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"Man kann ein Pferd mit Schmerzen nicht reiten"

  • Fr, 19. Dezember 2014
    Schülertexte

ZISCHUP-INTERVIEW mit Ilsabe Stülpnagel, Reitlehrerin aus Brenden, über gebissloses Reiten und artgerechte Haltung.

Ilsabe Stülpnagel  | Foto: Privat
Ilsabe Stülpnagel Foto: Privat

Ilsabe Stülpnagel (48), Reitlehrerin und Besitzerin des Pegasushofes in Brenden, unterscheidet sich in ihrer Einstellung und Reitweise von anderen Reitern. Ella Marie Carlotta Müller und Romy Beaugrand, Zischup-Reporterinnen aus der Klasse 9d des Rotteck-Gymnasiums in Freiburg, haben sie zum Thema gebissloses Reiten interviewt.

Zischup: Seit wann reiten Sie?
Stülpnagel: Ich reite, seit ich laufen kann. Da mein Großvater Landarzt war, bin ich mit Pferden aufgewachsen. Wir waren fünf Kinder, einer nahm das Pferd meines Großvaters, Ananas, am Schopf und führte sie zum Zaun, einer von uns sprang auf und ritt so lange auf ihr, bis er runter fiel. Derjenige führte Ananas dann wieder zum Zaun und so ging es weiter (lacht). Ja, so bin ich am Anfang geritten. Später habe ich dann auch richtigen Reitunterricht gehabt. Als ich zwölf Jahre alt war, haben ich und meine Geschwister unsere ersten eigenen Pferde bekommen, Whisky und Wodka. Wodka starb erst mit 43 Jahren bei mir im Stall.
Zischup: Was unterscheidet Sie von den meisten anderen Reitern?
Stülpnagel: Ich denke darüber nach, wie ich mit dem Pferd umgehe, und hinterfrage die Standardregeln. Warum steigt man von der linken Seite auf? Ich steige von beiden Seiten auf. Ich überlege mir, ob diese "Regeln" überhaupt mit dem Pferd übereinstimmen.
Zischup: Warum reiten Sie Pferde ohne Gebiss am Pferdezaum? Seit wann und wie kamen Sie dazu?
Stülpnagel: Nachdem mein ehemaliger Partner zum Reitlehrer ausgebildet wurde, wollte er gebissloses Reiten bei unseren Pferden einführen. Ich erklärte ihn für verrückt, als er mein Pferd gebisslos reiten wollte, da es jedes Mal ein Kampf war, dieses Pferd zu bändigen, es ging jedes Mal durch. Doch als er ritt, war das Pferd kontrollierbar und korrigierbar. Seitdem ich das Pferd gebisslos reite, ist es kein einziges Mal mehr durchgegangen, ich konnte es immer kontrollieren – auch wenn die anderen Pferde davongaloppierten.

"Das Pferd verfügt über

keinen Laut, mit dem es

Schmerzen äußern kann."

Seit diesem Tag weiß ich, was ich den Pferden aus Unwissenheit angetan habe. Ich weiß, dass man ein Fluchttier nicht mit Schmerzen reiten kann, und das Gebiss verursacht dem Pferd Schmerzen, doch das Pferd kann diese nicht äußern, da es keinen Schmerzlaut besitzt. Seitdem ich dieses Wissen besitze, kann ich es nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren, deswegen reite ich seit 15 Jahren kein Pferd mehr mir Gebiss.
Zischup: Wie erklären Sie sich den nicht vorhandenen Schmerzlaut bei Pferden?
Stülpnagel: Ich denke, vor Millionen von Jahren hatten Pferde garantiert einen Schmerzlaut, aber dadurch hat sich ihre Überlebenschance verringert. Wenn ein Pferd verletzt war und vor Schmerzen geschrien hat, war es leichte Beute für ein Raubtier. War es jedoch leise, wurde es nicht vom Raubtier gefunden. Somit verlor das Pferd im Laufe der Evolution seinen Schmerzlaut. Früher war das ein Vorteil, doch heute führt das bei den Menschen zu großer Unwissenheit, da das Pferd seine Schmerzen dem Menschen gegenüber nicht äußern kann. Dadurch ist das Pferd sicher eines der meistgequälten Kreaturen der Welt.
Zischup: Was ist Ihnen beim Umgang mit Pferden sonst noch wichtig?
Stülpnagel: Mir ist besonders wichtig, dass das Pferd seine Würde behält und der Mensch respektvoll und achtsam mit dem Pferd umgeht. Dies gilt meiner Meinung nach aber nicht nur für das Pferd, sondern für alle Tiere.
Zischup: Denken Sie, dass Ihre Art zu reiten auch etwas damit zu tun hat, dass Ihre Pferde eine überdurchschnittlich hohe Lebenserwartung haben?
Stülpnagel: Ja, aber es hat auch damit zu tun, dass sie artgerecht gehalten werden, das heißt, sie sind viel draußen, haben viel Platz zum Laufen, werden vor dem Reiten immer 20 Minuten geführt, damit ihre Gelenke ausreichend geschmiert sind, und werden erst mit vier bis fünf Jahren eingeritten.
Zischup: Können sie sich ein Leben ohne Pferde vorstellen?
Stülpnagel: Nein, absolut nicht, Pferde sind so tolle Geschöpfe, die, wie ich denke, uns etwas lehren wollen, wenn wir bereit sind hinzuschauen.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 19. Dezember 2014: PDF-Version herunterladen

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