Arbeitsunfall
Notfallseelsorger: "Unglücke realisieren und akzeptieren"
Bei einem schweren Unfall auf einer Mega-Baustelle in Baden-Württemberg kommen drei Bauarbeiter ums Leben. Um ihre geschockten Kollegen kümmern sich vor allem Notfallseelsorger. Wie machen sie das?
dpa
Mi, 21. Mai 2025, 4:00 Uhr
Baden-Württemberg
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Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa).
Die BZ-Redaktion hat diese Meldung nicht redaktionell bearbeitet.
Horb am Neckar (dpa) - Nach einem schweren Unfall wie auf der Brückenbaustelle in Horb am Neckar oder nach Straftaten und Unglücken sind nicht nur Polizisten und Sanitäter gefragt – auch Notfallseelsorger rücken aus. Sie stehen Betroffenen in den ersten Stunden bei, schenken Halt, hören zu, sagt Andreas Groll, der Leiter der Notfallseelsorge Stuttgart: "Sie sind so etwas wie die Akuthelfer, die den Sanitätern den Rücken freihalten und auch als Ansprechpartner bleiben, wenn die Rettungsdienste bereits fort sind."
Am Dienstagmittag war auf der Mega-Baustelle in Horb eine Gondel aus großer Höhe abgestürzt. Für die drei Arbeiter kam jede Hilfe zu spät. "Die Menschen, die Hinterbliebenen oder im Horber Fall auch die Kollegen müssen sicher sein, dass sie nicht allein sind", sagt Groll zu Einsätzen wie diesem.
Oft informiert die Leitstelle die Notfallseelsorger direkt. Nicht selten treffen diese zeitgleich mit dem Rettungsdienst ein. Was sie dann tun, ist oft still, aber entscheidend. Dann gehe es vor allem um menschliche Nähe, um Erklärung, Stabilisierung und Orientierung in einem Moment, in dem viele den Boden unter den Füßen verlören, sagt Groll.
Inmitten von Schock, Fassungslosigkeit und Leere soll die Anwesenheit der Notfallseelsorger helfen, erste Orientierung zu geben. Ziel sei es, wie Groll sagt, "die akute Überforderung des Zeugen, des Angehörigen oder Kollegen etwas zu entlasten und das Geschehen zu sortieren". Und weiter: "Nicht zuletzt geht es für den Menschen auch darum, zu realisieren und auch zu akzeptieren. Wenn dann jemand schon nach vorne schaut, ist das für uns aus kirchlicher Sicht wie eine kleine Auferstehung."
Besonders nach einem Unglück wie in Horb könne es entscheidend sein, bei denen zu bleiben, die sich Vorwürfe machen könnten. "Das Thema Schuld ist ein ganz großes Thema, damit darf man die Menschen nicht allein lassen", sagt Groll. Manche Betroffene sagten zwar, sie kämen auch ohne Hilfe zurecht. Doch, so der katholische Diakon: "Hinterher sind alle froh, dass wir da waren."
Die Notfallseelsorge Stuttgart ist ein ökumenischer Dienst der Kirchen. Auch spiritueller Beistand spielt für viele in solchen Momenten eine Rolle. "Ich bete gerne für die Menschen oder frage, ob ich sie segnen darf", sagt Groll. Um selbst die seelische Belastung nach einem Einsatz zu verarbeiten, hat er ein einfaches Ritual: "Stress ist wasserlöslich. Ich gehe gerne schwimmen oder dusche danach."
© dpa-infocom, dpa:250521-930-570262/1