Birding

Mit dem Fernglas durch die Großstadt: Vogelbeobachter in New York

Der New Yorker Robert DeCandido, genannt Birding Bob, zeigt Städtern und Touristen die Vogelwelt einer Millionenmetropole: Naturliebhaber kommen auch in New York auf ihre Kosten.  

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In den Parks der Millionenmetropole New York lassen sich viele Vogelarten beobachten. Foto: Christina Horsten (dpa)
An einem sonnigen Sonntagmorgen steht Robert DeCandido auf einer Wiese im New Yorker Central Park und formt Zisch-Laute mit seinen Lippen. "Das wird schwierig heute. Es sollte viel mehr los sein, aber wir hatten Winde aus dem Norden und vom Wasser, und das drängt den Vogelzug oft ins Land hinein. Wir werden Vögel sehen, aber wir sollten viel mehr sehen."

Rund 50 mit Ferngläsern ausgestattete Menschen schauen DeCandido erwartungsvoll zu, als er auf seinem Handy den Lockruf eines Kletterwaldsängers aufruft, eines kleinen schwarz-weißen Zugvogels. Unter dem Spitznamen "Birding Bob" ist DeCandido der wohl berühmteste Vogelbeobachter New Yorks. Die Millionenmetropole gilt als Hauptstadt des Betons und der Hochhausschluchten, aber rund 14 Prozent des Stadtgebiets sind Parks. Mehr als 100 Vogelarten legen auf dem Flug von ihren Winterquartieren im Süden zu ihren Brutgebieten im Norden dort Zwischenstopps ein.

Birding Bob kennt sie alle. Bis zu siebenmal die Woche führt er Gruppen von Vogelinteressierten durch den Central Park, gegen eine Spende von zehn Dollar (etwa 9,50 Euro) pro Person. Ein Mann mit blauer Kappe ist bereits zum fünften Mal dabei. Während der Pandemie habe seine Frau zufällig über Birding Bob gelesen, dann hätten sie es einfach ausprobiert und Gefallen daran gefunden. "Vor allem wegen Bob, er ist einfach immer lustig." DeCandido hat unterdessen eine Lincoln-Ammer entdeckt. "Schaut mal links neben dem roten Plastikbecher. Dieser Vogel fliegt demnächst weiter über die Adirondack-Berge."

Geboren wurde der 62-jährige Birding Bob im Stadtteil Bronx. "Wir hatten einen Garten, und da haben wir immer mal wieder einen Kardinal gesehen – das war damals ein bedeutender Vogel für uns", erzählt er. Dann seien Frauen, Baseball und Reisen interessanter gewesen. Doch auf einer Reise per Anhalter durch die USA habe er an der Westküste alle Vogelarten identifizieren können – und galt bald als der "Vogeltyp". "Und da fiel mir auf, dass das wirklich das war, was ich machen wollte", sagt DeCandido heute.

Jahrzehntelang erforschte DeCandido Vögel auf der ganzen Welt, arbeitete als Biologe für die New Yorker Parkverwaltung und führte in deren Auftrag Vogel-Beobachtungstouren. Seit einigen Jahren organisiert er die Ausflüge eigenständig und konzentriert sich auf die Parks der Millionenmetropole. "Früher hatten wir viele Besucher aus Europa dabei, das kommt jetzt erst langsam wieder. Aber viel mehr New Yorker wollten während der Pandemie Dinge draußen unternehmen", sagt DeCandido.

Sein Ziel: Vogel-Beobachtung nahbar und unterhaltsam zu machen – und so für ein harmonisches Zusammenleben von Natur und Mensch in der Millionenmetropole zu sorgen. "Ich möchte, dass es inklusiv ist, dass jeder sich traut, jede Frage zu stellen oder selbst mal auf einen Vogel hinzuweisen", sagt der 62-Jährige. "Andere Vogelbeobachtungstouren sind so ernst, als wären sie in der Kirche."

DeCandidos Methoden mit den lauten Lockrufen, die er entweder selbst ausstößt oder über ein spezielles Programm auf seinem Handy abspielt, sind auch umstritten. Ihm sei vorgeworfen worden, dass er damit den Vögeln schade, erzählt DeCandido. Er sei deswegen sogar schon körperlich angegriffen worden. Die Vorwürfe weist er zurück: Er sei Wissenschaftler und habe noch nie einem Vogel geschadet.

Hin und wieder werden Vögel in New York zum Stadtgespräch, wie jüngst ein Weißkopfseeadler, der im Central Park jagte, oder "Pale Male", einer der ersten Rotschwanzbussarde, der an einem Luxuswohnhaus an der noblen Fifth Avenue sein Nest baute.

DeCandido möchte mit seinen Touren helfen, ein Verständnis für die Natur zu schaffen. "Viele Menschen reden vom Regenwald oder so – die echte Natur ist immer irgendwo anders. Aber es ist doch auch die Luft, die sie atmen, wenn sie einfach aus der Tür herausgehen", sagt DeCandido.
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