Der Denker, der zum Täter wird
KRIMINALKOMÖDIE: "Irrational Man", der neue Film von Kultregisseur Woody Allen.
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Einige andere wie "Cassandras Dream" (2007) oder "To Rome with Love" (2012) gehen gerade einmal als Fingerübung eines Regisseurs durch, der sich ein rigides, filmemacherisches Fitnessprogramm auferlegt hat. Das gilt auch für den 2015er Jahrgang, in dem Allen mit "Irrational Man" erneut in Form einer Kriminalkomödie die moralischen Unwägbarkeiten des menschlichen Daseins erkundet. Was in "Match Point" zu einer bitterbösen Bilanz führte, verplätschert hier jedoch nur in mehr oder weniger unverbindlicher Nettigkeit.
Als der Philosophie-Professor Abe Lucas (Joaquin Phoenix) seine Stelle an einem Provinz-College auf Rhode Island antritt, eilt ihm sein Ruf als radikaler Denker und berüchtigter Womanizer voraus. Aber der Akademiker steht kurz vor dem intellektuellen Burn-Out, hat seinen Flachmann mit dem Single Malt stets griffbereit und scheint alle Lebensenergie samt Erektionsvermögen verloren zu haben. Dennoch oder gerade deshalb fühlt sich die fleißige Studentin Jill (Emma Stone) von der trägen Eloquenz des Professors angezogen. Der jedoch scheint scheint nur an einer platonischen Freundschaft interessiert zu sein.
Abes Lebensgeister erwachen, als die beiden in einem Restaurant ein Gespräch belauschen, in dem eine Frau von einem böswilligen Richter erzählt, der ihr das Sorgerecht für ihre Kinder entziehen will. Die schreiende Ungerechtigkeit dieser Lebensgeschichte animiert den kriselnden Philosophen zu einer radikalen Tat. Der Mord an dem Richter wird für ihn zum existenzialistischen Akt der Selbstfindung. Natürlich ist eine solche Geschichte für den bekennenden Nihilisten und Freigeist Woody Allen ein Heimspiel. Aber gerade darin liegt auch das Problem von "Irrational Man", der scheinbar lässig philosophische Diskurse anspielt, mit Kant-, Kierkegaard- und Sartre-Zitaten nur so um sich wirft und dennoch in einer selbstverliebten Oberflächlichkeit stecken bleibt. Dabei ist die Grundidee, dem Philosophen in der Midlife-Crisis eine radikale Existenzialismus-Kur zu verschreiben, durchaus originell. Allein es fehlt die komödiantische Vertiefung, wie sie Allen etwa in "Harry außer sich" (1997) betrieben hat.
Dass aus dem Kinobesuch dennoch kein vertaner Abend wird, verdankt "Irrational Man" zum einen den farbenfrohen Bildkompositionen von Kameramann Darius Khondji und zum anderen den entspannt aufspielenden Darstellern. Joaquin Phoenix verleiht seiner Figur einen angenehm trägen Charme und Emma Stone, deren wunderbar raue Stimme mit einem internationalen Synchronisationsverbot belegt werden sollte, gibt Allens liebevoll gedrechselten Dialogen eine spontane Frische, wie es vor langer, langer Zeit Diane Keaton vermocht hat.
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