Verkehrsinvestitionen

Milliarden-Finanzlücke für Autobahnen alarmiert Länder

Dem Bundesverkehrsministerium fehlen trotz des Sondervermögens Milliarden. Das könnte erhebliche Folgen haben. Die Bundesregierung gerät unter Druck.  

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Wegen einer milliardenschweren Finanzlücke droht beim Aus- und Neubau vieler Autobahnen eine Verzögerung. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa).
Die BZ-Redaktion hat diese Meldung nicht redaktionell bearbeitet.

Berlin/München (dpa) - Milliarden-Finanzlücken im Verkehrsetat des Bundes alarmieren die Länder. Sie befürchten beim Neu- und Ausbau von Bundesfernstraßen, Schienenwegen und Wasserstraßen starke Verzögerungen oder sogar Stillstand. Bei einer Konferenz in München forderten die Verkehrsminister der Länder die Bundesregierung auf, eine auskömmliche Finanzierung für Ausbau, Erhalt und Sanierung der Verkehrsinfrastruktur des Bundes sicherzustellen. 

Eine Sprecherin von Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) sagte, das Defizit des Ressorts für Bundesfernstraßen liege für den Zeitraum 2026 bis 2029 bei rund 15 Milliarden Euro.

Bei Autobahnprojekten droht Verzögerung 

Allein bei Projekten des Aus- und Neubaus von Autobahnen gibt es einen Mehrbedarf bis 2029 von 5,5 Milliarden Euro, wie das Bundesverkehrsministerium mitteilte. Diese Zahl geht auch aus einem Bericht an den Verkehrsausschuss des Bundestags hervor - dabei geht es um einen neuen "Finanzierungs- und Realisierungsplan" 2025-2029 der Autobahn GmbH des Bundes. Als Grund wurde insbesondere die starke Baupreisentwicklung in den vergangenen Jahren genannt.

Das Bundesverkehrsministerium teilte mit, die Frage der Finanzierbarkeit von Projekten sei abhängig vom Bundeshaushalt 2026. Dieser befindet sich derzeit noch im parlamentarischen Verfahren. Der Bundestag beschloss am Donnerstag den Haushalt 2025, der Etat 2026 soll bis Ende November vom Bundestag verabschiedet werden.

Die Kernaussage in dem Papier an den Verkehrsausschuss: Baufreigaben für insgesamt 74 Projekte, für die bis 2029 "bestandskräftiges Baurecht" erwartet wird, seien nur möglich, wenn die Haushaltsansätze der kommenden Jahre erhöht werden. Konkret bedeutet das: Selbst wenn gebaut werden könnte, weil ein Projekt genehmigt ist, sollen die Bagger nicht rollen - weil auf Basis der aktuellen Finanzplanung Geld fehlt. 

Die Projekte sind derzeit in einem unterschiedlichen Stadium, von einem "Vorentwurf in Aufstellung" über "in der Planfeststellung" bis zu "planfestgestellt". Für alle wird aber bis 2029 Baurecht erwartet. Die Länder forderten den Bund auf: "Baureife Projekte sind zeitnah umzusetzen."

Es geht um Projekte in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Hamburg, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz - und konkret zum Beispiel um die A20 im Norden, die A1 in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz oder die A39 in Niedersachsen.

Länder fordern Klarheit

Verschiedene Politiker aus Ländern kritisierten den Bund. "Der Bundesverkehrsminister sollte schleunigst für Klarheit in seiner Planung sorgen", sagte etwa Niedersachsens Verkehrsminister Grant Hendrik Tonne (SPD). Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) forderte eine Investitionsoffensive in den Verkehr. Ansonsten drohe Deutschland in den kommenden Jahren ein Verkehrskollaps.

Auch Bundesstraßen betroffen

Von den Finanzlücken für Aus- und Neubauprojekte sind auch Bundesstraßen betroffen. Im politischen Berlin und in den Ländern kursierten Papiere mit Listen. Demnach liegt das Defizit für Investitionen in Bundesstraßen - etwa für Ortsumgehungen - bis 2029 bei rund 6 Milliarden Euro. Dazu kommt: Auch für Planungskosten der Autobahn GmbH und den Betriebsdienst für Bundesstraßen fehlt Geld. In einem Papier heißt es zu den möglichen Folgen, es könne zu einer spürbaren, kurzfristig einsetzenden Verschlechterung des Fahrbahnzustands bis hin zu verkehrlichen Einschränkungen kommen.

Der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, Tim-Oliver Müller, sagte: "Verschobene oder gar gestrichene Bauprojekte heißt für die Bürgerinnen und Bürger: kaputte Brücken und Straßen, Sperrungen, Umleitungen, Stau." 

Sondervermögen

Am Donnerstag beschloss der Bundestag die Umsetzung des schuldenfinanzierten Sondervermögens für zusätzliche Infrastruktur und Klimaschutz in Höhe von 500 Milliarden Euro und einer Laufzeit von zwölf Jahren. Davon gehen 100 Milliarden Euro an die Länder und 100 Milliarden Euro an den Klima- und Transformationsfonds, einen Sondertopf des Bundes.

Auf Bundesebene soll ein großer Teil der Gelder in die Verkehrsinfrastruktur gehen - aber: Dabei geht es vor allem um Sanierung und Erhalt von Autobahnbrücken und des Schienennetzes. Das Prinzip: "Erhalt vor Neubau".

Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) betont zwar, es müsse um Erhalt und Neubau gehen. In den Haushaltsverhandlungen hat das Ressort für wesentlich mehr Gelder im Verkehrsetat des Kernhaushalts gekämpft - um ausreichend Mittel auch für den Aus- und Neubau von Autobahnen und Bahnstrecken zu haben. Bisher konnte sich Schnieder aber nicht durchsetzen. Dabei geht es um die Haushalte 2025 und 2026 sowie die Finanzplanung bis 2029. Intern war bereits die Rede von Milliardenlücken, dies ist nun in der Öffentlichkeit. 

Mit dem Sondervermögen gibt es zudem eine komplexe Finanzstruktur für den Verkehr. Gelder kommen aus dem Einzelplan Verkehr des Kernhaushalts sowie aus dem Einzelplan Verteidigung - für militärisch wichtige Projekte. Dazu kommen Ausgaben aus dem Klima- und Transformationsfonds, einem Sondertopf. Und: Mittel fließen nicht immer vollständig ab.

Kritik an "Verschiebebahnhof"

Die Länder forderten den Bund auf, sicherzustellen, dass die Mittel des Sondervermögens der Verkehrsinfrastruktur zusätzlich zur Verfügung stünden - und die Haushaltsmittel des Kernhaushalts des Verkehrsressorts nicht gekürzt werden. Seit längerem gibt es etwa von den Grünen im Bundestag Kritik vor allem man Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) wegen "Verschiebebahnhöfen": Gelder aus dem Kernhaushalt werden ins Sondervermögen geschoben - mit den frei gewordenen Mitteln im Kernhaushalt finanziere die schwarz-rote Koalition teure Wahlgeschenke wie die Ausweitung der Mütterrente oder steuerliche Entlastungen für die Gastronomie. Im Kernhaushalt selbst gibt es ab 2027 insgesamt Milliarden-Finanzlücken. 

Auch Bahnprojekte bedroht

Auch die Bahn bekommt aus dem Sondervermögen viele zusätzliche Milliarden für die Sanierung des maroden Bestandsnetzes - für Neu- und Ausbauprojekte aber steht in den kommenden Jahren nicht genügend Geld zur Verfügung. Bereits Mitte August hatte ein Sprecher Schnieders gesagt: "Natürlich dürfen wir den gesetzlich beschlossenen und aus verkehrlicher Sicht absolut notwendigen Neu- und Ausbau nicht aus den Augen verlieren." Mit Blick auf die kommenden Haushaltsjahre bestehe Nachbesserungsbedarf. Verzögerungen drohen zum Beispiel bei der geplanten neuen Strecke zwischen Frankfurt und Mannheim.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte der "Augsburger Allgemeinen", der Verkehrsetat müsse deutlich aufgestockt werden. Der CSU-Chef sorgt sich insbesondere um eine Neubaustrecke zwischen Bayern und Baden-Württemberg. "Die Strecke Augsburg - Ulm ist für den ganzen Süden Deutschlands von großer Bedeutung."

© dpa‍-infocom, dpa:250918‍-930‍-53596/3

Schlagworte: Patrick Schnieder, Lars Klingbeil, Markus Söder

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