Einkommen

Mindestlohn steigt 2027 auf 14,60 Euro - Kritik aus der SPD

Um 1,08 Euro Anfang 2026 und noch einmal um 70 Cent im Jahr darauf: So stark soll es mit der Lohnuntergrenze in Deutschland nach oben gehen. Nicht alle sind damit zufrieden.  

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Die Mindestlohnkommission präsentiert das Mindestlohn-Ergebnis. Foto: Michael Kappeler/dpa

Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa).
Die BZ-Redaktion hat diese Meldung nicht redaktionell bearbeitet.

Berlin (dpa) - Der Mindestlohn in Deutschland steigt zum 1. Januar 2027 in zwei Stufen auf 14,60 Euro pro Stunde. Ab Anfang kommenden Jahres liegt die Lohnuntergrenze zunächst bei 13,90 Euro. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) kündigte die Umsetzung einer entsprechenden Empfehlung der Mindestlohnkommission an, obwohl ihre Partei einen Mindestlohn von 15 Euro gefordert hatte. "Wir werden eine Rechtsverordnung vorlegen, und dann werden wir das beschließen", sagte Bas schon kurz nach Bekanntgabe der Kommissionseinigung in Berlin.

Heute liegt der Mindestlohn bei 12,82 Euro. Nach wochenlangen zähen Gesprächen hinter den Kulissen traf die Kommission aus Arbeitgebern und Gewerkschaften die Entscheidung einstimmig. Nötig sei ein Vermittlungsvorschlag der unabhängigen Kommissionsvorsitzenden Christiane Schönefeld gewesen, hieß es weiter. Von der Erhöhung sollen laut Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) rund sechs Millionen Beschäftigte profitieren.

Arbeitgeber kritisieren politischen Druck

Schönefeld sagte, Versuche der politischen Einflussnahme seien mit dem Auftrag der unabhängigen Kommission nicht vereinbar. Der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Steffen Kampeter, kritisierte den großen Druck, der in den vergangenen Monaten von politischer Seite auf die Kommission ausgeübt worden sei. So hatte SPD-Chef Lars Klingbeil noch im Frühjahr gesagt: "Ein Mindestlohn von 15 Euro wird 2026 erreicht, wenn die Mindestlohnkommission sich selbst ernst nimmt und umsetzt, was in ihrer Geschäftsordnung steht." Kampeter sagte, nun erwarteten die Arbeitgeber von der Politik auch die versprochenen Wachstumsimpulse.

Bas: "Hätten uns mehr gewünscht"

Kampter, Gewerkschaftsverhandlungsführer Stefan Körzell und die Kommissionschefin betonten, sie nähmen ihre Arbeit sehr ernst. "Das Gefühl habe ich nicht, dass ich eine Kröte schlucken musste", sagte Körzell vom Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbunds zudem. "Unsere Sache ist eine funktionierende Sozialpartnerschaft, und die haben wir diesmal bewiesen - und das ist gut so."

Bas sagte: "Natürlich haben wir uns mehr gewünscht für die Menschen in diesem Land, aber mir ist wichtig, dass es jetzt überhaupt eine Mindestlohn-Erhöhung gibt." Andernfalls hätte man in der Koalition darüber reden müssen. Kritik kam vom SPD-Arbeitnehmerflügel. Die schwarz-rote Koalition solle den Mindestlohn gesetzlich auf 15 Euro hochsetzen, sagte die Chefin der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeit, Cansel Kiziltepe, der Deutschen Presse-Agentur. "15 Euro sind das Minimum für ein Leben in Würde", so die Berliner Sozialsenatorin. 

 

Merz: Kein weiterer Diskussionsbedarf

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte: "Ich gehe davon aus, dass das dann auch für die Koalition kein Thema sein wird, zu dem es weiteren Diskussionsbedarf gibt." Merz verwies darauf, dass die Koalition sich darauf verständigt habe, die Empfehlung der Kommission umzusetzen und nicht politisch einzugreifen.

Die Mindestlohnkommission entscheidet alle zwei Jahre über die Anpassung. Der vorangegangene Beschluss über den heutigen Mindestlohn war gegen das Votum der Gewerkschaften mit der Stimme Schönefelds gefasst worden. Die Vorsitzende sprach von einem tragfähigen Kompromiss und einem Ausgleich zwischen Arbeitnehmern und Betrieben. Die Gespräche seien sehr schwierig gewesen. Körzell sprach von harten Verhandlungen. 

Die SPD, die in Berlin einen Parteitag abhält, hatte 15 Euro Mindestlohn mit ins Zentrum ihres Bundestagswahlkampfs gerückt. Bas sollte am Abend zur neuen SPD-Chefin an der Seite Klingbeils gewählt werden. DGB-Chefin Yasmin Fahimi sagte zu Beginn des Konvents zu den Delegierten: "Das ist ein verdammt hartes Ringen gewesen." Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und Sozialdemokraten hatte auf eine konkrete Festlegung verzichtet und 15 Euro im Jahr 2026 als "erreichbar" bezeichnet.

Kritik von mehreren Seiten

Von Sozialverbänden kam die Kritik, der Mindestlohn sei zu niedrig. So sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele: "Eine Anhebung auf 15 Euro wäre angesichts der hohen Inflation der letzten Jahre angebracht gewesen. Beschäftigte zum Mindestlohn müssen wegen der hohen Preise jeden Euro dreimal umdrehen." Aus der Wirtschaft kamen kritische Stimmen. 

Der Handelsverband Deutschland (HDE) etwa mahnte: "Jobs müssen sich für Arbeitgeber in der Privatwirtschaft rechnen, sonst fallen sie weg." HDE-Präsident Alexander von Preen sieht nun zahlreiche Stellen im Einzelhandel auf dem Spiel stehen. Vor gravierenden Folgen warnte auch der Bauernverband. "Dieser Mindestlohn hat das Potenzial, den Anbau von Obst, Gemüse und Wein aus Deutschland zu verdrängen", sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied. Betriebe würden zum Ausstieg aus arbeitsintensiven Kulturen gezwungen. 

Mindestlohn in Deutschland 

Der Mindestlohn in Deutschland war 2015 unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eingeführt worden. Bei der Erhöhung auf 12 Euro im Oktober 2022 hatte ausnahmsweise der Gesetzgeber dem Gremium die Entscheidung per Gesetz aus der Hand genommen. Damals hatte der spätere Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Mindestlohn mit ins Zentrum seines Wahlkampfs für mehr "Respekt" gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern gestellt. 

Entscheidende Faktoren für die Lohnuntergrenze sind die zurückliegende Entwicklung der Tariflöhne in Deutschland, errechnet durch das Statistische Bundesamt. Zudem dient der mittlere Lohn als Ausgleichsgröße, denn als angemessener Mindestlohn gelten 60 Prozent des nationalen Medianlohns, also des statistisch errechneten mittleren Lohns. So soll vermieden werden, dass noch mehr Menschen durch Armut gefährdet sind. 

Viele sind Armutsgefahr ausgesetzt

Vergangenes Jahr waren laut offizieller Statistik 15,5 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet - rund 13,1 Millionen Menschen in Deutschland. Als armutsgefährdet gelten laut EU-Definition alle, die über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügen. 1.378 Euro im Monat nach Steuern und Sozialabgaben waren dies 2024 für eine alleinlebende Person in Deutschland. Die Arbeitgeber hatten allerdings vor gravierenden ökonomischen Folgen durch eine deutliche Mindestlohn-Erhöhung gewarnt. Deutschland droht 2025 das dritte Rezessionsjahr in Folge.

© dpa‍-infocom, dpa:250627‍-930‍-724834/4

Schlagworte: Bärbel Bas, Gewerkschaftsverhandlungsführer Stefan Körzell, Friedrich Merz

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