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"Das, was nicht lebendig ist, lebendig machen"

  • Ani-Maral Klotz, Klasse 4c, Turnseeschule (Freiburg)

  • Fr, 25. November 2022
    Zisch-Texte

ZISCH-INTERVIEW mit Puppenspielerin Vanessa Valk, die seit 20 Jahren auf Bühnen steht, über ihre Leidenschaft, das Schreiben von eigenen Stücken und das Puppenbauen.

Puppenspielerin Vanessa Valk  | Foto: Mark Klotz
Puppenspielerin Vanessa Valk Foto: Mark Klotz

Die Figurenspielerin Vanessa Valk ist auf vielen Bühnen zu sehen. In Freiburg tritt sie zum Beispiel im E-Werk, im Stadttheater und im Vorderhaus auf. Zisch-Reporterin Ani-Maral Klotz aus der Klasse 4c der Turnseeschule in Freiburg spricht mit ihr im Interview darüber, wie sie Puppenspielerin geworden ist, wie die Puppen funktionieren und was das Besondere an den Puppen ist.

Zisch: Warum wurden Sie Puppenspielerin?
Valk: Als ich während meiner Schulzeit einen Job suchte, um ein bisschen Geld zu verdienen, habe ich mich auf eine Anzeige in der Zeitung beworben, in der ein Saaldiensthelfer in einem Puppentheater gesucht wurde. So habe ich zum ersten Mal einen Puppenspieler kennengelernt. Je länger ich in diesem Theater gearbeitet habe, desto mehr hat mich diese Arbeit fasziniert: Wie er gearbeitet hat, wie die Stücke umgesetzt wurden, was er erzählt hat und besonders hat mir die Atmosphäre im Theater gefallen. Irgendwann habe ich ihm vorgeschlagen, nach meiner Schulzeit ein Jahr als Praktikantin im Puppentheater bei ihm zu arbeiten. Ich wollte nicht wie meine Freunde als Au-pair ins Ausland, sondern ich wollte ausprobieren, wie es ist, in einem Puppentheater zu arbeiten, bevor ich anfange zu studieren. Und so fing es an.

Zisch: Seit wann machen Sie diesen Beruf schon?
Valk: Ich habe 1997 angefangen, zu studieren, und habe meinen Abschluss 2002 gemacht. Seit 2002, also seit 20 Jahren mache ich das schon.

Zisch: Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf am besten?
Valk: Das sind ganz unterschiedliche Sachen: Zum einen gefällt es mir sehr gut, auf der Bühne zu arbeiten. Ich erlebe es als sehr aufregend und lebendig. Mein Lehrer in der Theaterschule, in der ich studiert habe, sagte früher immer: "Theater ist wie verdichtetes Leben." Es passiert alles auch wie im richtigen Leben, aber eben verdichtet auf einen bestimmten Zeitraum auf der Bühne. Das finde ich sehr aufregend, das gefällt mir sehr gut.

Zisch: Und wieso wurden Sie nicht Schauspielerin?
Valk: Am Schauspiel hat mir nicht so gut gefallen, dass ich als Schauspielerin auf meinen Körper beschränkt bin, also weiblich, mein Alter und blond. Ich bin als Schauspielerin einfach ein bestimmter Typ und deswegen werde ich in bestimmten Rollenfächern besetzt. Ich wollte auch etwas ganz anderes sein können, wie zum Beispiel ein Tier oder ein ganz alter Mann oder ein Stein oder eine Banane. Ich wollte auf jeden Fall weg davon, auf das reduziert zu sein, was ich körperlich mitbringe. Und da kam mir das Puppentheater sehr entgegen.

Zisch: Wie war es für Sie, das erste Mal auf der Bühne zu stehen?
Valk: Sehr aufregend. Es ist immer noch aufregend. Ich habe viel Lampenfieber. Früher habe ich immer gedacht, das wird weniger, je länger ich den Beruf ausübe. Das war ein Irrtum. Bei mir wurde das Lampenfieber mit den Jahren schlimmer. Verändert hat sich lediglich, dass ich mittlerweile weiß, was ich tun kann, damit ich nicht durchdrehe. Vor dem Spiel bin ich aber nach wie vor noch sehr aufgeregt.

Zisch: Schreiben Sie die Stücke selbst?
Valk: Ja, oft schreibe ich die Stücke selbst. Im Puppentheater ist es so, dass man die Stücke entwickelt. Es ist nicht so, dass ich mich an den Schreibtisch setze und ein Stück schreibe, bis es fertig ist. Im Puppentheater ist es viel mehr so, dass es zwischen dem Ausprobieren auf der Bühne und der Werkstatt, dem Bau der Puppen und dem Schreiben des Textes ein lebendiges Hin und Her gibt. Am Anfang habe ich eine Idee. Mit dieser Idee im Gepäck gehe ich in die Werkstatt und überlege mir, was ich für Puppen brauche, um diese Idee zu transportieren. Dann fange ich an zu bauen und gehe damit auf die Bühne und probiere die Sachen aus, die ich gebaut habe. Manchmal entspricht das total der Idee, die ich am Anfang hatte und manchmal gar nicht. Dann muss ich mich entscheiden: Verfolge ich die Idee, mit der ich losgegangen bin oder geht das Ganze in eine ganz andere Richtung. Und genauso ist es mit dem Text. Ich fange mit Textideen an und manchmal verändert sich das total über die Arbeit an der Inszenierung. Also im Grunde weiß ich nie, wenn ich mit einem Projekt anfange, was am Ende dabei rauskommt.

Zisch: Und woher bekommen Sie die ganzen Ideen für die Stücke und die Puppen?
Valk: Ich werde oft von einem Buch oder einem Film inspiriert. Musik oder anderen Theaterstücke faszinieren mich auch. In meinem Kopf passiert dann ganz viel und irgendwann ist eine Idee da. Viele Ideen sind zunächst super, verschwinden aber auch schnell wieder aus dem Kopf und man kann sich gar nicht mehr an sie erinnern. Andere Ideen begleiten einen sehr lange. Zum Beispiel mache ich gerade ein Stück über meinen Opa. Mit dieser Idee bin ich jahrelang rumgelaufen. Wirklich jahrelang. Immer wieder habe ich darüber nachgedacht, wie könnte das gehen, was könnte der Inhalt sein oder mit was arbeite ich da. Und jetzt mache ich ein Stück über meinen Opa.
Zisch: Und wie lange brauchen Sie, um eine Puppe zu bauen?
Valk: Das ist sehr unterschiedlich. Je nach Art der Puppe. Es gibt Puppen, die einfacher zu bauen sind, weil sie direkt geführt werden können wie zum Beispiel eine Handpuppe, in die man die Hand reinstecken kann. So eine Puppe zu bauen dauert nicht so lang. Eine Marionette, die an Fäden hängt, dauert etwas länger. Das ist sozusagen die schwierigste Art.

Zisch: Aus was für einem Material bestehen die Puppen?
Valk: Ganz klassisch bestehen viele Puppen aus Holz und sind geschnitzt. Ich modelliere oft Teile der Puppen aus Ton wie die Gesichter oder Hände. Davon mache ich einen Gipsabguss und anschließend gieße ich das in so eine Art Gummimilch und das ist dann ein Hohlkörper. Ton wäre zu schwer und zu massiv und geht schnell kaputt. Der Hohlkörper aus Gummimilch ist zum einen viel leichter und ein weiterer Vorteil ist, dass man eine ganze Serie herstellen kann, weil man die Form immer wieder verwendet.

Zisch: Wie funktionieren die Puppen?
Valk: Es gibt unterschiedliche Puppen, wie zum Beispiel Handpuppen. In eine Handpuppe stecke ich meinen Arm. Ein Finger bewegt den Kopf und der Körper der Puppe ist eigentlich mein Arm. Außerdem gibt es auch Stabpuppen: Diese werden von unten geführt, das heißt, du stehst als Spielerin hinter einer Wand und hast einen Stab in der einen Hand, an dem sich eine Mechanik befindet, durch die man den Kopf bewegt. In der zweiten Hand hältst du einen anderen Stab, mit dem zum Beispiel die Hand der Figur bewegt werden kann. Marionetten hängen an Fäden und sind eine Kombination aus verschiedenen Pendeln. Du hast an jedem Faden ein Gewicht und diese Gewichte sind untereinander verbunden durch zum Beispiel die Arme und Beine der Puppe. Früher waren die Spieler und Spielerinnen verdeckt beim Spielen. Sowohl beim Handpuppenspiel als auch beim Marionetten- oder Stabpuppenspiel hat man nur die Puppen agieren sehen. Heute ist es ganz oft so, dass man die Spieler und Spielerinnen auf der Bühne sehen kann, also dass sie gleichzeitig mit der Puppe auf der Bühne zu sehen sind.

Zisch: Was ist das Besondere an Puppen?
Valk: Ich finde, das Besondere an Puppen ist, dass eine Puppe erst einmal was Totes ist. Es ist aus einem toten Material, wie zum Beispiel aus Holz geschnitzt, aus Stoff genäht oder aus Schaumstoff geschnitten. Es ist erstmal ein Material, das von sich aus nicht lebendig ist. Erst durch mein Spiel und meine Bewegungen bringe ich die Puppe zum Atmen, zum Tanzen oder zum Sprechen. Dadurch entsteht das Gefühl, dass die Puppe ein lebendiges Wesen ist. Das ist für mich das Besondere am Puppentheater: Das, was erstmal nicht lebendig ist, lebendig zu machen.

Ressort: Zisch-Texte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 25. November 2022: PDF-Version herunterladen

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