Steigender Mindestlohn
14,60 Euro Mindestlohn sind nicht zu stemmen - sagen Badens Bauern und Händler
Niedriglöhner dürfen sich über mehr Geld freuen. Der Mindestlohn steigt 2026 auf 13,90 Euro, ein Jahr später auf 14,60 Euro. Gewerkschafter zeigen sich zufrieden, viele Branchen schlagen Alarm.
Franziska Kleintges & Ronny Bürckholdt
Sa, 5. Jul 2025, 13:30 Uhr
Wirtschaft
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Die Gewerkschaft Verdi rechnet vor, dass es hier nicht um Peanuts geht. Wer einen Vollzeitjob mit 40 Wochenstunden erledigt, und dafür den Mindestlohn von derzeit 12,83 Euro brutto pro Stunde erhält, hat vom nächsten Jahr an monatlich 190 Euro mehr auf dem Lohnzettel. Ein Jahr später werden es verglichen mit heute 310 Euro mehr sein. Macht 3720 Euro mehr im Jahr. So hat es jüngst die Mindestlohnkommission aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern beschlossen. Und so will es Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas von der SPD umsetzen – obwohl viele in ihrer Partei gern mehr erreicht hätten: 15 Euro schon von 2026 an. Mit dem Koalitionspartner Union ist eine solche politische Höhersetzung der für alle Beschäftigten in Deutschland geltenden, absoluten Lohnuntergrenze aber derzeit nicht zu machen.
Südbadens Verdi-Chef Reiner Geis zeigt sich dennoch zufrieden. "Auch wenn es nicht die politisch gewollten 15 Euro geworden sind, ist es doch eine erhebliche finanzielle Verbesserung für insbesondere Frauen im Niedriglohnsektor, wie zum Beispiel aus den Reinigungsdiensten, dem Hotelgewerbe oder den Servicedienstleistungen." Geis findet: "Damit hat sich die Institution der Mindestlohnkommission bewährt." Es werde die Grundlage gelegt für einen armutsfesten Mindestlohn.
Verdi sagt, dass jeder Cent mehr Mindestlohn die Kaufkraft um 20 Millionen Euro steigere. Das summiere sich auf 5,7 Milliarden Euro bis 2027. "Es ist davon auszugehen, dass dieses Geld eins zu eins in den Konsum fließt und damit die Konjunktur belebt", glaubt die Gewerkschaft. Diese Rechnung geht aber nur auf, falls keine Jobs verloren gehen.
Zurückhaltendes Lob aus der Systemgastronomie
Der Branchenverband Dehoga in Baden-Württemberg, der die Interessen der Hotel-, Kneipen- und Restaurantbetreiber vertritt, lobt zumindest, dass die Lohnsetzung nicht zum Spielball der Politik geworden sei und dass die unabhängige Mindestlohnkommission einen Kompromiss "unter Würdigung der Tarifentwicklung und der gesamtwirtschaftlichen Gesamtsituation" erzielt habe. Dennoch seien die 14,60 Euro eine große Herausforderung für die Branche, die 2,2 Millionen Menschen beschäftigt. Die Arbeitskosten im Gastgewerbe seien seit 2022 um ein Drittel gestiegen, während 2024 das fünfte Jahr in Folge mit sinkenden Umsätzen gewesen sei. "Die wirtschaftliche Belastungsgrenze für die Betriebe ist vielerorts erreicht, sie stehen mit dem Rücken zur Wand", sagt Guido Zöllick, Dehoga-Chef im Südwesten. Dass der Mindestlohn in zwei Schritten steigt, schaffe immerhin Planbarkeit und mildere die Belastung ab. Die Branche fordert von der Bundesregierung aber mehr Hilfe. Die im schwarz-roten Koalitionsvertrag für 2026 versprochene Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen in Restaurants von 19 auf 7 Prozent müsse schnell umgesetzt werden.
Zurückhaltendes Lob kommt vom Verband der Systemgastronomie, der die Interessen etwa der Kantinenbetreiber vertritt. 14,60 Euro von 2027 an in zwei Schritten – dies "stellt einen ausgewogenen Kompromiss dar, der sowohl die berechtigten Interessen der Beschäftigten an einer Lohnerhöhung berücksichtigt, als auch die wirtschaftliche Situation der Unternehmen im Blick behält".
BLHV sieht fatale Folgen
Das Echo bei Badens Bauern fällt ganz und gar nicht ausgewogen aus. Der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband (BLHV) spricht von fatalen Folgen. "Für unsere landwirtschaftlichen Betriebe ist das nicht mehr zu leisten", warnt Verbandschef Bernhard Bolkart. "Besonders im arbeitsintensiven Obst-, Gemüse- und Weinbau bringen solche Lohnerhöhungen viele Höfe an den Rand der Aufgabe." Die hiesigen Landwirte stünden in Konkurrenz zu Wettbewerbern etwa in Frankreich, Spanien oder Polen. In Polen liege der Mindestlohn bei 7,08 Euro, im benachbarten Frankreich bei 11,88 Euro. "Wer glaubt, dass sich diese Lohnlücke nicht auswirkt, verkennt die Realität des europäischen Binnenmarktes", beklagt sich Bolkart. Die Folgen aus seiner Sicht: Zahlreiche Landwirte würden sich vom Anbau arbeitsintensiver Sorten verabschieden. "Dann brauchen wir uns über steigende Abhängigkeit vom Ausland nicht mehr zu wundern." Der Verband trommelt für eine Sonderregel für ausländische Saisonarbeiter, ohne die in der Region etwa im Spargel- und Erdbeeranbau nichts mehr ginge. Für diese sollte eine niedrigere Lohnuntergrenze gelten. Während die Gewerkschaften dies ablehnen, befürwortet Landesagrarminister Peter Hauk (CDU) eine solche Ausnahme. Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) hat zugesichert, diese Möglichkeit zu prüfen.
Auch der Handelsverband Südbaden warnt "eindringlich vor den wirtschaftlichen Konsequenzen für den Einzelhandel und den Arbeitsmarkt". Die Entscheidung der Kommission "ignoriert die wirtschaftliche Realität vieler Handelsunternehmen", sagt Verbandspräsident Roland Fitterer. Eine "derart massive Erhöhung" sei für viele Betriebe nicht mehr zu stemmen, da sich die Branche unter anderem wegen der harten Konkurrenz der Platzhirsche im Onlinehandel bei ohnehin steigenden Kosten und sinkenden Margen seit Jahren in der Krise befinde. Seit Einführung des Mindestlohns 2025 sei dieser um 70 Prozent gestiegen – was auch die Erwartungen an steigende Löhne in höheren Tarifgruppen wachsen ließ. Die Händler warnen: "Die Rechnung dafür zahlen am Ende Beschäftigte und Verbraucher", denn für die seien steigende Preise die Folge.
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