Veranstaltung
Beim BZ-Wissensforum empfahl der Neurologe Volker Busch digitalfreie Zonen
Halbtags ist er Oberarzt, ansonsten berät er Firmen, hält Vorträge und betreibt Forschung. Volker Busch, der Regensburger Neurowissenschaftler und Arzt für Neurologie, Psychotherapie und Psychiatrie scheint ein Meister des Multitaskings zu sein.
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FREIBURG. Aber wer meint, das alles ginge gleichzeitig und bliebe ohne Auswirkungen auf das Gehirn, musste sich im Rahmen des BZ-Wissensforums eines Besseren belehren lassen in Buschs Vortrag: "Unter Strom und ständig online – das Gehirn zwischen Reizflut und Multitasking." Eine Auswahl seiner Erkenntnisse:
so wird es verdrahtet
Ein Experiment im nahezu voll besetzten Hörsaal 1010 der Universität macht deutlich: Alle sind Nutzer eines Smartphones. Nicht alles ist schlecht, was digitale Geräte im Gehirn anrichten: Detailwissen, visuelle Unterscheidungsfähigkeit und die Reaktionsgeschwindigkeit werden verbessert. Parkinson- und Alzheimerpatienten etwa können mit Videospielen ihre Motorik oder Orientierungsfähigkeit trainieren. Aber Konzentration und Ausdauer leiden ebenso wie die Kreativität und die Fähigkeit zur Kommunikation.
Wir haben alle ein bisschen ADHS
Die vor allem bei Kindern diagnostizierte Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) ist für Busch ein "gesellschaftliches Phänomen". Alle buhlen um Aufmerksamkeit, den "begehrtesten Rohstoff in der digitalen Welt". Mit der Folge, dass alle ständig abgelenkt sind und sich dauernd unterbrechen lassen. Das kostet Arbeits- und Freizeit, erhöht die Fehlerquote und hindert die Menschen daran, sich in etwas zu vertiefen. "Das dauernde Umschalten kostet Kraft. Es ist nicht trainierbar." Das so genannte Multitasking koste mehr als es bringe. Zehn Jahre Lebenszeit verplempert der Mensch mit Fernsehkonsum, sechs Jahre mit Surfen im Internet, acht Monate allein mit dem Lesen und Löschen von Mails.
Wir kennen keine
reizarmen Zustände mehr
Busch empfiehlt digitalfreie Zonen: Sich zum Beispiel eine Stunde täglich bei der Arbeit unerreichbar machen. "Es ist nie der Chef, der es nicht zulässt. Es gehört eine gewisse Selbstdisziplin dazu." Oder sich in der Freizeit einfach mal auf eine bunte Frühlingswiese legen und den Wolken beim Ziehen zuschauen. Oder in sozialen Situationen: Beim Essen mit der Familie oder Treffen mit einem Freund das Handy weglegen. Das macht den Menschen nachweisbar zufriedener und weniger gestresst (im Speichel wird weniger vom Stresshormon Cortisol gemessen). Wird das Gehirn mal eine Zeitlang in Ruhe gelassen, fängt es an, aufzuräumen und rauszuschmeißen, was an Irrelevantem in ihm rumgeistert. Plötzlich kann es Informationen wieder besser verknüpfen und aus sich selbst heraus assoziative Gedankengänge entwickeln. Nicht wenige Nobelpreisträger kamen beim geistigen Nichtstun auf ihre besten Ideen. Wer ohne Handyunterbrechungen Auge in Auge mit realen Menschen kommuniziert, lernt Empathie spüren und Perspektiven zu wechseln. Wie jene Frau, die sich wegen eines Stromausfalls und zwei WLAN-freien Stunden gezwungen sah, sich mit ihrer Familie zu unterhalten. "Es scheinen ganz nette Leute zu sein."
Wir können nicht
gut mit Langeweile umgehen
In einem Experiment von 2014 wurde 102 Schülerinnen und Schülern eine Belohnung von 150 Euro versprochen, wenn sie 48 Stunden auf ihr Handy verzichten. Nur zwölf schafften es. Unruhe, innere Anspannung, Langeweile und Angst, etwas zu verpassen nannten die anderen als Gründe für den Abbruch.
Zitat des Abends: "Unser Gehirn ist kein Stück Seife. Es wird nicht weniger, wenn wir es benutzen."