Zischup-Interview

"Dass Menschen und die Natur in Harmonie leben"

Livia Wittiger arbeitet von Namibia aus für den WWF (World Wildlife Fund). Im Gespräch erzählt sie, wofür die Organisation steht und wie das Leben in Namibia ist.  

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Livia Wittiger beobachtet einen Elefanten in Namibia.  | Foto: Privat
Livia Wittiger beobachtet einen Elefanten in Namibia. Foto: Privat
Zischup: Sie sind Mitarbeiterin des WWF. Was ist die zentrale Aufgabe des WWF als Organisation?
Wittiger: Der WWF ist eine internationale Natur- und Umweltschutzorganisation. Unsere zentrale Aufgabe ist, das Naturhabitat und wilde Arten beziehungsweise die Artenvielfalt zu erhalten und auf unserer Erde zu ermöglichen, dass die Menschen und die Natur in Harmonie miteinander leben können.

Zischup: Seit vier Jahren arbeiten Sie von Namibia aus. Worin besteht die Ihnen gestellte Aufgabe?
Wittiger: Hier in Namibia leite ich ein Projekt zum Schutz von Nashörnern und Elefanten. Es geht im Speziellen darum, die hiesige Naturschutzbehörde zu unterstützen, sodass ihre Wildlife Protection Unit, was soviel wie Wildtierschutz-Einheit heißt, aufgebaut wird und die Maßnahmen zum Schutz gegen Wilderei von Nashörnern und Elefanten verbessert werden können.

Zischup: Warum werden Nashörner und Elefanten gewildert?
Wittiger: Das Nashornhorn wird in einigen asiatischen Ländern als Mittel in der traditionellen Medizin verwendet und gilt dort als potenzsteigerndes Mittel. Es soll auch Alltagskrankheiten wie Kopfschmerzen und sogar Covid heilen können. Das ist schwer vorstellbar, denn das
Nashornhorn ist aus demselben Stoff wie unsere Fingernägel: Keratin. Man könnte also der Tradition folgend genauso an den Fingernägeln kauen, um geheilt zu werden, was natürlich nicht funktioniert. Daher ist es besonders traurig, dass Nashörner wegen ihres Hornes gejagt werden – es hat gar keinen medizinischen Effekt. In den asiatischen Ländern wird versucht, in großem Umfang Aufklärung zu betreiben. In Asien sind die Nashörner schon zum größten Teil ausgerottet, wodurch der Wert des Produkts gestiegen ist. Deswegen werden sie jetzt in Afrika gewildert, illegal werden die Hörner über Schmuggelwege nach Asien befördert. Bei dem Elefanten ist es sehr ähnlich. Auch der Elfenbeinhandel ist international verboten. Elfenbein wird für Schnitzereien verwendet, so eine Art von Kunsthandwerk hat einen hohen Wert in der asiatischen Gesellschaft. Und daher werden in Namibia die Elefanten getötet.

Zischup: Wer hilft Ihnen, Ihre Aufgabe zu erfüllen?
Wittiger: Ich arbeite mit einem Team von vier Mitarbeiter*innen, die sich ausschließlich um das Projekt kümmern. Sehr eng arbeiten wir auch mit der hiesigen Naturschutzbehörde zusammen und mit anderen Umweltorganisationen und Projekten, die sich mit Wildlife Crime, also Wildtierkriminalität und Schmuggel, befassen.

Zischup: Was ist der Wert Ihrer Arbeit für die namibische Gesellschaft?
Wittiger: Die namibische Gesellschaft und die namibische Wirtschaft sind sehr vom Tourismus abhängig. Die drittgrößte Einnahmequelle für Namibia ist der Tourismussektor, der wiederum abhängig davon ist, dass Touristen Wildtiere sehen können. Die einen machen Foto-Safari, die andern gehen jagen. Jedoch wird die Wildtierpopulation und die Artenvielfalt durch Wilderei, illegalen Wildtierhandel und den Klimawandel reduziert, wobei man beim Klimawandel nicht so viel machen kann. Gegen Wilderei und den illegalen Tierhandel kann man jedoch Maßnahmen ergreifen. Einerseits ist Wilderei ein großes Problem für die Tiere, andererseits auch für die Bevölkerung, denn wenn Wildtiere sterben, sinken die Einnahmen des Landes. Dadurch gehen auch viele Jobs verloren, denn diese hängen von den Touristen ab. Insofern hilft mein Projekt, diese Einnahmequellen für das Land zu bewahren.

Zischup: Oft reisen Sie innerhalb von Namibia. Was war das Erstaunlichste, das sie bisher gesehen haben?
Wittiger: Die tollste Wildtierbeobachtung bisher war, im Etosha-Nationalpark jagende Geparden zu sehen, eine Mutter mit zwei älteren Kindern. Die Mutter hat wohl ihrem Nachwuchs gerade beigebracht zu jagen.

Zischup: Welche Erkenntnisse, die Sie in Namibia erlangt haben, können wir als Menschheit in den Alltag übernehmen?
Wittiger: Meine Erkenntnis gehört zwar nicht unmittelbar zu meinem Arbeitsbereich dazu, aber tangiert ihn in gewisser Weise. Hier nennt man es den "human wild life conflict", den Konflikt zwischen Wildtieren und Menschen. Dieser entsteht zum Beispiel hier in Namibia dadurch, dass wir eine relativ große Elefantenpopulation haben. Elefanten wandern weite Strecken, die nicht immer nur im Nationalpark liegen, sondern auch in Gebieten der lokalen Bevölkerung. Teilweise zerstören die Elefanten deshalb auch Felder der Menschen. Das ist ein echtes Problem, da die Menschen hier zum Teil sehr arm sind und alles, was sie besitzen, in einem Feld investiert sein kann. Und dann kommt eine Elefantenherde und trampelt das ganze Feld nieder oder frisst die Pflanzen. Das bringt natürlich Konflikte mit sich. Trotzdem leben die Menschen mit diesen Wildtieren zusammen und finden Wege, sie zu tolerieren. Es gibt verschiedene Ansätze, Konflikte zu reduzieren. Beispielsweise bekommen manche Anbauer*innen eine Entschädigung. Es gibt auch verschiedene Maßnahmen, Elefanten abzuhalten, durch ein bestimmtes Gebiet zu gehen, beispielsweise Versuche mit Chilianbau und Bienenstöcken, die die Elefanten nicht ausstehen können. Wenn man das mit Europa vergleicht, sind die Menschen in Namibia schon einiges weiter, die Konflikte mit Wildtieren umweltfreundlich zu reduzieren. Ich finde sehr beeindruckend, dass es hier eine andere Einstellung dazu gibt. Obwohl die Leute eigentlich sehr viel ärmer sind und daher viel abhängiger von einer Ernte oder einem Stück Land.
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