"Schicksale, die betroffen machen"

ZISCHUP-INTERVIEW mit Caroline Hüglin, die im Auftrag der Diakonie in von Naturkatastrophen zerstörten Gebieten mitanpackt.  

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Caroline Hüglin (rechts) vor einem Haus, das mit Hilfe der Diakonie auf den Philippinen gebaut werden konnte. Foto: Diakonie Katastrophenhilfe

In Südostasien gab es in 2018 gleich mehrere Naturkatastrophen. Caroline Hüglin von der Diakonie-Katastrophenhilfe war dort, um zu helfen. Mit ihr sprachen Timo Bilharz und Michel Hoffmann, beide Schüler aus der Klasse 8b der Emil-Dörle-Werkrealschule in Herbolzheim.

Zischup: Frau Hüglin, das Jahr 2018 war kein gutes Jahr für die Menschen in Südostasien. Warum trifft es immer wieder diesen Bereich der Erde?
Hüglin: Südostasien liegt auf dem sogenannten "pazifischen Feuerring". Dort treffen tektonische Platten aufeinander, die immer wieder aktiv werden, so dass es dort besonders häufig zu Erdbeben und/oder davon ausgelösten Tsunamis kommt. In Indonesien gibt es fast täglich eines. Insbesondere die Philippinen sind zudem rund 20 mal pro Jahr von starken Wirbelstürmen betroffen. Sie entstehen durch Verdunstung des Wassers über dem Ozean, wenn dieses besonders warm ist. Bei sehr starken Stürmen, die auch immer sehr viel Regen mit sich bringen, sprechen wir von Taifunen oder Zyklonen oder Hurricanes. Das sind nur zwei mögliche Katastrophen. Es kommt in der Region auch zu Vulkanausbrüchen, Dürre und Flut sowie zu Konflikten.

Zischup: Wie können wir uns die Katastrophenhilfe der Diakonie vorstellen, und für was sind Sie zuständig?
Hüglin: Was die oben beschriebenen Ereignisse zu wirklichen Katastrophen macht, ist, dass in vielen betroffenen Regionen auch arme Menschen wohnen, die sich nicht ausreichend schützen können. Wenn zum Beispiel das Haus lediglich aus leichtem Bambusmaterial gebaut ist, kann es ein Wirbelsturm viel einfacher wegfegen als unsere Häuser hier in Deutschland, die sehr viel stabiler sind. Auch haben arme Menschen oftmals keine Ersparnisse und können nach den Katastrophen nicht so leicht ihr Hab und Gut wieder ersetzen. Wenn dann auch noch der Staat mit der Aufgabe überfordert oder das Ausmaß der Katastrophe schlicht zu groß ist, um Betroffenen von Katastrophen ausreichend zu helfen, dann werden wir auch aktiv.

Zischup: Und was genau unternimmt die Katastrophenhilfe der Diakonie?
Hüglin: Wir helfen, indem wir Spendengelder aus Deutschland mit lokalen Organisationen umsetzen. Es handelt sich um lokale Organisationen aus dem jeweiligen Land, mit denen wir langjährige Kooperationen eingehen, um im Katastrophenfall schnell und gut helfen zu können. Ich bin dafür zuständig, die Hilfsprojekte in Indonesien, Philippinen, Pakistan und Palästina zu betreuen und sicherzustellen, dass sie erfolgreich umgesetzt werden. Dabei geht es zum einen natürlich darum, dass die Hilfe auch dort ankommt, wo sie am dringendsten benötigt wird. Außerdem achte ich darauf, dass bestimmte Qualitätsstandards und Prinzipien eingehalten werden. Zum Beispiel muss die Hilfe an jene gehen, die am stärksten betroffen sind und sich am wenigsten selbst aus einer Krise befreien können. Wir leisten unsere Hilfe unabhängig von Hautfarbe, Religion, Geschlecht, politischen Meinungen oder sonstigen Kriterien.

Zischup: Wer und was entscheidet, wo vor Ort geholfen und wie das Geld verteilt wird?
Hüglin: Unsere Partnerorganisationen haben in der Regel langjährige Erfahrung in der humanitären Hilfe. Nach einer Katastrophe stimmen sie sich vor Ort mit anderen Akteuren und Organisationen ab, und führen eigene Bedarfserhebungen durch. So kann ermittelt werden, wo die Not am größten ist. Den am stärksten von der jeweiligen Krise betroffenen Menschen, die sonst keine oder nicht ausreichen Unterstützung erhalten, wird geholfen.

Zischup: Wir Deutsche sind sehr kritisch, was Spenden anbelangt. Wie können Sie diese Bedenken ausräumen?
Hüglin: Genauso wie die Spenderinnen und Spender möchten auch wir, dass die Hilfe bei jenen Menschen ankommt, die sie am dringendsten benötigen. Wir haben vielerlei Mechanismen, um dies sicherzustellen. Dazu gehört die langjährige Zusammenarbeit mit unseren lokalen Partnerorganisationen und das dauerhafte Engagement, die Arbeit weiter zu verbessern, beispielsweise durch regelmäßige Trainings und Weiterbildungen. Wir lassen zudem standardmäßig die Ausgaben zu jedem Projekt vor Ort von unabhängigen Wirtschaftsprüfern kontrollieren und bestätigen. Und neben regelmäßiger schriftlicher Berichterstattung darf ich mich selbst auch durch Besuche vor Ort vom Erfolg der Maßnahmen überzeugen.

Zischup: Gibt es auch so etwas wie ein Siegel für Ihre Arbeit?
Hüglin: Die Diakonie Katastrophenhilfe ist Träger des sogenannten DZI Spendensiegels, welches an Organisationen vergeben wird, die bestimmte Qualitätskriterien erfüllen und transparent über ihre Tätigkeiten berichten. Das lässt sich im Detail auch auf der Website http://www.dzi.de nachlesen.

Zischup: Wie können wir in Deutschland den Menschen in Südostasien helfen?
Hüglin: Eine Möglichkeit besteht natürlich darin, die Diakonie Katastrophenhilfe oder eine andere seriöse Organisation mit einer Geldspende zu unterstützen. Zum anderen müssen wir uns auch bewusst machen, dass unser eigener Lebensstil zu den Nöten von Menschen in anderen Teilen der Welt beiträgt. Ein Beispiel ist der überdurchschnittlich hohe Kohlendioxid-Ausstoß, den wir Deutschen verursachen, und der maßgeblich zum Klimawandel beiträgt. Er verschärft schon jetzt die Wetterbedingungen in Südostasien und trägt zum Anstieg des Meeresspiegels bei, der jetzt schon die Heimat vieler Insel- und Küstenbewohnerinnen und -bewohnern in Südostasien bedroht oder bereits genommen hat. Ein weiteres Beispiel sind die Edelmetalle, die für die Herstellung unserer Smartphones benutzt werden. Für ihre Gewinnung kommt es beispielsweise in der Demokratischen Republik Kongo immer wieder zu Gewalt und Vertreibung unschuldiger Menschen.

Zischup: Nun zu Ihnen. Wir beschäftigen uns momentan in der Schule viel mit Berufen. Welchen Beruf haben Sie gelernt, um bei der Diakonie in der Katastrophenhilfe zu arbeiten?
Hüglin: Ich habe Internationale Beziehungen und Wirtschaftswissenschaften studiert und halte einen Master in Postkolonialen Studien.

Zischup: Wie war Ihr Werdegang?
Hüglin: Während und nach meinem Studium in Großbritannien habe ich bereits darauf hingearbeitet, einmal in einer internationalen Organisation zu arbeiten, also habe ich dazu verschiedene Praktika absolviert. Diese waren fast alle bereits im Bereich der Zivilgesellschaft, also nicht an Regierungen gebundene Hilfsorganisationen, sowie einer Organisation, die sich für globale Steuergerechtigkeit einsetzt. Nach einem sechsmonatigen Praktikum bei Caritas international in Freiburg habe ich meine Arbeit als Projektverantwortliche bei der Diakonie Katstrophenhilfe 2011 begonnen. Seither habe ich ein Jahr in unserem Regionalbüro in Istanbul verbracht und von dort aus unsere Projekte im Irak eng begleitet.

"Unser Lebensstil trägt zu

den Nöten von Menschen bei."
Zischup: Gibt es eine berufliche Erfahrung, die Sie persönlich geprägt hat?
Hüglin: Insbesondere die Projektreisen sorgen für Erfahrungen, für die ich sehr dankbar bin. Es gibt in der ganzen Welt wunderbare Menschen, die mich trotz ihrer Erfahrung von schlimmer Gewalt oder Katastrophen immer mit beeindruckender Offenheit empfangen und berichten, was ihnen widerfahren ist. Darunter sind natürlich auch manchmal Schicksale, die schwer betroffen machen. Ich habe im Irak jesidische Familien getroffen, die jeweils mehrere Familienmitglieder verloren haben oder wussten, dass diese sich in Gefangenschaft des sogenannten Islamischen Staats befinden. Ich möchte mir immer vergegenwärtigen, dass auch wir in Deutschland niemals vor einem solchen Schicksal sicher sind, insbesondere wenn wir verdrängen, dass auch unsere Geschichte von grauenvollen Kriegen noch nicht allzu lange her ist.

Zischup: Vielen Dank für das Interview und wir hoffen, dass Südostasien nächstes Jahr von weniger Katastrophen heimgesucht wird.
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