen und sie nicht in der Ehrenbürgerliste zu führen. Ein Beschluss des jetzigen Gemeinderates, die Beschlüsse von 1933 für unwirksam zu erklären, soll diese seit Jahrzehnten geübte Praxis nun auf eine sichere Grundlage stellen
Der Beschlussvorschlag der Verwaltung lautet:" Paul von Hindenburg, Adolf Hitler, Robert Wagner, Otto Wacker, Karl Pflaumer und Walter Köhler sind keine Ehrenbürger der Stadt Offenburg. Eine Ehrenbürgerwürde der Personen Paul von Hindenburg, Adolf Hitler, Robert Wagner, Otto Wacker, Karl Pflaumer und Walter Köhler wurde durch die Beschlüsse des Offenburger Stadtrats vom 3. April 1933 und vom 31. Juli 1933 nicht begründet. Die Genannten sind daher nicht als Ehrenbürger oder gewesene Ehrenbürger der Stadt Offenburg zu betrachten. Die damals gefassten Beschlüsse betrachtet der Gemeinderat der Stadt Offenburg als unwirksam."
In der Beschlussvorlage für den Gemeinderat am 28. Juli wird auch auf die Hindenburgstraße eingegangen, die ihren Namen behalten soll: Bereits 2019 hat der Gemeinderat entschieden, den Straßennamen um eine Beschilderung zu ergänzen, um auf die Mitverantwortung von Hindenburgs hinsichtlich der NS-Diktatur und seine negative Rolle in diesem Zusammenhang hinzuweisen, heißt es in der Sitzungsvorlage. Dagegen stelle die Verleihung des Ehrenbürgerrechts eine Würdigung besonderer Verdienste an der und für die Gemeinschaft und die höchste von der Gemeinde zu gewährende Ehrung dar. Um eine hinreichend sensible historische Einordnung vorzunehmen, sei es daher geboten, beide Sachverhalte sorgfältig gedanklich zu trennen.