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Neu im Kino

"Ocean’s 8": Die Machtübernahme muss noch warten

  • Di, 19. Juni 2018, 19:33 Uhr
    Kino

Bei der Ganovinnenkomödie "Ocean’s 8" dreht ein prominentes Frauenensemble das große Ding. Der Film schlägt aber daraus kein feministisches Kapital.

Ganovinnen bei der Arbeit: Szene aus „Ocean’s 8“  | Foto: dpa
Ganovinnen bei der Arbeit: Szene aus „Ocean’s 8“ Foto: dpa
Auf einen weiblichen James Bond müssen wir wahrscheinlich noch das ein oder andere Jahrzehnt warten, aber "Ocean’s 8" macht schon einmal vor, wie so eine Machtübernahme in einem männerdominierten Genre aussehen könnte.

In der Gattung des Heist-Movies, in dem es darum geht einer stilvollen Schar von Gangstern bei der Planung und Durchführung eines möglichst raffinierten Raubs zuzuschauen, waren Frauen bisher zumeist nur als attraktive Minorität zugelassen. Das galt auch für Steven Soderberghs "Ocean"-Filme, die sich in drei Folgen aufgrund ihrer populären Besetzung einen gewissen Kultstatus erarbeitet haben. Zwar hatten Julia Roberts und Catherine Zeta Jones hier durchaus markante und aussagekräftige Auftritte, aber die eigentliche Show gehörte der coolen Jungsbande rund um George Clooney, Brad Pitt und Matt Damon.

Nun hat Regisseur Gary Ross zusammen mit Drehbuchautorin Olivia Milch ein weibliches Spin-off aus dem erfolgreichen Markenprodukt entwickelt. Sandra Bullock spielt Debbie Ocean, die Schwester von Clooneys Danny Ocean, und ihre Figur steht dem verstorbenen Bruder in Sachen krimineller Energie in nichts nach. Fünf Jahre hat sie wegen Betruges hinter Gittern verbracht. In der richterlichen Anhörung gelingt es ihr mit einer rührenden Ansprache, in der sie unter Tränen beteuert nur ein einfaches, gesetzestreues Leben führen zu wollen, auf Bewährung frei zu kommen.

Debbie hat ihr Handwerk im Knast nicht verlernt und die Zeit genutzt, um einen ganz großen Coup auszuhecken. Ein drei Kilo schweres Diamantcollier von "Cartier" im Wert von 150 Millionen Dollar steht auf der To-Do-Liste. Das Schmuckstück soll auf der Benefizgala des New Yorker Metropolitan Museums entwendet werden – ein Event mit extrem hoher Promidichte und noch höheren Sicherheitsvorkehrungen. Zunächst wendet sich Debbie an ihre alte Freundin Lou (Cate Blanchett). Wie im Genre üblich folgt eine unterhaltsame Rekrutierungsphase der ausnahmslos weiblichen Komplizinnen. An einem Punkt schlägt Lou einen Mann als kriminellen Teamkollegen vor, aber Debbie bügelt die Angelegenheit gleich ab. Er sei nun mal ein "Er". Und ein "Er" ziehe automatisch Aufmerksamkeit auf sich, während eine "Sie" ignoriert werde: "Und dieses eine Mal wollen wir wirklich ignoriert werden."

Von solchen feministischen Sticheleien hätte "Ocean’s 8" durchaus noch mehr vertragen können, aber für ein zünftiges Me-Too-Update ist der Studioapparat, in dem diese 70-Millionen-Dollar-Produktion entstand, wahrscheinlich zu schwerfällig. Im Großen und Ganzen stützt sich der Film auf die Besonderheit, die eigentlich schon längst keine Besonderheit mehr sein sollte: Dass hier ein Frauenensemble allein den Ton angibt und für das finanzielle Wohlergehen an den Kinokassen verantwortlich zeichnet. Und in der Tat ist – ähnlich wie bei den männlichen "Ocean"-Pendants – die Besetzung das Hauptpfund. Cate Blanchett erstrahlt als coole Rockerbraut mit blondiertem Keith-Richards-Haarschnitt, Sarah Paulsen gibt die Vorstadtmutti mit Hehlernebengewerbe, R&B-Sängerin Rihanna die obligatorische Computerhackerin, die Rapperin Awkwafina eine versierte Taschendiebin, die Komödiantin Mindy Kaling die Diamantenspezialistin und die wunderbare Helena Bonham Carter eine Modedesignerin mit Steuerschulden.

Mit akribischer, krimineller Energie arbeitet das Team an der Unterwanderung des glamourösen Events, wo das wertvolle Schmuckstück am Hals der ahnungslosen Schauspielerin Daphne Kluger (Anne Hathaway) gegen ein Replikat eingetauscht werden soll. Hathaway hat die mit Abstand beste Rolle in diesem Film. Mit sichtbarem Genuss spielt sie den vermeintlich naiven Narzissmus der eitlen Filmdiva aus, um dann in einem grandiosen Moment die Fassade ihrer Figur zu zerbröseln. Dieses ironische Spiel mit weiblichen Stereotypen kommt im Chor der Komplizinnen leider zu kurz. Hier fehlt es dem Drehbuch deutlich an satirischem Biss und dem Willen, aus der Umkehrung der Geschlechtermachtverhältnisse feministisches Kapital zu schlagen.

Natürlich schaut man der coolen Damenriege von Anfang bis Ende gerne bei der kriminellen Arbeit zu, aber bei einem solchen Ensemble und dem derzeitigen gesellschaftlichen Rückenwind wäre mit einem ausgefeilteren Drehbuch – und vielleicht auch einer Frau im Regiestuhl – sicherlich sehr viel mehr drin gewesen.

"Ocean’s 8" (Regie: Gary Ross) kommt am Donnerstag, 21. Juni, in die Kinos. Ohne Altersbeschränkung.

Ressort: Kino

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mi, 20. Juni 2018: PDF-Version herunterladen

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