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BZ-Interview

Wozu braucht es die umstrittenen Wildtierkameras?

Katharina Meyer
  • Di, 24. März 2015, 00:00 Uhr
    Panorama

Dürfen Jäger im Wald Wildkameras anbringen oder nicht? Datenschützer machen gegen die Kameras mobil – rechtlich geklärt ist die Sache aber noch nicht. Wozu braucht es überhaupt Kameras?

Fotofallen schnappen nachts zu. Foto: Arno Burgi
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BZ: Die klassischen Zutaten für die Jagd sind ein Jäger, ein Jagdgebiet, ein Gewehr, vielleicht noch ein Hund. Und natürlich das Wild. Eine im Wald installierte Kamera gehört eindeutig nicht dazu. Wieso wird sie heute trotzdem gerne benutzt?
Armin Liese, Pressesprecher des Baden-Württembergischen Landesjagdverbands: Weil die Vorteile einer Wildkamera auf der Hand liegen. Es geht darum, den Überblick im Revier zu behalten. Dank der Kamera erfahre ich, welches Wild sich momentan dort aufhält – und kann es dann gezielt bejagen. Außerdem kann ich die Störungen im Revier minimieren: Ich muss als Jäger dann nicht draußen sitzen. Denn der Duft verschreckt das Wild. Und ich kann die Gewohnheiten der nachtaktiven Wildschweine auskundschaften.

BZ: Früher ging es doch auch ohne Fotos?
Liese: Natürlich. Aber die Schwarzwildpopulation steigt, und die Probleme in der Landwirtschaft werden immer größer. Von daher muss der Jäger seine Effizienz bei der Bejagung auch verbessern. Und da ist die Wildkamera ein probates Mittel, genauso wie das Zielfernrohr. Wenn eine Rotte Wildschweine in einer Nacht einen Hektar Grünland umgräbt, dann muss der Jäger schließlich für den Schaden aufkommen – und da ist er schnell mal einen Tausender los. Wenn dieses Risiko zu groß wird, führt das vielerorts zu einer Unverpachtbarkeit der Reviere. Deshalb gilt es, möglichst effizient zu jagen und Strecke zu machen (Tiere zu erlegen, Anm.d.Red.)

BZ: Können Sie sagen, wie groß der Anteil der Jäger ist, der Kameras nutzt?
Liese: Dazu gibt es keine offiziellen Zahlen. Man weiß nur, dass Aldi Wildkameras verkauft hat – in recht großem Umfang. Diese konnte aber auch jeder Hausbesitzer zur Überwachung seines Eigentums kaufen und aufhängen.
BZ: Sie persönlich nutzen sie. Wie viele Kameras haben Sie denn?
Liese: Zwei. Sie hängen an den Kirrungen, also Stellen, an denen ich Mais ausbringe, um die Wildschweine anzulocken. Durch die Kameras weiß ich, wann die Tiere dahin kommen. Und ich sehe: Handelt es sich um einen alten Keiler, um eine ganze Rotte, sind Frischlinge dabei, sind das Überläufer – also einjährige Wildschweine?

BZ: Viele Wildkameras senden Bilder per W-LAN oder Mobilfunk direkt aufs Handy… Kriegen Sie Ihre auch direkt?
Liese: Nein, ich habe noch das alte Modell mit einer integrierten SD-Karte. Das heißt, dass ich nur alle zwei bis drei Tage erfahre, was los war.
BZ: Andere Jäger nutzen aber die Echtzeit-Bilder zur Jagd?

Liese: Ich kenne einen, der so eine Kamera im Einsatz hat. Das ist schon ein großer Vorteil. Da kann der Jäger im Feld sitzen, um dort Wildschaden zu vermeiden, und kriegt es trotzdem mit, wenn im Wald an der Kirrung Schwarzwild auftaucht – und kann dann direkt dorthin gehen.
BZ: Und dann rumpelt er den Hochsitz hoch und das Wild ist trotzdem noch da?
Liese: Mit Rumpeln funktioniert das sicher nicht. Meist pflegt der Jäger einen Pirschpfad, wo alle Äste und Blätter entfernt sind – dann geht das lautlos.
BZ: Kommt denn immer wieder dieselbe Gruppe, zur selben Uhrzeit?
Liese: Ich kann die Gewohnheiten des Wildes dank der Kamera gut einschätzen – und das spart Zeit. Denn so eine ganze Nacht auf dem Hochsitz sitzen, auf die Sauen warten und am nächsten Tag arbeiten müssen ist nicht so einfach.
BZ: Ich habe gelesen, man wartet im Schnitt 20 Stunden pro Wildschwein.
Liese: Das kommt hin. Wenn Sie ohne Kameras arbeiten, kann es vorkommen, dass Sie zehn Ansitze machen – also zehnmal auf den Hochsitz gehen– , bevor Sie überhaupt eine Sau sehen.

BZ: Im Internet findet man Schnappschüsse von Dachsen oder von kopulierenden Rehen. Sind das Fotobeweise gegen das Jägerlatein? Oder geht es darum, dem Wald die Geheimnisse zu entlocken?

Liese: Solche Schnappschüsse sind schon was, was der ein oder andere Jäger mit seinen Kollegen auch teilen möchte. Und natürlich kriege ich mit, was in meinem Revier los ist. Ich hatte mal eine Waschbärenfamilie im Bild. Vorher wusste ich überhaupt nicht, dass Waschbären in dem Revier leben! Für den Nachweis einzelner Arten sind die Kameras ein sehr gutes Mittel.
BZ: Und wie sehen Sie die politische Debatte um die Kameras?
Liese: Jede Sache ist auch missbrauchsfähig. Da will ich die Wildkameras nicht ausschließen. Über die Zulässigkeit der Kameras gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen. Die angedrohten 5000 Euro pro Wildkamera in Rheinland-Pfalz sind bis jetzt nur eine Aussage des Datenschutzbeauftragten. Das muss erst mal durch ein Gericht geklärt werden.

BZ: Aber Sie kennen die Geschichten, was da schon alles aufgenommen wurde?
Liese: Ja, natürlich. Aber meist sind solche Jagdeinrichtungen in abgelegenen Ecken zu finden – und dort sind auch die Kameras. Wenn Politiker bei Treffen im Wald geknipst wurden, kann ich nur sagen: Freilufttechtelmechtel sind immer mit einem gewissen Risiko behaftet. Lieber etwas Geld in ein Hotelzimmer investieren, dann kann auch nicht der Nachbar zufällig vorbeikommen.

Armin Liese (36), Biogeograf und ehemals Redakteur der Deutschen Jagdzeitung, ist von Rheinland-Pfalz nach Baden-Württemberg gezogen. Nun arbeitet er als Pressesprecher des Landesjagdverbandes Baden-Württemberg. Er jagt seit 21 Jahren, sein neues Revier liegt bei Schwäbisch Hall.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 24. März 2015: PDF-Version herunterladen

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