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Fall in Schweden

Mobbing kann teuer werden

Hannes Gamillscheg
  • Fr, 28. Juni 2013
    Panorama

     

Gerichtsurteil in Schweden – Eltern müssen Schadenersatz zahlen, weil ihre Kinder im Internet andere Jugendliche beschimpften.

Mobbing und Verleumdung finden  zunehmend auch im Internet statt.  | Foto: DPA
Mobbing und Verleumdung finden zunehmend auch im Internet statt. Foto: DPA

KOPENHAGEN. Ein Urteil über Internet-Mobbing hat in Schweden eine heftige Debatte ausgelöst: nicht wegen des Schuldspruchs gegen die beiden Teenager, die deftige Beleidigungen gegen ihre Mitschüler und andere Jugendliche ins Web stellten, sondern wegen des Schadenersatzes, den das Gericht den Opfern zusprach.

Für diesen haften nämlich die Eltern der Täterinnen, was sie rund 40 000 Euro kosten kann. Ist das ein "wichtiges Signal an alle Erwachsenen", wie der Anwalt Arash Raoufi meint, der mehrere der Geschädigten vertrat? Oder eine "unangemessene Konsequenz des Gesetzes über Elternverantwortung", wie dessen Kollege Claes Östlund behauptet?

Das Gesetz, auf das sich das Gericht in Göteborg berief, wurde 2010 von Justizministerin Beatrice Ask initiiert, um die Eltern jugendlicher Straftäter in die Pflicht zu nehmen. Sie können für ihr Versäumnis der Sorgepflicht mit einer eher symbolischen Geldstrafe belegt werden, die bei rund 1000 Euro liegt. Dieser Paragraf fand nun erstmals in einem Fall Anwendung, in dem es nicht um physische Gewalt geht. Da der Schadenersatz 38 Geschädigten zugesprochen wurde, vervielfachte sich die Summe.

Die beiden Mädchen hatten Ende 2012 auf der Internet-Fotobörse Instagram ein Konto eingerichtet, auf dem sie Gleichaltrige mit Foto, Namen und Adresse als Schlampen und Huren bezeichneten und übel beschimpften. Sie forderten andere auf, weitere "Orror" (Slang für Huren) beiderlei Geschlechts kenntlich zu machen. Die Liste umfasste rasch mehr als hundert Namen. Im Dezember kam es in Göteborg zu Aufruhr vor zwei Gymnasien, als Freunde der Opfer deren "Ehre rächen" wollten. Jugendliche lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei, die Schulen wurden aus Sicherheitsgründen tagelang gesperrt, eine 17-Jährige, die zu Unrecht beschuldigt wurde, hinter dem Konto zu stehen, musste mit ihrer Familie abtauchen.

Als Täterinnen wurden später zwei andere Mädchen ermittelt. Sie wurden nun wegen schwerer Verleumdung verurteilt: eine 15-Jährige, die zugab, die Fotoseite "aus Spaß" betrieben zu haben, und eine 16-Jährige, die gegen ihr Leugnen auf Grund eindeutiger Indizien schuldig gesprochen wurde. Als Strafe müssen beide gemeinnützige Arbeit leisten. Außerdem wurden sie zur Zahlung von je 15 000 Kronen (1710 Euro) an die 38 Opfer verurteilt. Für mehr als die Hälfte dieser Summe haften die Eltern.

Während der Schuldspruch generell auf Zustimmung stieß, weckt die Verantwortung der Eltern gemischte Reaktionen. "Man versäumt die Aufsichtspflicht, wenn die Kinder mitten in der Nacht auf der Straße sind und andere Leute in Fresse schlagen", sagt Östlund. "Aber es ist unlogisch, dass sie 300 000 Kronen zahlen müssen, nur weil ihr Kind ein paar Mausklicks am Computer machte." Raoufi erwidert: "Was die Kinder zuhause machen, sollte einfacher zu kontrollieren sein." Selbst wenn, wie im Fall der 16-Jährigen, die allein erziehende Mutter nicht mal einen eigenen Computer hat.

"Es ist schwer zu wissen, was Teenager treiben", sagt die Publizistin Hanne Kjöller. "Aber es ist wichtig, dass das Gericht zeigt, dass man sich nicht mit Nicht-Wissen aus der Verantwortung stehlen kann." Allerdings sind die Eltern nicht imstande, den Schadenersatz zu zahlen. Und da Verleumdung kein Tatbestand ist, bei dem Opfer notfalls vom Staat entschädigt werden, werden die 38 Verleumdeten ihre 15 000 Kronen kaum je erhalten.

Ressort: Panorama

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