"Allein zu gehen, ist ein absolutes Tabu"

Bergsteiger Markus Daniels ist oft in den Bergen unterwegs und hat viel gesehen und erlebt. Im Interview mit seiner Tochter Greta sagt er, die Liebe zu den Bergen sei eine Lebensentscheidung. .  

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In rosa Wolken: das Matterhorn. Auch diesen Gipfel hat Markus Daniels schon bestiegen. Foto: AirPano LLC / Max Guzovsky
BZ: Was fasziniert dich am Bergsteigen?
Es ist für mich ein beruhigender Ort, die schroffe Landschaft fasziniert mich. Die Sorgen bleiben im Tal, man lässt alles Schwere unten. Man kann die Routen nach der Befindlichkeit wählen, schwierige oder leichte Touren, wie man sich gerade fühlt. Es bietet so vielfältige und abwechslungsreiche Möglichkeiten der Aktivität, im Sommer klettern, Bergsteigen, wandern, im Winter Skitouren gehen, Skifahren und den Schnee genießen.

BZ: Wie bist du zum Bergsteigen gekommen?
Ich kam übers Klettern im Deutschen Alpenverein (DAV) zum Bergsteigen und zum Klettern bin ich über einen Freund gekommen, der mich zur JUMA (Abkürzung für Jungmannschaft beim DAV) mitgenommen hat. Als Kind war ich mit meinen Eltern schon viel in den Bergen unterwegs. Somit war der Grundstein gelegt.

BZ: Welche großen Gipfel der Alpen hast du schon bestiegen?
Die Frage ist, was bezeichnet man als großen Gipfel? Die namhaften Berge, und damit die höchsten Gipfel waren Mont Blanc, Matterhorn und Dufourspitze, aber nicht immer sind die bekanntesten und höchsten auch die schwierigsten Gipfel, die einem alles abverlangen. Ich war bereits auf vielen 4000ern, aber die Wege dorthin sind sehr unterschiedlich schwierig.

BZ: Warst du schon in brenzligen Situationen?
In meiner Anfangszeit habe ich einen kapitalen Anfängerfehler begangen und war allein auf einer Skitour auf dem Monte-Rosa-Gletscher unterwegs. Während der Abfahrt habe ich eine Gletscherspalte zu spät gesehen, sie war zu großen Teilen zugeschneit und dann bin ich tatsächlich in die Gletscherspalte gestürzt. Zum Glück hat mich eine dünne Schneebrücke auf etwa 1,50 Meter Tiefe gehalten. Dabei haben sich die Ski aus den Bindungen gelöst. Ich habe sofort meine Ski aus der Spalte geschmissen und bin, so schnell ich konnte, herausgeklettert, bevor das Schneeband brechen könnte. So was Dummes, das hätte ganz anders ausgehen können. Da war ich so leichtsinnig, allein in die Berge zu gehen, das ist ein absolutes Tabu. Ein zweites Mal habe ich im Freien auf etwa 3000 Meter oberhalb von Zermatt biwakiert, weil wir am nächsten Morgen zum Rimpfischhorn aufsteigen wollten. Am Abend zog plötzlich ein Gewitter auf, das uns ganz schön in die Bredouille gebracht hat. Es gab weit und breit keinen Unterstand und wir saßen pitschnass im Schlafsack und haben gehofft, dass uns der Blitz nicht trifft. Morgens war dann die nasse Hose gefroren, der Start zum Gipfel war also ziemlich ungemütlich. Aber irgendwann ist sie auf dem Weg zum Gipfel wieder aufgetaut.

BZ: Welches war dein schönster Gipfel?
Eigentlich finde ich alle Gipfel der Alpen schön mit diesem herrlichen Bergpanorama. Aber die Schönheit kommt auch von der besonderen Stimmung, die dich einhüllt, wenn du auf Tour gehst: Du läufst im Dunkeln los, die Sterne über dir, die Stirnlampe erhellt die wenigen Meter vor dir, nur dein Atem ist sichtbar. Und dann diese unendliche Stille um dich. Du bist ganz bei dir, nur du und deine Gedanken, diese tiefe Ruhe ist sehr berührend. Dann wird es langsam heller, die ersten Sonnenstrahlen setzen die Bergspitzen in rotes Glühen. Das muss man erlebt haben, um die Faszination für diese besondere Stimmung wirklich spüren und verstehen zu können. Der beeindruckendste Gipfel war das Matterhorn für mich.

BZ: Gab es eine besonders lustige Situation auf deinen Touren?
Es gab viele absurde Szenen, zum Beispiel Menschen in flachen, offenen oder Stöckelschuhen auf dem Zustieg zur Hütte. Aber manchmal erfordern die Berge auch Improvisationskunst, die durchaus einen Hang zur Komik haben kann. Als ein Kollege mal die Gletscherbrille verloren hatte, musste er ein Buff über das Gesicht ziehen, um nicht schneeblind zu werden. Ansonsten gab es natürlich viele lustige und schöne Momente mit den Freunden.

BZ: Die Alpen sind vom Klimawandel besonders bedroht. Was würden wir deiner Meinung nach verlieren, wenn es diesen Lebensraum so nicht mehr gäbe?
Ein wunderbares Erholungsgebiet. Wir verlieren die Alpen in dem Sinne ja nicht, sie verändern sich. Gletscher schmelzen, es wird immer gefährlicher in den Alpen, wenn sich der Permafrost zurückzieht und nach oben schiebt. Das Eis hält die Alpen zusammen, sie werden also brüchiger, Steinschlag nimmt zu. Und zudem finde ich den Massentourismus schrecklich, der bereits betrieben wird. Da werden Luxushotels in Skigebieten gebaut, es wird versucht, den letzten Hansel in die Berge zu bringen, egal, ob er dazu fähig ist oder nicht. Ziplines werden gebaut, es geht um Fun, Action und vor allem nicht um einen bewussten Umgang mit der Umwelt. Das erschüttert mich zutiefst. Was ist mit der Tier- und Pflanzenwelt und mit den Menschen, die einfach nur diese wunderschöne Landschaft genießen möchten und genau diese Stille, Ruhe und Schönheit, die Achtsamkeit mit sich selbst suchen?
Schlagworte: Markus Daniels

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