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"Mitreiten dürfen nur die Männer"

  • Tobias Höcht, Klasse 4a, Hebelschule & Rheinfelden-Nollingen

  • Fr, 24. Juni 2016
    Zisch-Texte

ZISCH-INTERVIEW mit Heinrich Plötz aus dem bayerischen Bad Kötzting über den berühmten Pfingstritt in seinem Ort.

Kardinal Gerhard Ludwig Müller auf der Stute Isabella   | Foto: Barbara Plötz
Kardinal Gerhard Ludwig Müller auf der Stute Isabella Foto: Barbara Plötz

Zisch-Reporter Tobias Höcht aus der Klasse 4a der Hebelschule Rheinfelden-Nollingen war über Pfingsten bei seinen Großeltern im bayerischen Bad Kötzting zu Besuch und hat dort die traditionelle Pferdewallfahrt miterlebt. Er hat seinen Opa Heinrich Plötz interviewt. Heinrich Plötz stammt von einem Bauernhof der Pfingstrittstadt Kötzting und ist seit seiner Kindheit mit der Pfingsttradition dort verbunden.

Zisch: Wir haben miteinander den Pfingstritt in Bad Kötzting angeschaut. Was ist eigentlich der Pfingstritt?
Plötz: Der Pfingstritt von Kötzting ist eine der größten Reiterprozessionen Europas. Jedes Jahr am Pfingstmontag starten unzählige Reiter auf geschmückten Pferden in Bad Kötzting zu einer Bittprozession.
Zisch: Warum machen die das? Und wie lange schon?
Plötz: Der Legende nach wollte im Jahr 1412 ein Priester einem Sterbenden die Sakramente nach Steinbühl bringen. Da Räuber am Wege lauerten, schützten ihn mutige Burschen. Nach der glücklichen Rückkehr gelobten die Männer, den Ritt jährlich zu wiederholen. Also schon seit mehr als 600 Jahren.
Zisch: Wie weit ist die Strecke, die sie reiten, und wie lange brauchen sie dafür?
Plötz: Die Wallfahrt führt von Kötzting zur Kirche in der sieben Kilometer entfernten Ortschaft Steinbühl. Beginn ist um acht Uhr. Für die Wegstrecke mit den vier Altären benötigen die Pilger zu Pferd rund zwei Stunden. Und nach einem Gottesdienst reiten sie auch wieder zurück.
Zisch: Wie viele Reiter machen dabei mit?
Plötz: In manchen Jahren waren schon über 900 Reiter dabei. Dieses Jahr haben sie 817 Teilnehmer gezählt – vermutlich war das schlechte Wetter schuld, dass es etwas weniger waren.
Zisch: Bist du auch schon mal mitgeritten?
Plötz: Ja, als Bub. Da waren wir Brüder allemal dabei. Ich bin zwei Mal mitgeritten, als ich etwa so alt war wie du – also etwa neunjährig. Einmal sind wir Brüder sogar alle vier zusammen mitgeritten und unser Vater auch. Der ist damals als 50-Jähriger das erste Mal dabei gewesen. Die Pferde haben wir dafür teilweise von benachbarten und befreundeten Bauernhöfen ausgeliehen.
Zisch: Sind deine Brüder oft mitgeritten?
Plötz: Mein Bruder Karl, der sein ganzes Leben in Kötzting geblieben ist, war insgesamt schon ganze 40 Mal dabei. Den haben wir ja die letzten Jahre im hohen Alter von über 70 Jahren noch gesehen. Zwischenzeitlich war er sogar mit drei Generationen unterwegs. Sein Schwiegersohn ist zusammen mit ihm geritten und die beiden Enkel. Der jüngste Enkel saß dabei noch mit seinem Papa auf dem Pferd. Das sieht man immer wieder, dass schon die ganz kleinen Buben bei ihren Vätern oder Großvätern auf dem Pferd sitzend dabei sind.
Zisch: Wie kriegt man denn diese Ehrenfahnen?
Plötz: Wer 25 Mal mitgeritten ist, wird nach dem Einritt mit einer Fahne geehrt, die er dann immer stolz mitführen darf. Und beim 40-, 50- und 60-jährigen Jubiläum gibt es jeweils ein Ehrenband, das dazu gehängt wird.
Zisch: Wie werden die Pferde geschmückt?
Plötz: Für das Schmücken der Pferde sind die Frauen und Mädchen zuständig. Dazu fertigen sie kleine Papierrosen, die den Pferden in Mähne und Schweif eingeflochten werden, und putzen sie ganz besonders heraus. Die Reiter bringen Sattel und Zaumzeug auf Hochglanz. Manchmal fällt eine Papierrose beim Ritt ab, und die Buben haben schon in meiner Kindheit geschaut, dass sie eine erwischen. So wie du ja auch eine Papierrose gefunden und schnell vom Boden aufgelesen hast.
Zisch: Gibt es auch berühmte Leute, die mitreiten?
Plötz: Prominentester Reiter ist Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Seit zwölf Jahren schon reitet er auf dem gleichen Pferd, der Stute Isabella, mit. Als Kardinal reist er dafür extra aus Rom an. Neben dem Kötztinger Geistlichen trägt er dazu bei, dass es eine religiöse Bittprozession bleibt und nicht irgendein Touristenspektakel.
Zisch: Dürfte ich auch mitreiten?
Plötz: Du dürftest auch mitreiten. Aber es ist nicht einfach, dafür an ein Pferd zu kommen. Alle Pferde in der Umgebung sind dafür weit im Voraus ausgebucht, und viele Leute lassen sich das Mieten eines Pferdes einiges kosten, um dabei sein zu können. Die Teilnehmer kommen aus nah und fern.
Zisch: Und meine Schwester?
Plötz: Deine Schwester – als Mädchen – dürfte nicht mitreiten. Genauso wie meine beiden Schwestern auch nie als Pfingstreiter mitmachen konnten. Auch heute noch dürfen nur "Männerleut" teilnehmen, also keine Frauen. Die können Pfingstbraut werden und sind für das Fest und das Schmücken der Pferde zuständig.

Ressort: Zisch-Texte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 24. Juni 2016: PDF-Version herunterladen

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