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UN-Artenschutzkonferenz

Lässt sich das Artensterben aufhalten?

Christian Mihatsch
  • So, 04. Dezember 2022, 19:51 Uhr
    Panorama

Bislang waren Fortschritte beim Artenschutz noch schwieriger zu erzielen als beim Klimaschutz. Wenn nun in Montreal die 15. UN-Artenschutzkonferenz beginnt, stellt sich die Frage nach dem Erfolg.

Tiger  sind ebenso vom Aussterben bedroht wie Feldhamster und Glattwale.  | Foto: Joe Giddens
Tiger sind ebenso vom Aussterben bedroht wie Feldhamster und Glattwale. Foto: Joe Giddens
Die Stabilität des planetaren Ökosystems beruht auf dem Zusammenspiel von Millionen verschiedener Tier- und Pflanzenarten. Doch diese sterben immer schneller aus, was die Länder der Welt nun stoppen wollen. Noch ist aber offen, ob sie bereit sind, dafür etwas zu tun.

Die zweiwöchige 15. UN-Artenschutzkonferenz (COP15), die diesen Mittwoch in Montreal beginnt, hätte eigentlich 2020 in der chinesischen Großstadt Kunming stattfinden sollen, wurde dann aber mehrfach verschoben. Wegen Chinas Null-Corona-Politik musste schließlich auch der Konferenzort gewechselt werden, und so findet COP15 nun unter chinesischem Vorsitz in Kanada statt. An der Konferenz sollen neue Ziele für den Arten- und Naturschutz von den Mitgliedsländern der UN-Artenschutzkonvention beschlossen werden. Diese lösen die "Aichi-Ziele" ab, die bis 2020 hätten erreicht werden sollen, aber zum großen Teil verfehlt wurden. Es wird erwartet, dass die "Kunming-Ziele" (aus Montreal) das Versprechen der Länder beinhalten, 30 Prozent der Land- und Meeresfläche bis zum Jahr 2030 unter Schutz zu stellen.

COP15 findet vor dem Hintergrund des sechsten Massenaussterbens statt. Das letzte dieser Ereignisse führte zum Verschwinden der Dinosaurier vor rund 66 Millionen Jahren. Ein Bericht des "Weltartenrats" (IPBES) von 2019 zeigt, dass heute etwas Ähnliches passiert: Eine Million Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht. Robert Watson, der IPBES-Chef, sagte aber auch, "dass es noch nicht zu spät ist". Nötig sei allerdings ein "transformativer Wandel".

Damit hängt Watson die Latte hoch, denn: "Unter transformativem Wandel verstehen wir einen grundlegenden, systemweiten Umbau über technologische, wirtschaftliche und soziale Faktoren hinweg." Und genau diesen Wandel soll die Konferenz in Montreal nun anstoßen. Elizabeth Mrema, Chefin der Convention on Biological Diversity (CBD), erhofft sich einen "Paris-Moment" für den Artenschutz in Anlehnung an das Pariser Klimaabkommen, das für Regierungen, Städte, Firmen und Finanzmarktakteure heute der Maßstab beim Klimaschutz ist.

Arten- und Klimaschutz lassen sich allerdings nur bedingt vergleichen. Beim Klimaschutz ist die Wirkungskette relativ einfach: Der Mensch verbrennt Kohle, Öl und Gas und produziert damit CO2. Dieses führt zur Klimaerwärmung. Die Gründe für den Verlust an Tier- und Pflanzenarten sind dagegen viel heterogener und lokaler. Der IPBES-Bericht nennt fünf Treiber: Änderungen der Landnutzung, wirtschaftliche Nutzung von Tieren und Pflanzen, Klimaerwärmung, Verschmutzung und Ausbreitung invasiver Arten.

Daher ist es viel schwieriger, ein Ziel zu formulieren, das allen gesellschaftlichen Akteuren als "Polarstern" dienen kann, wie das Ziel, die Erwärmung möglichst bei 1,5 Grad zu stoppen. Das Bewusstsein habe aber zugenommen, sagt Ruth Davies vom britischen Vogelschutzbund: "Es hat den Anschein, dass immer mehr Firmen, Finanzaufsichtsbehörden und Investoren beginnen, die grundlegenden Risiken zu erkennen, die sich aus der Zerstörung der Natur ergeben." So haben sich etwa Zentralbanken zu einem Netzwerk zusammengeschlossen, um das Finanzsystem "grüner" zu machen (NGFS). Der Entwurf der "Kunming-Ziele" fordert, dass Unternehmen offenlegen, welche Folgen ihre Aktivitäten für den Artenschutz haben. Für Charmian Love vom brasilianischen Kosmetikhersteller Natura & Co., der Marken wie Avon und The Body Shop besitzt, ist dieser Schritt entscheidend: "Es ist der schnellste Weg. Die Zeit der Freiwilligkeit ist vorbei."

Obwohl Änderungen im Finanzsystem wohl die größte Wirkung haben, wird eine andere Frage mehr Aufmerksamkeit bekommen: Wie viel Geld stellen die Industriestaaten für den Natur- und Artenschutz in Entwicklungsländern bereit? Der Entwurfstext nennt die Zahl von 200 Milliarden Dollar pro Jahr "aus allen Quellen". Dies besagt, dass es sich nicht nur um Steuergelder aus Industriestaaten handeln soll. Doch eignet sich der Streit um Geld, um von anderen Themen abzulenken – von denen es viele gibt: Der Entwurfstext enthält mehr als 950 mit eckigen Klammern versehene Textstellen, bei denen sich die Länder noch uneins sind.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 05. Dezember 2022: PDF-Version herunterladen

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