Zischup-Interview

"Wir sind nicht verhungert, wir sind davongekommen"

Karl Herr ist heute 91 Jahre alt. Mit 19 Jahren musste er in den Krieg ziehen. Karen Ziegler hat den Zeitzeugen im Interview gefragt, wie er den zweiten Weltkrieg als Soldat miterlebt hat.  

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Adolf Hitlers Politik führte zum Zweiten Weltkrieg.  | Foto: dpa
Adolf Hitlers Politik führte zum Zweiten Weltkrieg. Foto: dpa
Zischup: Wie alt waren Sie, als Sie zum Kriegsdienst eingezogen wurde?
Karl Herr: Das war 1940, da war ich 19 Jahre alt.

Zischup: Wie viele Männer waren es aus ihrem Dorf, die in den Krieg zogen?

Karl Herr: Aus meinem Jahrgang waren es neun junge Männer.

Zischup: Und wie viele sind davon zurückgekommen?
Karl Herr: Vier sind zurückgekommen.

Zischup: Wo sind Sie gemustert worden?
Karl Herr: Ich wurde in Kenzingen gemustert.

Zischup: Wurden Sie als Soldat ausgebildet und wenn ja wie lange?
Karl Herr: Ja, in Villingen, in der Kaserne wurden die Soldaten ein Vierteljahr lang ausgebildet. Ich war in einer Panzereinheit.

Zischup: Und wohin sind Sie danach gekommen?
Karl Herr: Wir sind von Villingen nach Polen, dort waren wir eine Zeit lang. Dann hieß es, wir bekommen von den Russen eine Durchfahrtsgenehmigung, um nach Rumänien zu kommen und von dort aus nach Afrika zu fahren. Aber dann ist es auf einmal losgegangen, in Russland. Niemand hat mehr etwas von Durchfahrtsgenehmigung gesagt. Wir sind bis nach Moskau vorgedrungen, ich war zwölf Kilometer von der Stadt entfernt und konnte sie sehen.

Zischup: Was haben Sie in Russland erlebt?
Karl Herr: In Russland haben wir den ersten Winter verbracht, bei bis zu Minus 52 Grad Kälte. Vor Minus 20 Grad durften die Soldaten keine Ohrenschützer aufziehen, weil wir sonst vielleicht den Feind nicht gehört hätten. Außerdem war im Winter Kriegspause, da war es viel zu kalt und hatte zu viel Schnee.

Zischup: Hatten Sie dort genug zu essen?
Karl Herr: Jein, wir sind nicht verhungert, wir sind davongekommen. Erfroren sind viele, wir hatten ja nur normale Kleider, und wenn man weiß im Gesicht wurde, sollte man sich mit Schnee einreiben um nicht zu erfrieren. Es gab auch einen Orden, den man auch "Gefrierfleischorden" nannte, den alle Soldaten bekommen haben, die in Russland dabei waren.

Zischup: Und nach Russland, wo waren sie dann?
Karl Herr: Wir sind nach Nordfrankreich und mussten dort gegen die Engländer kämpfen und haben sie wieder zurückgejagt. Danach sind wir von Südfrankreich aus nach Italien um von dort nach Afrika zu kommen.

Zischup: Und wie sind Sie nach Afrika gekommen?
Karl Herr: Also die Ledigen mussten mit dem Schiff gehen. Und die Schiffe sind zu 85 Prozent abgesoffen, wegen den U-Booten der Engländer oder Amerikaner. Die Verheirateten durften mit dem Flieger nach Afrika. Durch einen Zufall konnte ich in einem Flieger mit, obwohl ich nicht verheiratet war. Aber über Tunis ist der Pilot des Fliegers immer höher geflogen und wir haben ihn gefragt warum er nicht landet. Er hat geantwortet: "Seht ihr die schwarzen Punkte?" Dann waren die Amerikaner über uns und haben Bomben geworfen. Wären wir fünf Minuten früher dort gewesen, wären wir tot. Sobald wir gelandet waren, mussten wir kämpfen. Ich habe in Afrika unter dem bekannten General Rommel gekämpft.

Zischup: Und von wem wurden Sie gefangen genommen?
Karl Herr: Von den Engländern, 1943 in Afrika. Und von denen wurden wir an die Amerikaner weitergegeben. Dann sind wir drei Wochen mit dem Schiff und zwei Geleitschiffen nach Amerika gefahren. Und einen Tag bevor wir in Amerika angekommen sind, ist eines der Geleitschiffen versengt worden.

Zischup: Wie lange waren Sie dann in Amerika gefangen?
Karl Herr: Bis Kriegsende, also 1945. Dann sind wir nach Frankreich gekommen und mussten als Gefangene im Kohlebergwerk arbeiten. Wegen einer Krankheit wurde ich 1947 entlassen und bin in mein Dorf zurückgekehrt.

Zischup: Wurden Sie eigentlich bezahlt als Soldat?
Karl Herr: Ich habe am Tag 1,5 Reichsmark bekommen.

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