Affen und Abgase vor dem Ashram

Eine Pilgerreise nach Indien bringt die Begegnung mit dem ungewohnten Tempelleben und der bunten Vielfalt in den Straßen.  

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Müdigkeit, Erschöpfung, aber auch freudige Erwartung, das waren die Gefühle, die ich empfand als ich endlich in Neu-Delhi aus dem Flugzeug stieg. Drei Uhr nachts in Indien, 22.30 Uhr in Deutschland. Meine Familie und ich unternahmen im Winter eine Pilgerreise nach Nordindien, weil wir einer Strömung des Hinduismus angehören.

Mit dem Taxi erreichten wir nach vier Stunden Fahrt Vrindavan, eine Kleinstadt zwischen Delhi und Agra. Einer der unzähligen dort ansässigen Ashrams war für die nächsten Wochen unser Zuhause. Ein Ashram ist vergleichbar mit unseren Klöstern, jedoch leben nicht immer nur Mönche und Nonnen dort, oft gibt es Wohnmöglichkeiten für Schüler und alle Arten von Gästen. Das Zentrum jeden Ashrams ist der Tempel, in dem ein ganz bestimmter Aspekt Gottes in Form einer Bildgestalt oder Ikone auf dem Altar verehrt wird.

Der Tagesablauf ist durch die Gottesdienste strukturiert. So beginnt die erste "Arti", das heißt "Opferung", morgens um fünf und die letzte abends um neun. Ein Tempeldiener ist für den Altardienst zuständig. Zu den drei Hauptopferungen finden sich häufig Gläubige ein, die dazu singen. Zweimal am Tag findet ein offizieller Vortrag statt, zu dessen Beginn aus verschiedenen heiligen Schriften gelesen wird. Jeder entscheidet selbst, in welchem Umfang er sich an diesen Angeboten beteiligen möchte.

Klar, die Unterkunft entspricht nicht einem 5-Sterne-Hotel. Die Zimmer sind klein und einfach. Auf den Holzpritschen liegen dünne Matten und in Mauernischen kann man seine Habseligkeiten unterbringen. Nur manche Zimmer haben ein eigenes Bad. Da die Wassertanks sich auf dem Dach befinden, duscht man im Winter kalt und im Sommer warm. Im Übrigen gibt es drei gemeinsame Mahlzeiten am Tag. Absoluter "Luxus": Dank eines eigenen Brunnens ist der Garten des Ashrams eine Oase mit vielen Blumen, ein Ort für Besinnlichkeit und Ruhe.

Kaum tritt man aus der Tür des Ashrams hinaus, umfängt einen das lebhafte Treiben einer typisch indischen Straße. Man lässt die Ashrammauer hinter sich, auf der malerisch zwei Pfauen sitzen, stolpert gleich vor der Tür schon über eine Kuh, die dort wiederkäuend liegt - und kann sich nur mit einem Sprung zur Seite vor einer vorbeifahrenden Fahrradrikscha retten. Der Milchwala verkauft seinen letzten Joghurt, der Obsthändler vertreibt die Affen, die gerade im Begriff sind, sich an seinen Bananen zu bedienen.

Auf der gegenüberliegenden Seite überholt gerade ein Kamelgespann eine Zweipersonenrikscha, auf der zehn Kinder auf erstaunliche Weise alle einen Platz gefunden haben. Alle tragen die von den Engländern eingeführte Schuluniform. Frauen in bunten Saris mit blinkenden Messingwasserkrügen auf dem Kopf wechseln die Straßenseite und machen dabei einen Bogen um den in der Mitte der Straße liegenden Hund. Und im Rinnstein liegt eine Schweinefamilie in der warmen Frühlingssonne. Hupende Autos, Motorräder und Ochsengespanne rollen vorbei und an keinem Händler kann man vorbeigehen ohne aufgefordert zu werden: "Only look! Don't buy!" Alle Sinnesorgane werden intensiv angesprochen. Hören, riechen, sehen. An jeder Ecke dröhnt aus Lautsprechern Musik, überall wechseln sich Gerüche von Gewürzen, Räucherstäbchen, Abgasen und Imbissstände ab und man kann stundenlang schauen ohne zu merken, wie die Zeit vergeht. Die Menschen sind sehr kontaktfreudig. Kaum einer, der nicht neugierig ist. Jeder will wissen wie man heißt, wo man herkommt und wie einem das Land gefällt.

Ich war nun schon zum vierten Mal in Indien. Und jedes Mal fiel es mir schwer, wieder abzureisen. Die Zeitlosigkeit und gleichzeitige Lebendigkeit, das Licht und die Farben üben eine unbeschreibliche Faszination auf mich aus. Auch die Menschen mit ihrer Offenheit und Freundlichkeit besitzen eine besondere Anziehungskraft. Und die vermittelt sich am besten direkt: Das alles muss man selbst erleben, selber fühlen, schmecken, hören, riechen.

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