BZ-Interview

Das Internet kann zum Pranger werden

Die Fachanwältin für IT-Recht und Vizepräsidentin des Deutschen Anwalt-Vereins, Astrid Auer-Reinsdorff, über Straftaten im Internet.  

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Auer-Reinsdorff Foto: Privat

FREIBURG. Das Internet verführt dank seiner Anonymität zu unbedachten Äußerungen, die aber strafbar sein können. Welche Konsequenzen es hat, jemanden im Netz an den Pranger zu stellen, wollte Katharina Meyer von Astrid Auer-Reinsdorff (41) wissen, Fachanwältin für IT-Recht und Vizepräsidentin des Deutschen Anwalt-Vereins.

BZ: Jemand ruft im Internet dazu auf, sich tatkräftig an einem vermeintlichen Täter zu rächen. Welche Strafe kann ihm da drohen?

Auer-Reinsdorff: Wenn jemand öffentlich zu einer Straftat aufruft, begeht er selbst eine. Selbst wenn der Aufruf ohne Erfolg verhallt, drohen demjenigen bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe. Kommt es tatsächlich zu der Tat, wird er sogar wie ein Anstifter behandelt – dann gilt er als Beteiligter an dem Verbrechen.

BZ: . . . und der Faktor Internet?

Auer-Reinsdorff: Ob jemand das im Internet macht oder auf anderem Weg, macht keinen Unterschied. Juristisch entscheidend ist: Öffentlich muss es sein. Wenn ich die Aussage auf einer Facebookseite poste, zu der nur eine begrenzte Anzahl an Freunden zugriff hat, gilt es nicht als öffentlich. Auf der Wall von Facebook, also einer öffentlichen Pinnwand, auf der eigenen Website oder per Twitter-Nachricht dagegen schon.

BZ: Welche Art von Äußerungen sind denn schon strafbar im Netz?

Auer-Reinsdorff: Das ist letztlich immer nur im Einzelfall zu entscheiden. Strafbar sind schon Beleidigungen. Da werden die Gerichte allerdings großzügiger. In den Bewertungen von Ebay Betrüger genannt zu werden, muss man eventuell hinnehmen. Wenn ich Dinge verbreite, die jemanden in seinem öffentlichen Ansehen herabwürdigen, kann das üble Nachrede sein, mache ich wider besseren Wissens falsche Verdächtigungen, ist es sogar Verleumdung, die ebenfalls mit bis zu fünf Jahren Haft belegt werden kann. Entscheidend ist, dass der Betroffene klar erkennbar ist – dazu muss aber nicht unbedingt der Name genannt sein.

BZ: Es gab im Herbst 2011 ein Urteil gegen eine 21-Jährige, die ihre Freundin auf Facebook beleidigt hatte. Gab es bereits mehrere Prozesse dieser Art?

Auer-Reinsdorff: Das gibt’s am laufenden Band – gerade bei Bewertungen zwischen Käufern und Verkäufern. In der Regel versucht man, über eine Abmahnung das Entfernen des Eintrags zu erreichen. Die wenigsten Fälle kommen vor ein Strafgericht. Denn meist kommt nur eine geringe Geldstrafe dabei raus. Der Fall von Emden hat da eine ganz andere Qualität.

BZ: Gerade in dem Fall zeigt sich die Zwiespältigkeit des Internets: Einerseits setzt die Polizei es als Hilfsinstrument zur Fahndung ein, andererseits kann dort der Name eines Verdächtigen gleich an die große Öffentlichkeit gelangen.

Auer-Reinsdorff: Wir müssen lernen, so mit dem Medium umzugehen, dass wir dessen Vorteile nutzen können, ohne die Nachteile hervorzurufen. Im Internet kann man in die Anonymität abtauchen, und das braucht eine Gesellschaft auch. Aber die Hemmschwelle ist dort viel niedriger. Sich auf die Straße zu stellen, und zu Lynchjustiz aufzurufen, dafür braucht es viel mehr kriminelle Energie. Auch die Polizei nutzt ihre technischen Möglichkeiten, etwa bei der Auswertung von Handydaten. Da muss mehr Sensibilität entwickelt werden. Nicht alles, was geht, sollte man auch tun.

BZ: Cybermobbing ist gerade an Schulen großes Thema. Die wenigstens werden sich juristisch dagegen zur Wehr setzen. Was für Möglichkeiten gibt es noch?

Auer-Reinsdorff: Die Sache ist ja nicht neu, früher wurde auch auf dem Schulhof gelästert. Im Internet ist es aber für viele wahrnehmbar und dokumentiert. Am besten ist sicher eine Aussprache – wenn man die Beleidigung zuordnen kann. Das ist im Internet ja oft das Problem. Ansonsten: Einen Screenshot machen, alles dokumentieren, mit den Eltern sprechen, dann mit den Lehrern, und die Sache in der Schule auf den Tisch bringen.

BZ: Vielen ist vielleicht auch nicht klar, was sie mit ihren Beiträgen anrichten.

Auer-Reinsdorff: Viele Jugendliche wissen nicht, was sie da machen. Sie haben keine Sensibilität dafür, etwa dass das Hochladen von Bildern Dritter nicht erlaubt ist. Oft hat aber auch die ältere Generation von Internetthemen wenig Ahnung. In Politik und Gesellschaft ist dazu viel mehr Aufklärung nötig.

Erklär's mir: Was heißt es, jemanden an den Pranger zu stellen?

Stell dir mal vor, deine kleine Schwester oder dein kleiner Bruder macht sich beim Einkaufen in die Hose. Und du zeigst mit dem Finger auf dein Geschwisterchen und rufst laut: "Guckt mal alle her, da hat sich jemand in die Hose gemacht!" Damit stellst du deine Schwester oder deinen Bruder an den Pranger. Du stellst dein Geschwisterchen vor allen anderen bloß, und wahrscheinlich ist ihm das peinlich. Der Begriff kommt daher, dass im Mittelalter Menschen wirklich an einen Pranger gestellt wurden. Ein Pranger, das war ein Holzpfosten oder eine Bühne auf der Straße oder dem Marktplatz. Wenn jemand etwas verbrochen hatte, ließ ein Gericht den Bösewicht zur Strafe dort festbinden. Alle konnten ihn dann sehen, und er musste sich öffentlich schämen. Heute stellt man nur noch mit Worten an den Pranger.

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