Neuhausen
Southside zeigt: Bluesrock ist angesagt
Bands, die sich durch die Geschichte plündern: Stefan Rother beleuchtet das mit 60.000 Besuchern ausverkaufte Southside-Festival in Neuhausen – und macht erstaunliche Entdeckungen.
Mo, 23. Jun 2014, 0:00 Uhr
Rock & Pop
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Das ist weit entfernt vom heutigen Status der Band mit etlichen Charthits, Auszeichnungen und auch etwas Glamour – Auerbach hat das neue Album vom Popstar der Stunde, Lana del Rey, produziert. Zum Aufstieg der Black Keys hat sicher die Zusammenarbeit mit dem Produzenten Danger Mouse beigetragen, der ihre rohe Kraft in ein cleveres Klanggewand packte. Vor allem können die beiden aber starke Songs schreiben, die selbstbewusst zu ihren Einflüssen stehen.
Zu einem der stärksten Momente ihres Southside-Auftritts zählte dann auch "Little Black Submarine", auch oder gerade weil die Nummer frappierend an Led Zeppelins "Stairway to Heaven" erinnert. So entwickelt sich dieses Stück von einer getragen zur akustischen Gitarre vorgetragenen Ballade zur wilden Hardrocknummer, besitzt aber genügend Eigenständigkeit, um kein Plagiat zu bleiben. Dazu strahlt Auerbach reichlich Rockstar-Aura aus. Bei Konzerten stehen dem Duo zwei Musiker an Bass und elektronischer Orgel zur Seite, die für Retro-Atmosphäre sorgen, sich im Wortsinn im Hintergrund halten – das Schlagzeug des eher introvertierten Hornbrillenträgers Carney steht prominent am vorderen Bühnenrand.
Die Blood Red Shoes beschränken sich auch auf der Bühne auf ihren Duo-Status und kommen allein mit Schlagzeug und Gitarre daher. Dass man auch zu zweit ordentlich Lärm machen kann, haben ja bereits die White Stripes demonstriert, und Laura-Mary Cater und Steven Ansell aus Brighton brachten das Southside-Festivsl ebenfalls zum Vibrieren. Dabei schälen sich aber auch aus ihren Lärmorgien immer wieder gute Songs heraus.
Diesem Rock-durch-Reduktion-Ansatz konnten zwei weitere herausragende Bands auf dem Festival wenig abgewinnen. So starteten Belle and Sebastian, obwohl Freitagnacht als letzter Programmpunkt um 1 Uhr vorgesehen, mit klarer Verspätung, da sie mit dem Sound ihres Auftritts noch nicht zufrieden waren. Die Schotten sind Perfektionisten und bringen Soundmixer ins Schwitzen.
Obwohl seit bald zwei Jahrzehnten im Musikgeschäft umweht die nach einem Kinderbuchklassiker benannte Band immer noch ein Hauch von Geheimnis; auch Fans wissen oft nicht, wie die Musiker aussehen, Interviews werden selten gewährt und ein vor einigen Jahren geplanter Southside-Auftritt wurde abgesagt. Ganz im Kontrast dazu präsentierte sich Frontmann Stuart Murdoch zu später Stunde in Neuhausen gutgelaunt plaudernd. Vor allem aber gewährte die Band einen viel zu kurzen Einblick in ihren fantastischen Musik-Kosmos: Im Kern eine klassische Gitarren-Popband mit starken Folk-Einflüssen zaubern sie mit origineller Instrumentierung, sehnsuchts- und geheimnisvollen Texten daraus eine ganz eigene Mischung. Dabei gelingt ihnen das Kunststück, auch neue Songs auf Anhieb wie ein lange vergessenes Lieblingslied klingen zu lassen.
Dass ihnen der breitenwirksame Erfolg bislang verwehrt blieb, dürfte den auf ihre Eigenwilligkeit pochenden Schotten recht sein. Arcade Fire aus Kanada wollen dagegen beides: einerseits sehr ehrgeizig auf ihren künstlerischen Anspruch pochen, andererseits mit ihrer Musik die Hitparaden erobern und die Stadien füllen. Letzteres gelang ihnen beim Southside-Festival nur bedingt: Vor der Bühne blieb beim Auftritt überraschend viel Platz, wohl weil nebenan der deutsche Teenie-Schwarm Casper seinen Selbstfindungs-Rap feiern ließ. Dem jungen Publikum sei es gegönnt, allerdings verpasste es dadurch den aufwändigsten Auftritt des Festivals. Der drohte zwar anfangs unter den Ambitionen der Band fast erdrückt zu werden, geriet dann aber ebenfalls zu einem bezaubernden Moment. Das Ensemble von Multiinstrumentalisten erschafft sich immer weiter auftürmende Klangwellen, die ihnen aufgrund ihrer Erhabenheit das Prädikat "Sakral-Pop" einbrachten. Auf ihrem aktuellen Erfolgs-Album "Reflektor" zieht es die Musiker aber auch in die Disco, sodass nun auch Einflüsse wie Blondie einer Frischzellenkur unterzogen werden.
Aber spätestens, wenn Sängerin Régine Chassagne sich an gleicher Stelle zunächst eines Skelett-Wesens erwehren muss, war jeder Widerstand zwecklos: Bei aller Ambition scheint Arcade Fire auch der Spaß nicht vergangen zu sein, egal wie viele Zuschauer sie gerade versammeln können.
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