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Blasse Stars

Peter Disch
  • Do, 10. November 2016
    Ausland

Auch die Unterstützung Dutzender Pop- und Filmgrößen hat Hillary Clinton nichts genutzt.

Da war die Koalition aus Pop und Polit...n Gunsten am 4. November in Cleveland   | Foto: AFP/Screenshot
Da war die Koalition aus Pop und Politik noch voll Zuversicht: Hillary Clinton mit Beyoncé und Jay-Z, dem First Couple des schwarzen Pop, bei einem Konzert zu ihren Gunsten am 4. November in Cleveland Foto: AFP/Screenshot
Es gibt Situationen, da sind auch Stars ganz normale Menschen. Nachdem der Wahlsieg von Donald Trump am Mittwoch feststand, gab es zwischen John und Jane Doe – dem US-Gegenstück zum deutschen Otto Normalverbraucher – und prominenten Vertretern der amerikanischen Unterhaltungsindustrie keinen Unterschied. Erst einmal seinem Frust oder seiner Begeisterung freien Lauf lassen war die Devise. Emotional, ironisch, kurz, was halt an Aussagekraft möglich ist in einer auf 140 Zeichen begrenzten Twitter-Nachrichten, im digitalen Zeitalter das bevorzugte Sprachrohr der Berühmtheiten aller Couleur.

Reflektierte Statements wie das von Michael Moore blieben die Ausnahme. "Die nächste faschistische Welle kommt nicht mit Viehtransportern und Lagern. Sie wird ein freundliches Gesicht haben", zitierte der Filmemacher den Sozialwissenschaftler Bertram Gross. Ansonsten herrschten Reaktionen wie die des Kinokomikers Ben Stiller vor: "Bizarrer Traum", schrieb er. Popstar Lady Gaga twitterte: "Bete, Amerika." Von Kate Perry, die angeblich die Nationalhymne bei einer möglichen Siegesfeier von Hillary Clinton hätte singen sollen, kamen Durchhalteparolen: "Nicht stillsitzen. Weint nicht. VORWÄRTS. Wir sind keine Nation, die sich vom HASS leiten lässt."

Die Schauspielerin Kristie Alley dagegen jubelte, als das Ergebnis feststand: "GLÜCKWUNSCH PRÄSIDENT TRUMP! Gegen alle Widerstände... gegen das Establishment und sogar gegen die meisten in der Republikanischen Partei. Du hast es geschafft!" Was zeigt: Auch Trump hat Freunde im Showgeschäft. Neben der vor allem in den 80ern und 90ern populären Alley ("Kuck mal, wer da spricht!") oder dem abgehalfterten Ex-Basketballer Dennis Rodman, der den nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un bewundert, haben sich auch bis heute erfolgreiche Schauspieler wie Jon Voight und Clint Eastwood oder die Countrylegende Loretta Lynn im Wahlkampf für den Kandidaten der Republikaner stark gemacht.

Trotzdem war das Lager der Clinton-Unterstützer um ein Vielfaches größer, vor allem aber hochkarätiger besetzt. Die geballte Starpower ermöglichte wesentliche öffentlichkeitswirksamere Aktionen und publikumsträchtigere Veranstaltungen. Schauspieler Alec Baldwin persiflierte Trump über Wochen hinweg in der Comedyshow "Saturday Night Live". Robert de Niro veröffentliche ein schlagzeilenträchtiges und weltweit beachtetes Video, in dem er rustikal ("Hund", "Schwein") mit Trump abrechnete.

Rockbands wie R.E.M. waren zum Beispiel bei einem vom Bestsellerautor Dave Eggers ("The Circle") mit initiierten Internetprojekt dabei, mit dem Nichtwähler mobilisiert und Zauderer motiviert werden sollten, für Clinton zu stimmen. Anlocken sollte beide Gruppen die Internetseite http://www.30days30songs.com

Vom 10. Oktober bis zum 8. November wurde Tag für Tag ein weiteres Lied veröffentlicht – Live-Versionen oder Remixe bereits bekannter Titel, vor allem aber extra für diesen Zweck komponierte Stücke mit sprechenden Titeln und auf Trump Bezug nehmenden Texten – von Franz Ferdinands’ "Demagogue" bis zu "Makin’ It Great Again!" des Singer/Songwriters Andrew St. James reichte die Palette. Am Ende war die "Playliste von Liedern, die Donald Trump hassen wird" (Washington Post) auf 50 exklusive Tracks angeschwollen. Direkt vor dem Urnengang wechselte die Rock- und Popszene von der virtuellen Welt auf reale Bühnen, nun hatten die ganz ganz Großen bei Konzerten für Clinton ihren Auftritt. Zum alten, seit Jahren für die Demokraten spielenden Rockadel wie Jon Bon Jovi und Bruce Springsteen gesellten sich Stars wie Jennifer Lopez, deren Eltern aus Puerto Rico stammen und das First Couple des afroamerikanischen HipHop und R’n’B, Beyoncé und Jay-Z. Die Idee: Nicht nur das weiße, mit Rock aufgewachsene, aber in die Jahre gekommene liberale Amerika sollte für Clinton begeistert werden, sondern auch jüngere Wähler, gerade aus Bevölkerungsgruppen, die Trump mit rassistischen Sprüchen vergrault hatte – durch Stars ihrer Generation und Musik.

So traten Beyoncé und Jay-Z zusammen mit der Demokratin vergangenen Freitag vor 10 000 Besuchern auf. Am Montag veredelten Bruce Springsteen, Lady Gaga und Jon Bon Jovi den letzten Wahlkampfauftritt Hillary Clintons. Trump hatte zur selben Zeit nur den Gitarristen Ted Nugent zu bieten, Urgestein des Hardrock und stramm konservativer Fürsprecher der NRA-Waffenlobby, zu bieten.

Am Ende hat auch das Staraufgebot Clintons Niederlage nicht verhindert. Springsteen & Co. zählen für Trumps Sympathisanten zum selben verhassten liberalen Establishment wie Clinton – daher haben sie solche Wähler wohl kaum zu einem Seitenwechsel bewegt. Und die Mobilisierungskraft im demokratischen Lager, die sich Clinton von Glamour und Prominenz versprochen haben könnte? Wie ihre eigene war auch diese wohl geringer als gedacht.

Ressort: Ausland

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 10. November 2016: PDF-Version herunterladen

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