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Blaulicht und Brachialrock auf der Bühne

  • Dominic Fritz

  • Mi, 25. Juli 2001
    Zisch

     

Die Theater-AG am Freiburger Droste-Hülshoff-Gymnasium zeigt ein Stück über einen Jugendlichen, der in eine rechtslastige Jugendgang gerät.

Kaum ein Thema, über das in letzter Zeit mehr geschrieben, gesendet und debattiert wird: Rechtsradikalismus und Gewalt bei Jugendlichen. Das könnte vermutlich sogar davon abhalten, den Medien-Dauerbrenner auch noch als Thema einer Schultheater-Inszenierung zu wählen. Zum Glück hat sich die Theater-AG des Freiburger Droste-Hülshoff-Gymnasiums trotzdem an Peter Klusens Theaterstück "Desperados" herangewagt.

Das Stück beginnt am Ende. Jugendliche stehen auf der abgedunkelten Bühne im Kreis um etwas herum, das nicht genau zu erkennen ist. Blaulicht und düsterer Brachialrock im Hintergrund. Wie das mit dem Mike passieren konnte, verstehe keiner, lamentieren die Jugendlichen, und schon löst sich die Szene gespenstisch wieder auf.

Abseits der Bühne, in gleißendes Licht getaucht und vor eine weiße Wand gestellt, erzählt dann ein Klassenkamerad - wie in einem Prozess -, dass Mike keine Freunde hatte und dass er als Streber verschrien war. Und wie ein roter Faden ziehen sich diese "Gerichtsaussagen" - ähnlich wie in Frischs "Andorra" - durch die gesamte Handlung: jeweils zwischen den Szenen sagen Lehrer, Eltern oder Freunde von Mike etwas über ihn aus. In den Szenen skizzieren die Schauspieler dann verschiedene Lebenssituationen von Mike, weniger als fortlaufende, sich entwickelnde Handlung, sondern vielmehr als schnelle Blitzlichter, die einzelne Lebensbereiche wie Mikes Familie oder die Schule beleuchten. Und soviel ist sehr bald schon zu erkennen: Mike, großartig gespielt von Max Färber, ist ein Verlierertyp mit Seitenscheitel, der eigentlich viel lieber an Mofas rumbastelt, als für die Schule zu lernen, - wozu ihn seine spießigen Eltern ständig verdonnern.

In der Klasse wird Mike denn auch permanent gemobbt, Freunde hat er keine, - mit einer Ausnahme: der liebevolle Macho Henning, überzeugend gespielt von Markus Kopp. Der hilft ihm manchmal beim Mofa-Reparieren. Als der "Klassen-Arsch" Mike eines Tages die Schule schwänzt, um im Park in aller Ruhe Motorradzeitschriften zu lesen, trifft er die Jugendclique "Desperados". Weil sich die blonde "Ratti", hinreißend sexy interpretiert von Laura Zellner, in ihn verliebt, wird Mike blitzschnell Mitglied der Desperados. Für die Zuschauer fast ein bisschen zu schnell: die Verwandlung vom braven Streber zum aufmüpfig coolen Gangmitglied kommt abrupt und ist dann auch in der Folge länger gewöhnungsbedürftig. Und wenig überzeugend ist leider auch die Darstellung der rechtsradikal angehauchten Desperados: die wirken wenig authentisch in ihrer Aufmachung als Punks aus den 80er Jahren. Während eines Discobesuches, mit sehenswerten, netten Tanzeinlagen (choreographiert von Sabine Noll), sticht Mike im Affekt auf den provozierenden Klassenekel Geier (Matthias Andris) ein. Gruselig herausgehoben wird diese Szene mittels blitzender Stroboskoblampe, die alles in Zeitlupe erscheinen lässt und die souveräne Beleuchtungsarbeit der Bühnentechniker bestätigt. Mit diesem Szenario wird das Schlussbild eingeleitet: fassungslos umkreisen die Jugendlichen den am Boden liegenden Mike - dasselbe Bild wie zum Auftakt und ein sehr plötzliches, aber effektives Ende.

"Ich wünsche mir, dass das Publikum davon einen Denkanstoß bekommen hat." Angelika Birner

Ohne erhobenen Zeigefinger wurde hier nachdenkliches und rasantes Theater geboten, das möglicherweise ein bisschen unter der klischeebeladenen Vorlage des Autors Peter Klusen litt. Das Thema "Rechtsradikalismus" wird jedoch fast nur am Rande behandelt; dafür wird mit den von der Theater-AG hinzugefügten Klassenszenen das Mobbing ausführlicher behandelt. Die eigene Erarbeitung der Gewalt-Thematik innerhalb der Schauspieltruppe war vor allem Regisseurin Angelika Birner wichtig.

Ob mit dieser Inszenierung auch das Publikum einen Denkanstoß bekommen hat? "Ich wünsche es mir", meint Angelika Birner. Was der Truppe auf jeden Fall gelungen ist, ist eindrucksvolles Schülertheater. Dass das weniger einer stringenten Handlung, denn überzeugender schauspielerischer Leistung und einer klugen Inszenierung zu verdanken ist, tut diesem Erfolg keinen Abbruch.



Weitere "Desperado"-Aufführungen sind für Ende September geplant.

Ressort: Zisch

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