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Zischup-Interview

Alltag im Schatten des Korea-Konfliktes

  • Niklas Polei, und Lars-Ole Mannherz, Klasse 9b & Rotteck-Gymnasium Freiburg

  • Fr, 24. Mai 2013, 10:36 Uhr
    Schülertexte

Südkorea steht seit dem Koreakrieg 1950 mit Nordkorea im Konflikt. Der Koreakrieg wurde durch ein Friedensabkommen beendet, das durch Nordkorea am 6.3.2013 gebrochen wurde. Auch hat Nordkorea am 6.3.13 den ,,heißen Draht" zwischen den Parlamenten der beiden Regierungen gekappt. Niklas Polei und Lars-Ole Mannherz interviewten die in Seoul lebenden Claudia Thieler und Myung Joon Kim zum Korea-Konflikt und zum Alltag in der Hauptstadt Südkoreas.

Leben in Südkorea. Mjung joon Kim und Claudia Thieler  | Foto: privat
Leben in Südkorea. Mjung joon Kim und Claudia Thieler Foto: privat
Zischup: Wie lebt und arbeitet ihr?

Myung Joon Kim: Ich arbeite in der Abteilung für Überseehandel in einer großen koreanischen Firma, welche auf Energie- und Heizsysteme spezialisiert ist.
Claudia Thieler : Ich studiere momentan Koreanisch an einer Universität in Seoul. Gemeinsam wohnen wir Seoul, der Hauptstadt Südkoreas, in einem für Seouler Verhältnisse typischen Studio-Apartment.

Zischup: Was bekommt ihr von dem Konflikt zwischen Nord- und Südkorea mit?
Beide: Wir bekommen in Südkorea natürlich sehr früh mit, was es für Neuigkeiten in Nordkorea gibt, beziehungsweise was Nordkorea uns und die restliche Welt wissen lassen möchte. Durch die Medien bekommen wir dann natürlich die südkoreanischen oder internationalen Reaktionen auf eventuelle nordkoreanische Drohgebärden mit. Der normale Bürger bezieht sein Wissen über den Konflikt aus den Medien oder aus dem Geschichtsunterricht, oder vielleicht noch, aber selten, aus den Erfahrungen der älteren Generationen, die den Koreakrieg und die Teilung noch selbst miterlebt haben.

Zischup: Habt ihr Angst vor einem atomaren Erstschlag Nordkoreas?
Beide: Wenn man ein bisschen tiefer in die Geschichte des Koreakonflikts eintaucht, dann weiß man, dass hinter den jeweiligen koreanischen Lagern die Supermächte USA und die Volksrepublik China stehen. Im Falle eines Erstschlags stehen sich nicht nur Nord-und Südkorea, sondern eben auch diese beiden Mächte inklusive deren Verbündeter kriegerisch gegenüber. Eine kriegerische Auseinandersetzung auf der koreanischen Halbinsel könnte sich also zu einem weltweiten Konflikt ausweiten, insbesondere wenn nukleare Waffen im Einsatz sind. Das sind Dimensionen, die kann man sich, denke ich, kaum ausmalen. Nordkorea ist sich der Konsequenzen eines atomaren Erstschlags natürlich bewusst. Ich denke, dass aus diesem Grund ein atomarer Erstschlag Nordkoreas ausgeschlossen werden kann, insbesondere wenn man die Beziehung zwischen China und Nordkorea näher betrachtet, und die Rolle Chinas als neue wirtschaftliche Supermacht.

Zischup: Welche Schutzmaßnahmen gibt es im Falle eines Angriffs?
Beide: Von konkreten Schutzmaßnahmen bei akuter Gefahr wissen wir nichts, was wir aber sehr beruhigend finden. Das koreanische Militär ist natürlich im Alltag der Südkoreaner präsent, nicht zuletzt, weil fast alle südkoreanischen Männer den zweijährigen Militärdienst leisten müssen. Nicht zu vergessen sind auch die vielen südkoreanischen und amerikanischen Militärbasen, die zur Stabilität und Sicherheit im ganzen Land existieren. In jeder Seouler U-Bahn-Station gibt es Schränke mit Gasmasken und daneben eine bebilderte Anleitung, wie man diese verwendet. Ob es sich dabei jedoch um eine Schutzmaßnahme im Falle eines Angriffs oder um eine allgemeine Sicherheitsvorkehrung handelt, ist uns nicht bekannt.

Zischup: Wie könnten die Politiker den Konflikt eurer Meinung nach lösen?
Beide: Diese Frage können wir leider nicht beantworten. Wie bereits gesagt wurde, ist der Konflikt so vielschichtig, dass die Beantwortung dieser Frage für uns unmöglich ist.

Zischup: Wie sehen eure Pläne im Falle eines Krieges aus?
Joon Kim: Ich hoffe und denke, dass dieser Fall nicht eintreffen wird, aber falls doch, dann werde ich natürlich, wie fast alle südkoreanischen Männer, die wie ich, den zweijährigen Militärdienst leisten mussten, für mein Land gegen Nordkorea ziehen müssen.
Thieler: Ein Krieg erscheint so surreal, wenn man hier lebt. Ich weiß, dass nicht wenige im Ausland denken, dass wir hier in ständiger Gefahr einer kriegerischen Auseinandersetzung leben, aber eigentlich ist unser Leben ganz normal und harmlos. Aus diesem Grund habe ich persönlich jedenfalls noch nie konkret darüber nachgedacht, was wir im Falle eines Kriegs machen werden.

Zischup: Inwiefern beeinflusst der Konflikt euren Alltag?
Beide: So gut wie gar nicht. Wir möchten den Konflikt hier nicht verharmlosen, dafür ist dieser natürlich viel zu real und auch präsent. Seoul liegt noch nicht mal 100 Kilometer von der entmilitarisierten Zone entfernt, und Nachrichten über atomare Testläufe oder ähnliches sind natürlich beunruhigend. Man muss aber auch bedenken, dass hier ganz normale Menschen ein ganz normales Leben führen. Tag für Tag bewältigen Millionen von Menschen in Seoul ihren Alltag und haben gleiche oder ähnliche Freuden und Sorgen wie die Menschen beispielsweise in Freiburg. Und genauso leben wir hier unser Leben. Wir bekommen über die Medien die Neuigkeiten über den Konflikt natürlich mit, sprechen und diskutieren mit Freunden manchmal darüber, aber mehr auch nicht. Wie bereits gesagt, wir leben einen normalen Alltag hier und genießen momentan den Frühling. Alles ganz normal.

Zischup: Myung Joon Kim, was hast du in deiner Kindheit und in der Schule von dem Konflikt gemerkt?
Joon Kim: Wir haben im Geschichtsunterricht in der Schule natürlich die Hintergründe des Konflikts erlernt, und uns wurde in der Schule gesagt, dass eine Wiedervereinigung von Süd- und Nordkorea das anzustrebende Ziel sein sollte. Aber mein letzter Geschichtsunterricht ist auch über zehn Jahre her. Wie der Geschichtsunterricht heute ist und ob auch weiterhin gelehrt wird, dass die Wiedervereinigung die beste Lösung des Konflikts ist, ist mir leider unbekannt. Zusammengefasst habe ich als Kind, außerhalb des Geschichtsunterrichts, so gut wie gar nichts über den Konflikt mitbekommen. Sowohl in meiner Familie als auch in meinem Freundeskreis haben wir so gut wie nie darüber gesprochen.

Infokasten Südkorea/Seoul
Amtsname: Republik Korea
Hauptstadt: Seoul
Einwohner: 10,581.728 (Stand 2011)
Fläche: 605,52 Quadratkm
Einwohner: 59.779.00 (Stand 2011)
Fläche: 99.392 Quadratkm
Amtssprache: Koreanisch
Staatsform Semipräsidiale Republik
Staatsoberhaupt: Präsidentin Park Geun-hye (seit dem 25.2.2013)
Unabhängigkeit: 15.08.1948

Ressort: Schülertexte

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