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"Am Anfang war es komisch – als ob ich etwas vergessen hätte"

  • Fr, 17. Mai 2013
    Schülertexte

     

ZISCHUP-INTERVIEW mit einer jungen Türkin, die jahrelang ein Kopftuch getragen und sich erst kürzlich entschieden hat, es abzunehmen.

Kopftuch ja oder nein? Selda hat sich dagegen entschieden.  | Foto: dpa
Kopftuch ja oder nein? Selda hat sich dagegen entschieden. Foto: dpa

Es gibt einige Gründe, weswegen islamische Frauen ein Kopftuch tragen: Vorschrift, Druck aus dem sozialen Umfeld, Symbol der Gruppenzugehörigkeit, religiöses Selbstverständnis, religiöse Emanzipation, individueller Selbstausdruck. Häufig wird auf den Koran verwiesen. Anna Schäfer, Klasse 8c, Kolleg St. Sebastian in Stegen, führte zu diesem Thema ein Interview mit Selda Özdemir (Name von der Redaktion geändert), die ihr Kopftuch abgelegt hat.

Zischup: Hallo Selda, wie alt bist du und aus welchem Land kommt deine Familie?
Selda Özdemir: Ich bin 19 und meine Familie kommt aus der Türkei.
Zischup: Haben alle deine weiblichen Vorfahren Kopftücher getragen?
Selda: Nur teilweise.
Zischup: Hast du Schwestern und tragen die Kopftücher?
Selda: Meine Schwestern tragen kein Kopftuch.
Zischup: Wann hast du angefangen, ein Kopftuch zu tragen und warum?
Selda: Mit 14 Jahren war ich fünf Wochen auf einem Internat vom islamischen Verein in Bad Saulgau, um den Koran zu lesen und kennenzulernen. Da hatten alle Mädchen ein Kopftuch auf und ich wollte nicht die einzige ohne sein.
Zischup: Warum hast du das Kopftuch nach dem Internat aufbehalten?
Selda: Weil die Religion besagt, dass man es anbehalten soll, wenn man es ein Mal an hatte.
Zischup: Auf welcher Schule warst du danach und wie viele Schülerinnen hatten da ein Kopftuch?
Selda: Ich war auf der Werkrealschule und war die einzige mit Kopftuch.
Zischup: Hast du dich da komisch gefühlt?
Selda: Ja, am Anfang, aber es war nicht schlimm, da die anderen es alle akzeptiert haben.
Zischup: Was hast du im Sportunterricht gemacht? Gab es da Einschränkungen?
Selda: In der Werkrealschule hatten Mädchen und Jungen getrennt Sport, da habe ich es ausgezogen. Auf der weiterführenden Schule hatten wir zusammen Sport und da habe ich es hinten zusammengebunden.
Zischup: Wer hat dich ohne Kopftuch gesehen, bevor du es abgenommen hast?
Selda: Meine Freundinnen und meine Familie.
Zischup: Warum hast du das Kopftuch nach fünf Jahren abgenommen?
Selda: Ich habe eigentlich keine Freunde aus der Türkei und alle meine deutschen Freundinnen machen tolle Sachen mit ihren Haaren. Das wollte ich auch tun.
Zischup: Wie lange hast du darüber nachgedacht, es wieder abzunehmen?
Selda: Ein Jahr.
Zischup: Ist es Dir schwer gefallen, ohne Tuch herumzulaufen?
Selda: Am Anfang war es komisch, als ob man was vergessen hätte.
Zischup: Was haben deine Eltern gesagt?
Selda: Nichts. Das ist meine Entscheidung.
Zischup: Was haben deine Freunde gesagt?
Selda: Das war so halb und halb. Die einen fanden es mit Kopftuch besser, die anderen haben gesagt, dass ich sehr schöne Haare habe.
Zischup: Kann es sein, dass du das Kopftuch mal wieder anziehst?
Selda: Ja, wenn ich mich bereit fühle, denn der Sinn des Kopftuches ist ja, schöne Sachen zu bedecken, und im Moment möchte ich das nicht.
Zischup: Würdest du wollen, dass deine Töchter ein Kopftuch tragen?
Selda: Die Entscheidung überlasse ich ihnen.
Zischup: Welche anderen islamischen Traditionen hast du beibehalten?
Selda: Ich lebe alle anderen islamischen Traditionen immer noch, außer eben das Kopftuch-Tragen.

Ressort: Schülertexte

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