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1553 Flüchtlinge sollen kommen dürfen

Jan Dörner
  • & dpa

  • Mi, 16. September 2020
    Deutschland

Die Koalition einigt sich / Aufnahme von als schutzbedürftig anerkannten Familien von mehreren Inseln geplant.

Obdachlos gewordene Schutzsuchende auf Lesbos  | Foto: LOUISA GOULIAMAKI (AFP)
Obdachlos gewordene Schutzsuchende auf Lesbos Foto: LOUISA GOULIAMAKI (AFP)
Nach dem Brand in dem Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos hat sich die Bundesregierung auf die Aufnahme weiterer Geflüchteter geeinigt. CDU, CSU und SPD verständigten sich darauf, 408 Familien mit Kindern nach Deutschland zu holen, die in einem regulären Asylverfahren in Griechenland als schutzbedürftig anerkannt worden sind.

Damit nehme Deutschland weitere 1553 Flüchtlinge auf, erklärte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) die Vereinbarung der Koalition. Die Familien sollen aus Lagern auf mehreren griechischen Inseln kommen, nicht nur von Lesbos. Mit der nun beschlossenen Aufnahme werde aber auch die Situation in Moria entlastet, so die SPD-Vorsitzende Saskia Esken.

Nach dem offenbar von Bewohnern gelegten Feuer in dem überfüllten Lager Moria hatte die Bundesregierung im Rahmen einer europäischen Initiative bereits zugesagt, bis zu 150 Jugendliche nach Deutschland zu holen, die ohne Angehörige in dem Camp lebten. Die SPD hatte dies als nicht ausreichend kritisiert. Mit dem weiteren Entschluss zur Aufnahme schutzbedürftiger Familien handelt die Bundesregierung nun im Alleingang in der EU. Deutschland ergreife die Initiative als Land, das eine große Verantwortung in Europa habe, sagte Scholz.

"Ich hätte mir gewünscht, dass wir das im Rahmen einer gesamteuropäischen Lösung machen", kritisierte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU). In der Union gibt es Bedenken, weitere Menschen aus den griechischen Flüchtlingscamps nach Deutschland zu holen. Es wird einerseits befürchtet, dass andere europäische Länder sich im Falle eines deutschen Alleingangs nicht an einer gemeinsamen Asylpolitik beteiligen. Andererseits wollen CDU und CSU verhindern, dass sich weitere Migranten auf den Weg nach Griechenland machen in der Hoffnung, dann in Deutschland Zuflucht zu finden. Ähnlich sieht die griechische Regierung die Lage (siehe unten).

Der Vizechef der Unionsfraktion, Thorsten Frei, bezeichnete den auf einen Vorschlag von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zurückgehenden Koalitionsbeschluss dagegen als "vertretbar". Die Aufnahme von etwa mehr als 400 bereits als schutzbedürftig eingestuften Familien basiere auf klaren Kriterien und habe somit keine anziehende Wirkung auf weitere Migranten, sagte der CDU-Abgeordnete aus dem Schwarzwald. Aber: "Wir müssen wegkommen von den Einmalentscheidungen hin zu einem nachhaltigen europäischen System."

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken geht davon aus, dass Deutschland nach der Aufnahme der 1553 zusätzlichen Flüchtlingen von den griechischen Inseln weitere Schutzsuchende von dort aufnehmen wird. Mit der Union sei klar vereinbart, dass Deutschland innerhalb eines möglichen europäischen Kontingents, über das seit einer Woche verhandelt werde, einen angemessenen Beitrag leisten werde. "Der wird sich mit Sicherheit in einer ähnlichen Größenordnung bewegen, wie wir jetzt auch handeln", sagte Esken.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte von der Bundesregierung "eine schnelle Aufnahme von 5000 Menschen". Die Aufnahme von etwas mehr als 400 Familien, die bereits positive Asylentscheidungen haben, sei "ein Alibi-Angebot". Die migrationspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Linda Teuteberg, sagte: "Ein neuerliches deutsches Solo führt nicht weit. Die ebenso wichtige wie schwierige Aufgabe einer gemeinsamen europäischen Migrationspolitik ist Sache der Europäischen Union und nicht deutscher Kommunal- und Landespolitiker." AfD-Parteivize Stephan Brandner sagte: "Das Einfliegen von Migranten aus Moria schafft weitere Anreize, Flüchtlingslager weltweit in Brand zu stecken und so ein Ticket nach Deutschland zu erpressen."

Ressort: Deutschland

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