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"Das Infektionsrisiko ist aktuell sehr hoch"

  • Fr, 18. Dezember 2020
    Schülertexte

ZISCHUP-INTERVIEW mit dem Freiburger Manu Ingra, der trotz Corona nach Valencia gegangen ist, um dort ein Jahr als Erasmus-Student zu verbringen.

Spanien in der Pandemie – eine Innen- und eine Außenansicht Foto: Emilio Morenatti (dpa)
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Manu Ingra lebt aktuell im spanischen Valencia. Im Gespräch mit Cornelius Rees, Schüler der Klasse 8d des Freiburger Goethe-Gymnasiums, erzählt er, wie es sich unter Corona-Bedingungen studiert und wie das von der Pandemie besonders stark betroffene Spanien mit der Situation umgeht.


Zischup:
Was waren deine ersten Gedanken, als du erfahren hast, dass es in Valencia und in ganz Spanien mit den Infektionszahlen wieder so steil bergauf geht?
Ingra: Da ich mich schon seit der Bewerbung für das Erasmusjahr auf Spanien gefreut habe, war ich anfangs etwas verunsichert, ob der Aufenthalt jetzt überhaupt noch möglich ist. Durch diese Ungewissheit war die Planung für mein nächstes Jahr erschwert. Es fiel mir aber relativ leicht, zu akzeptieren, dass die Situation nicht zu ändern ist.

Zischup: Was erzählen dir deine spanischen Freunde zur "ersten Corona-Welle" in Spanien?
Ingra: Zum Einordnen: Meine spanischen Freunde sind zwischen 20 und 25 Jahre alt, zu einem Teil Studenten, zum anderen Teil bereits fertig mit dem Studium. Meine Mitbewohnerin beispielsweise hat mir erzählt, dass es für sie zu Beginn eine spannende Situation war. Als es zum Lockdown kam, war es eine neue, interessante Erfahrung. Es fühlte sich ein bisschen wie im Film an. Während der Quarantäne gab es für sie gute und schlechte Phasen. An manchen Tagen fühlte sie sich unmotiviert und sehr eingeschränkt. Hinzu kam, dass sie wieder zu ihren Eltern zog, was manchmal zu Konflikten führte. An anderen Tagen war die Zeit in Quarantäne eine Zeit der Ruhe, in der sie durchatmen, sich sonnen und Energie tanken konnte. In diesen Tagen konnte sie etwa an ihren persönlichen Projekten arbeiten und Sport machen. Zwar war es ein Auf und Ab, doch im Nachhinein ist sie sehr dankbar für diese Zeit, da sie viel gelernt hat.

Zischup: Wie hat sich Spanien durch die Corona-Pandemie verändert?
Ingra: Ich kann nicht über ganz Spanien reden, jedoch erzählen mir viele Leute aus verschiedenen Teilen Spaniens, dass die Zeit aktuell nicht vergleichbar ist mit der Zeit vor Corona. Da Maskenpflicht herrscht, Bars früh schließen, Discos dauerhaft geschlossen sind und es eine Beschränkung für Personen in privaten und öffentlichen Plätzen gibt, ist das spanische Leben stark beeinträchtigt. Normalerweise ist man hier daran gewohnt, sich in großen Gruppen zu treffen, zu kochen, zu tanzen und Herzlichkeit auszutauschen. Man merkt, dass das vielen Leuten fehlt.

Zischup: Wie kommst Du mit den Einschränkungen in Valencia klar?
Ingra: Ich persönlich komme mit den Einschränkungen gut klar. Ich glaube, dass man manche Situationen nur bis zu einem gewissen Grad beeinflussen kann. Was man nicht mehr beeinflussen kann, muss man akzeptieren, es bringt nichts, sich darüber aufzuregen. Deshalb freue ich mich über die Möglichkeiten, die ich bis jetzt noch habe. Zum Beispiel habe ich das Privileg als Sportstudent noch Sport an der Uni machen zu dürfen, natürlich mit Maske, aber immerhin. Außerdem darf man sich mit sechs Personen im öffentlichen und privaten Raum treffen. Ich probiere das Beste aus der aktuellen Situation zu machen.

Zischup: Hast du deinen Entschluss für den Auslandsaufenthalt schon einmal bereut?
Ingra: Ganz klares Nein. Ich habe hier schon zu viel gelernt und erfahren, als dass ich es bereuen könnte.

Zischup: Welchen Einfluss hat die Pandemie auf dein Studium und dein Hobby, den Fußball?
Ingra: Wie bereits gesagt, habe ich trotz Corona Praxisunterricht in der Uni. In den Praxiskursen werden die Materialien ständig desinfiziert. Außerdem herrscht Maskenpflicht und wir Studenten sind dazu angehalten, uns regelmäßig die Hände zu waschen und zu desinfizieren. Manche Kurse, die nicht zwangsläufig Präsenz erfordern, werden online durchgeführt. Ich habe hier in Valencia bereits bei einigen Vereinen zwecks eines Probetrainings angefragt, jedoch kamen aufgrund von Corona fast nur Absagen. Außerdem ist es normalerweise möglich bei dem La Liga-Club Levante UD einige Hospitationen durchzuführen. Doch auch dies ist durch Corona erschwert. Ansonsten gilt jedoch zu sagen, dass auf den Bolzplätzen noch immer Fußball gespielt wird.

Zischup: Würdest du Freunden aktuell empfehlen nach Spanien zu reisen?
Ingra: Das Risiko, sich mit Corona zu infizieren, ist aktuell sehr hoch. Ich höre auch regelmäßig von meinen Mitbewohnern von Leuten, die sich angesteckt haben. Außerdem gibt es viele Erasmus-Studenten, die bereits Corona hatten. Aufgrund des gesundheitlichen Risikos kann ich keine Empfehlung aussprechen.

Zischup: Wie ist die Stimmung unter den Menschen in Spanien aktuell?
Ingra: Fast alle Spanier sagen mir, dass sie normalerweise sehr herzlich miteinander umgehen. Umarmungen, Wangenküsse zur Begrüßung und körperliche Nähe wie beim Tanzen sind hier normal. Durch Corona sind viele Spanier verunsichert, wie sie jetzt miteinander umgehen sollen. Ich persönlich merke es, wenn ich Leute auf der Straße anspreche, zum Beispiel um nach dem Weg zu fragen. Einige Leute gehen lockerer mit dem Thema Maskenpflicht und Abstand um, andere gehen extra ein paar Schritte zurück, wenn sie angesprochen werden. Der Zwiespalt ist in vielen Alltagssituationen zu spüren. Einerseits wollen die Leute mir den Fahrstuhl aufhalten, damit ich ihn mitbenutzen kann. Andererseits wissen sie, dass es besser ist, den Fahrstuhl alleine zu benutzen. Es kommt also immer auf die Menschen an, die miteinander interagieren. Allgemein spürt man aber die starke Empathie füreinander.

Zischup: Gibt es auch so viele Proteste gegen die Maßnahmen?
Ingra: Es gibt auch in Spanien Proteste gegen die Maßnahmen. In meinem Umfeld in Valencia habe ich jedoch noch keinen mitbekommen. Da sehr viele Spanier in der Tourismus-Branche oder in der Gastronomie tätig sind und die Maßnahmen eben diese Bereiche finanziell extrem schwächen, ist es nachvollziehbar, dass viele Menschen verunsichert sind, Existenzängste haben und deshalb nach Mitteln suchen, diese zu reduzieren.

Zischup: Was machen die Spanier in der Pandemie besonders gut oder viel besser als wir Deutschen?
Ingra: Was mir besonders auffiel, war, dass die Leute sich bereits an die Maskenpflicht gewöhnt haben. Alle Spanier tragen stets eine Maske. In Deutschland kam es mir manchmal so vor, dass die Menschen mit Maske eher komisch angeschaut wurden. Außerdem hat man hier das Gefühl, dass es fast normal ist, als junger Mensch früher oder später an Covid-19 zu erkranken. Nichtsdestotrotz wird sehr respektvoll miteinander umgegangen und man ist sich der Konsequenzen gerade für Risikogruppen bewusst.

Zischup: Wann, glaubst du, entwickelt sich alles wieder in Richtung Normalität?
Ingra: Ich glaube, dass ein Impfstoff essenziell ist, damit sich alles in Richtung Normalität entwickelt. Ansonsten glaube ich, dass es immer wieder zur Lockerung der Maßnahmen und später zu strengeren Maßnahmen kommt.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 18. Dezember 2020: PDF-Version herunterladen

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