Aus Dreck entstehen Hits
Aus Karlsruhe und Freiburg auf Platz drei der Charts: Rapper Haze hat sein zweites Album "Zwielicht" veröffentlicht, das von den Schattenseiten des Lebens erzählt.
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"Meine Musik fühlt sich an wie ein düsterer Wolkenhorizont, der sich zuzieht", sagt Bosnjak am Telefon. Im Hintergrund hört man seine zwei amerikanischen Pitbull-Terrier bellen. Der 28-jährige ist gerade in Karlsruhe, seiner Heimat. Bosnjak hat für sein zweites Album eine Menge Gäste zusammengetrommelt: Sido, einer der erfolgreichsten deutschen Rapper ist dabei, dazu Svaba Ortak, Bozza, Amar, Nate57 und der Freiburger EazyOno. "Das Album ist größtenteils in Freiburg entstanden", sagt Bosnjak. Die Texte schrieb er während seiner Dreisam-Spaziergänge mit Pitbull Mala. Aufgenommen wurden sie in der Talstraße im Stadtteil Wiehre. Bis vor wenigen Wochen betrieb Bosnjak hier noch das Studio seines Labels "Alte Schule Records".
"Zwielicht", der Name des 45-minütigen Albums, spiegelt das triste Gefühl der 17 Songs wieder. Der Rapper arbeitet stilistisch mit Bildern, die wie ein Schwarzweiß-Film im Kopf des Hörers ablaufen. "Auf Bellen folgen Bisse, die Ecken riechen ekelhaft nach Pisse. Die Hausfassaden dreckig, bunt gefärbt und haben Risse", heißt es in einer Zeile. Bosnjak verarbeitet seine Ängste und Misserfolge in den Zeilen. "Ich sehe in meiner Musik sehr viel Therapie", sagt er. Sie hilft Bosnjak, mit Rückschlägen, die er in der Vergangenheit immer wieder erfahren musste, umzugehen. Er wächst als Sohn von kroatischen Eltern in Villingen-Schwenningen auf und zieht mit ihnen im Kleinkindalter nach Karlsruhe. Er nimmt Gitarrenunterricht, besucht das Gymnasium und macht sein Abitur. Im Kroatien-Urlaub im Jahr 2000 läuft im Musiksender MTV "Slim Shady", einer der größten Hits der heutigen US-amerikanischen Rapper-Legende Eminem. "Das war meine Musik. Da war klar, dass ich eines Tages im Studio arbeiten und auf der Bühne stehen will", sagt Bosnjak.
Doch die Eltern teilen seine Begeisterung für diese Musik und seinen Berufswunsch nicht. "Eminem galt damals als Skandal-Rapper", sagt Bosnjak. Dazu kommt, dass er sein Studium im Fach Musikmanagement abbrechen muss, ein Misserfolg, den er in seinem Song "Kopffick" verarbeitet: "Rausgeflogen aus der Uni, meine Mutter fickt mein’ Kopf, denn die Bildungs-Kreditinstitute ficken Kopf". Doch als er erstmals mit Sido für das "Goldene Album" zusammenarbeitet, verstehen auch seine Eltern, dass ihr Sohn auf einem erfolgreichen Weg ist.
Neben Eltern, Studium und seiner Zeit in Karlsruhe ist es vor allem auch die Stadt Freiburg, die seine Texte prägt. Bosnjak heiratet eine Freiburgerin und zieht mit ihr in eine kleine Wohnung. Er gründet sein eigenes Label, baut sich ein Studio auf und nimmt EazyOno, lokaler Rapper und Pate seines Sohnes, unter Vertrag. Doch die vermeintliche Sonnenstadt hat auch Schattenseiten. "Kopffick" handelt auch von einem Unfall, der sich bei der Ausfahrt Freiburg-Nord ereignet hat. "Da ist mir einer mit 100 km/h hinten reingefahren. Meiner schwangeren Frau ist nichts passiert. Mir musste die Milz rausgenommen werden", sagt er.
In "Leise" und "Kletter nicht durchs Fenster rein" erzählt er von dem Einbruch in seine Erdgeschosswohnung. Bosnjak und seine Frau beschließen nach dem Ereignis, dass ihr Sohn in Karlsruhe aufwachsen soll und ziehen zurück in seine Heimatstadt. Nach dessen Geburt fängt er an, kritischere Texte zu schreiben. "Ich möchte nichts mehr verherrlichen", sagt Bosnjak.
Der ehemalige Freiburger entscheidet sich gegen die typische Albumzusammensetzung aus Party-Hit, Liebeslied und Politik-Statement. "Meine erstes Album – Ich lebe für HipHop von DJ Tomekk – , das ich gekauft habe, war keine CD, sondern eine Schallplatte", sagt er. Auch "Zwielicht" ist viel eher wie eine Schallplatte als Gesamtkunstwerk zu betrachten. Die Melodien und Texte sind ähnlich, doch stetig auf hohem Niveau. Hinzu kommen die DJs Dasaesch, Dannemann und Raz One, die für die fast fließenden Übergänge zwischen den Tracks sorgen. "’N fetter Beat nur mit Trommeln und ’nem Sampler drin, der eklig klingt, solang bis die Strophen beide fertig sind", beschreibt Bonsjak seine Platte.
Mit "Zwielicht" besetzt er eine kleine Nische im deutschen Sprechgesang: Er setzt auf düsteren Boom-Bap-Rap aus den Neunzigern. Auf den Einsatz von Synthesizern oder anderen digitalen Schnickschnack wird verzichtet. Er setzt vielmehr auf seine durch das viele Rauchen kratzige Stimme. Sein badisch-kroatischer Slang spiegelt dazu perfekt das trostlose Gefühl seiner Platte wider. Bosnjak führt einen so in die dunklen Ecken der Südstädte, von denen man bisher dachte, dass sie gar nicht existieren. "Aus dem Dreck entstehen Hits", rappt er in "Leise" – und behält Recht.
Live: Karlsruhe, Hook-Up-Festival, 12. Mai, Wiesengelände der DM-Arena.
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