Blockmusik wie Söhne und Beginner

Der afghanische Rapper Malik rappt auf Deutsch, mit hohem Anspruch und berühmten Mitwirkenden - wie Xavier Naidoo.  

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Nach dem 11. September 2001 hieß es, nichts wird mehr sein, wie es davor war. Damals sagte Freiburgs einziger afghanischer Rapper, Ismael Hares, die Taliban seien "psychomäßig drauf" - und ein Militärschlag der USA gegen Afghanistan sei durchaus angebracht. Zwei Jahre später veranstaltet die JuZ am 11. September eine After-School-Party. Jugendliche sind ins BZ-Haus in der Bertoldstraße eingeladen, ihre Meinung kundzutun: Wie hat sich der 11. September auf mich und meine Welt ausgewirkt? Ismael alias Malik rappt, JuZ-Autoren lesen eigene Texte zum 11. September - und das ganze ist ein Beitrag zum Jugendkulturfestival.

Ismael Hares, 24 Jahre, Musiker, wurde 1978 in Kabul in Afghanistan geboren, wo er allerdings nur sein erstes Lebensjahr verbrachte. Sein Geburtsland kennt er nur aus Bildbänden, Geschichtsbüchern und natürlich aus den Erzählungen seiner Eltern. Sein Vater, Mir Azizullah Hares, war 1980 gerade in Deutschland, als sich die politische Situation in Afghanistan dramatisch zuspitzte. Als Lehrer einer deutsch-afghanischen Schule in Kabul nahm er zu der Zeit an einem Austausch mit einer Schule in Osnabrück teil - und entschloss sich, seine Familie nach Deutschland zu holen. Die Familie stellte einen Asylantrag, der damals schnell bewilligt wurde.

Mit drei Jahren zog Ismael mit seiner Familie nach Freiburg um. "Meine Kindheitserinnerungen verbinde ich nur mit Freiburg", sagt Ismael, "und mein kleiner Bruder ist sogar ein echtes Freiburger Bobbele." Seit zwanzig Jahren lebt Ismael nun schon in der Breisgau-Metropole. Trotz teilweise schwierigen sozialen Verhältnissen legen die Eltern großen Wert auf die Bildung ihrer Kinder und schickten Ismael auf das Wentzinger-Gymnasium. Das Abitur machte er nach einem Schulwechsel auf dem Kepler-Gymnasium. Zurückblickend empfindet er diese Zeit als nicht ganz einfach: "Die Zugehörigkeit im Viertel und die Schule unter einen Hut zu bringen, führte natürlich immer wieder zu Auseinandersetzungen mit meinen Eltern." Die ließen ihn lange gar nicht raus, später auch lange Zeit nur begrenzt.

Wenn Ismael zu Hause war, brachte er sich auf einem Keyboard, das sein Vater ihm geschenkt hatte als er fünf Jahre alt war, alte traditionell afghanische Lieder bei. Er spielte oft auf afghanischen Festen, zum Beispiel auf Hochzeiten. Zu dieser Zeit meint Ismael heute: "Ich war praktisch der afghanische Heintje." Das sollte jedoch nicht so bleiben: der afghanische Heintje nennt sich heute "Malik" und spielt harten deutschen Rap - und hat damit auch schon einige der ganz Großen auf sich aufmerksam gemacht. Rockröhre Nina Hagen und selbst Xavier Naidoo ließen sich mit Malik schon sehen und hören.

Der Weg bis dahin war lang. Zum ersten Mal kam Ismael mit amerikanischem HipHop in Kontakt als ihm ein befreundeter Oberstufenschüler ein HipHop-Tape schenkte. Da war er gerade zwölf Jahre alt. In den Beats und dem lockeren "Dahergerede" der Musik findet er sich irgendwie wieder. Blockmusik nennt er das heute und erklärt, wie er selbst damals in einem Block gewohnt hat - nämlich mit seiner Familie in einer Sozialwohnung in Weingarten, wo unter Jugendlichen viel Kleinkriminalität herrschte.

"Rap bedeutet für mich Freiheit, weil meine Gedanken zu dieser Musik fließen können", sagt Ismael. Das bedeutete auch, dass Ismael diesen Schub aus der Musik nutzte, um aus den engen Familienstrukturen auszubrechen. Mit 15 Jahren fing er dann an, selbst ein paar Raps und Lyrics auf Englisch zu schreiben. Aber beim Vergleich mit seinen amerikanischen Vorbildern konnte er nicht entfernt mithalten. Parallel zu den musikalischen Versuchen schrieb Ismael auch deutsche Kurzgeschichten und Gedichte und war Chefredakteur der Schülerzeitung - irgendwann ist er dann einfach auf deutsche Raps umgestiegen: "Eigentlich war mir die deutsche Sprache schon immer wichtig und der Gedanke, Jugendlichen aus den Blocks die Möglichkeit zu geben, ihre Musik zu verstehen, trieb mich weiter an."

Den richtig großen Durchbruch hat Ismael alias Malik bis heute noch nicht geschafft, aber die Zeichen stehen nicht schlecht, dass es bald klappt. Die wichtigen connections in dem Geschäft sind nämlich schon da. Und: Er arbeitet heftig an seinem ersten Album, das erscheinen soll, sobald es auf allen Kanälen grünes Licht gibt - vor allem die Finanzierung des Albums bereitet Malik Kopfzerbrechen. Tatsächlich ist der Weg dorthin verbunden mit einem fortwährenden Kampf - mit anderen Rappern, mit der Musikindustrie und mit der Familie, mit der es immer wieder mal Stress gibt. Für Ismael ist die Ursache dafür klar: "Man mag keine Leute mit eigenem Charakter oder Menschen, die sich in bestehende Hierarchien nicht unterordnen wollen." Man will, glaubt Ismael, Typen, die kontrollierbar sind. Das aber wird er nicht akzeptieren, sondern weiter seinen Weg gehen. Ismael ist also immer noch sein eigener Manager und Produzent auf der einen Seite und auf der anderen Seite der Komponist und Rapper.

"Xavier ist so was wie ein Idol für mich." Ismael Hares, Rapper

Bislang gibt es niemanden, der ihn bei der Produktion seines Albums finanziell unterstützt. Wenn genügend Geld da wäre, könnte die Scheibe schon im September in den Plattenläden stehen. Dann könnten sich Fans und Neuentdecker davon überzeugen, dass Ismael ein gutes Händchen hatte, als er mögliche Mitwirkende ansprach. Der Titel "Verlorener Sohn" mit Xavier Naidoo ist bereits eingespielt, Jan Delay von den Beginnern hat auch zugesagt. Ihn hat Ismael bei einem Interview für die Badische Zeitung kennen gelernt - "wir waren sofort auf einer Wellenlänge" - und damit kam ein Stein ins Rollen. Bei einem Konzert der Beginner traf Ismael eines Tages auch Xavier Naidoo. Damit erfüllte sich ein Traum für den afghanischen Freiburger: "Xavier ist so was wie ein Idol für mich." Bei einem Auftritt von Xavier Naidoo mit den Söhnen Mannheims im Jazzhaus konnte er als Vorband zeigen, was er draufhat. Und das war augenscheinlich so gut, dass Xavier Naidoo ihn gleich auch noch für einige Auftritte als Opening Act während seiner großen Hallentournee einlud. Spielen vor 5000 Leuten: "Das waren coole Abende!" Im Herbst 2001 brachte er seine erste Single raus: "Oh! No!" Die verkaufte sich immerhin 2700 -mal.

Einen fetten Auftritt hatte Ismael dann im September 2002 vor 20 000 Menschen beim Aktionstag gegen rechte Gewalt, bei dem Größen wie Patrice, Brixx und Fury in the Slaughterhouse mitwirkten. Am Donnerstag, 11. September, wird Ismael kein Stadion mit seinen Raps begeistern, aber vermutlich ein ebenso engagiertes Publikum. Die JuZ lädt ein zur "After-School-Party" - und Malik rappt. Mit dem Datum ist das Thema über diesem Auftritt klar: die Suche nach einer gerechten Welt. Die Frage, die sich Ismael zu diesem Auftritt stellt - und zu der sich auch die Zuschauer zu Wort melden sollen: Was hat der 11. September für meine Welt bewirkt?


JuZ-After-School-Party I am 11. September von 14 bis 16 Uhr im BZ-Haus in der Bertoldstraße 7.

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