Pappmaché-Brote in Flammen

Wenig Politik, viel Spaß: 120 Jugendliche aus aller Welt haben sich in Köln zu einem interkulturellen Kongress getroffen.  

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Braucht die Zukunft Herkunft? Philosophische Fragen wie diese wurden beim interkulturellen Jugendkongress der Bundesinitiative "Step 21" nicht beantwortet. Dafür hatten die 120 Teilnehmer aus 30 Ländern in Köln jede Menge Spaß. Und am Ende auch jede Menge Kontakte.

So ungefähr muss multikulturelle Gesellschaft aussehen: exotische Imbissbuden von Döner-Stand bis China-Grill und Passanten aus Herkunftsländern, die sich vermutlich um die ganze Welt erstrecken. Mittendrin in dieser bunten Ecke von Köln steht die "Alte Feuerwache", ein mehrteiliger, roter Backsteinbau samt großzügigem Innenhof. Sonst eher ein Bürgerzentrum, soll hier bundesweit ein bisschen Zukunft gemacht werden: 120 Jugendliche mit unterschiedlichen Wurzeln treffen sich zum interkulturellen Dialog unter dem Motto "Zukunft braucht Herkunft" - so nennt es jedenfalls der Veranstalter "Step 21" der Bundesregierung.

Der Dialog scheint gut zu funktionieren: Schon am ersten Abend stehen alle in Grüppchen plaudernd auf dem Hof. Nebenbei werden kleine Steckbriefe mit Polaroids angefertigt und einige interkulturell bedeutsame Fragen geklärt: "Gehört Bayern auch noch zu Deutschland, oder wie ist das?" Man ist ja tolerant. Wer beim ersten Essen internationale Spezialitäten erwartet hat, wird enttäuscht: Es gibt Hamburger. Die anschließende "Kennenlern-Party" in der Ausstellungshalle bleibt komplett leer, denn man trifft sich lieber auf dem Hof - bis Rafael Badalov, Jean-Baptiste Malanda und Oliver Schadow sich die Mikrofone schnappen und mit ihren Freestyles die Halle füllen.

Mag es an den unchristlichen Frühstückszeiten (ab halb sieben) oder am bereits zwei Stunden früher aufgezogenen Weltuntergangs-Gewitter liegen: Wo man am nächsten Morgen hinschaut, nichts als verknitterte Minen und redefaule Menschen. Und das, wo doch heute der wichtigste Teil der Veranstaltung stattfindet. Alle 120 Teilnehmer finden sich in ihren Workshops zu den Themen Rhythmus, Stories, Kunst, Mahlzeit, Style und Presse ein, die von Coaches und Assistenten geleitet werden. Für Oliver, 16, der aus Ingolstadt kommt, war die Wahl klar: "Ich wollte unbedingt in den Rhythmus-Workshop." Alles andere hätte für einen Vollblut-Hip-Hopper wie ihn auch keinen Sinn gemacht.

Nach einer lockeren Vorstellungsrunde in den Workshops, gibt es erstmal die unvermeidbaren Reden. Zunächst die Begrüßung durch "Step 21"-Gesellschafterin Sonja Lahnstein-Kandel, dann eine Ansprache von Renan Demirkan (siehe Interview).

Aber was haben die Workshops nun im Einzelnen zu leisten? Während beim Presse-Workshop von vorne herein klar ist, das man die Veranstaltung zu dokumentieren hat, und sich in eine filmende und eine schreibende Gruppe aufteilt, rätselt man beim Team "Mahlzeit" noch, wie man das Thema Essen angemessen an den Mann bringen will. Denn das Ziel der sechs Gruppen ist nicht, die Welt zu verändern, sondern, ganz trivial, eine große Abschlussperformance auf die Beine zu stellen. Für die "Kunst" kein Problem: Unter der Leitung von Hanna Ott gibt es genügend Riesen-Leinwände und Farben, um ein gutes Dutzend Bilder herzustellen. Bei "Style" macht man sich mit einer Designer-Dia-Show für die Modenschau fit. Bei den "Stories" mit Adrian Engels und Markus Riedinger, die sonst als "ONKeL fISCH" Comedy für Radio und TV produzieren, entwickeln die Teilnehmer eine Geschichte in Variationen. An jedem Wendepunkt gibt es zwei Möglichkeiten, wie sie weitergehen kann - die Qual der Wahl werden später die Zuschauer haben.

Verstanden hat's keiner, es geht ja um Kunst

Während man bei der Rhythmusgruppe noch überlegt, wie sich die unterschiedlichen Talente der Teilnehmer am besten unter einen Hut bringen lassen, handeln andere bereits: Im Hof gehen einige Pappmaché-Brote in Flammen auf - eine Idee der Mahlzeit-Truppe, deren Coach Anna Zosik auch mehr Künstlerin als Bäckerin ist. "Was soll das jetzt?", Franziska Jung, 16, spricht aus, was die meisten nur denken. Verstanden hat es keiner. Aber was macht das schon, wenn es um Kunst geht.

Mitten am Tag erscheint dann auch noch ein hohes Tier auf der Bildfläche: Bundesfamilienministerin Christine Bergmann. Vor dem "Dialog" mit allen Teilnehmern rast sie samt Anhang aus Personenschutz und Presse noch schnell durch alle Workshops, um sich ein "Bild" von der Veranstaltung zu machen. Arbeiten werden abgebrochen und die Coaches haben nur noch die Ministerin im Blick. Wer aber hier an einen typischen Wahlkampfauftritt denkt, der irrt. Weder entspricht ihr Auftreten und Aussehen - klein, unscheinbar und nicht unmäßig teuer gekleidet - den Vorstellungen, die man so von einer Ministerin hat, noch scheint ihr Interesse gespielt. Passend zum Workshop "Style" verwickelt Franziska vom Presse-Team Bergmann in ein Gespräch über Klamotten. Und die Ministerin erzählt: Dass sie es lieber praktisch mag, dass sie lieber Hosenanzüge trägt, eben weil sie ja so praktisch sind, dass sie das alles hier ganz toll findet, und überhaupt mehr für die Jugend getan werden müsste. Die Ministerin mache ja schon einen netten Eindruck, aber, so urteilt Franziska im Nachhinein, "ihre Klamotten kauft sie wohl bei C&A".

Der dritte und letzte Tag des Jugendkongresses bringt dann auch keine ausgeschlafenen Gesichter mit sich. Denn die Meisten haben entweder ihre Freundschaften vertieft, oder bis spät in die Nacht für die Performance gearbeitet. Zum Abschied nehmen hat auch keiner wirklich Lust. Vor der großen Show wird hier und da noch ein wenig geprobt, und die Ersten beginnen schon mit dem Austauschen von Adressen und Telefonnummern.

Zum Schluss sind sie dann alle vereint, die 120 Teilnehmer, deren Wurzeln um die ganze Welt reichen, um in fünf Akten und fünf Minuten zu zeigen, was sie eigentlich die letzten zweieinhalb Tage so getrieben haben. Es wird gesungen, musiziert und gerappt, man führt seine Bilder vor und erzählt seine Geschichten, Zeitungen werden verteilt und Filme gezeigt, mittendrin spielt sich eine Modenschau ab, und Essensarrangements laden zum Nachdenken ein. Alles überlappt sich, und doch klappt fast alles, jeder versteht sich mit jedem, ohne das viel geprobt wurde. Ein großes, buntes, bewegtes Bild des "Interkulturellen Dialogs" - sofern dieses Wort überhaupt eine Bedeutung hat.

Politik wurde hier nicht gemacht, und auch die Beantwortung der Frage, ob Zukunft denn nun Herkunft braucht, wurde eher klein geschrieben. Irgendwie ja und irgendwie nein. Der Schwabe, dessen Sippe seit Generationen in Nürtingen lebt, oder die Frankfurterin, deren Eltern aus Indien kommen - die Welt haben sie vielleicht nicht verändert, in diesen drei Tagen, aber ein paar neue Freunde gefunden und zusammen Spaß gehabt.

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