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Der Finger mit dem Extra-Sinn

  • Do, 14. August 2014
    fudder

     

FUDDER-INTERVIEW: Ein Freiburger Nerd hat sich einen Magneten implantieren lassen und kann elektromagnetische Felder spüren.

fudder Magnetfinger Peter Marquardt  | Foto: Konstantin Görlich
fudder Magnetfinger Peter Marquardt Foto: Konstantin Görlich

Peter Marquardt aus Freiburg ist Webentwickler, Musiker, Nerd, Podcaster – und er hat ein Magnetimplantat im Finger. Damit kann der 31-Jährige elektromagnetische Felder spüren. Wie das ist und wofür das gut ist, darüber hat er mit Fudder-Autor Konstantin Görlich gesprochen.

Fudder: Wofür brauchen sie den Magneten in ihrem Ringfinger?
Marquardt: Ich brauche das überhaupt nicht. Ich habe das gemacht, um die Erfahrung zu haben, wie es ist, einen weiteren Sinn zu haben – ich kann jetzt elektromagnetische Felder spüren. Und ich kann damit ein paar neue Tricks, weil einige ferromagnetische Gegenstände daran haften – Kronkorken zum Beispiel. Die kann ich mit einem Finger vom Tisch aufheben. Es macht auch unheimlich Spaß, mit Büroklammern zu spielen. Und natürlich bin ich einer der Ersten auf der Welt, die so ein Ding haben.

Fudder: Wie fühlt sich ein elektromagnetisches Feld an?
Marquardt: Am ehesten wie eine Vibration, als würde man seinen Finger an eine Lautsprechermembran halten. Der Magnet bewegt sich im Finger hin und her, stärker oder schwächer je nach Stärke und Nähe des Feldes.

Fudder: Wo begegnen ihnen denn elektromagnetische Felder im Alltag?
Marquardt: Natürlich weiß ich, wo ich starke Felder zu erwarten habe. Trafos von Halogenlampen zum Beispiel, oder der Motor eines Tischventilators. Spannend wird es, wenn man ein Feld spürt, mit dem man nicht gerechnet hat. Während ich am Notebook saß, bemerkte ich in meinem Finger ein Zucken an einer Ecke des Trackpads, und verstand dann, dass das die Festplatte ist, die gerade auf Daten zugreift. Das Netzteil des Konferenztelefons in meinem Büro hat auch dann ein unglaublich starkes Magnetfeld, wenn es nicht in Betrieb ist – das verbraucht vermutlich eine Menge Strom. Da wäre ich sonst nie drauf gekommen! Auch die Küchenmaschine meiner Mutter spüre ich aus anderthalb Metern Entfernung.

Fudder: Ist das wirklich wie ein weiterer Sinn?
Marquardt: Anfangs war es so, dass einfach etwas in meinem Finger vibriert. Aber das Gehirn hat immer wieder diese Erfahrung und kategorisiert das irgendwann als neuen Sinn. Früher war es "Oh, eine Vibration! Hey, das muss ein elektromagnetisches Feld sein!", jetzt ist es "Hey, ein magnetisches Feld!"

Fudder: Wie lang haben sie ihren Magneten schon?
Marquardt: Ich habe mir den Magneten vor gut einem Jahr implantieren lassen, nachdem ich mehrere Jahre darüber nachgedacht habe. Auf die Idee kam ich, weil sich die amerikanische Technologiejournalistin Quinn Norton 2006 so ein Ding hat einsetzen lassen und dann im Magazin ’Wired’ einen Artikel drüber veröffentlicht hat. Sowas selbst zu haben habe ich dann aber wieder verworfen, weil sie medizinische Probleme bekam und es die Magnete noch nicht in Deutschland gab. Dann las ich immer wieder von diesen Implantaten und stellte fest, dass es in Deutschland inzwischen Piercingstudios gibt, die das anbieten – und dass die Magneten inzwischen die selbe Ummantelung haben, wie medizinische Implantate. Also hab ich bei meinem Piercer nachgefragt – in der Erwartung, er würde nein sagen. Schließlich gibt es in Deutschland nur eine handvoll Studios, die das machen. Aber hier in Freiburg, bei Visavajara, sagten sie: "Ja klar, machen wir!"

Fudder: Zehn Finger - ein Magnet. Wie haben sie sich ausgesucht, wo der Magnet reinkommt?
Marquardt: Ich hab mir die Außenseite vom Ringfinger der linken Hand ausgesucht, weil man damit recht wenig greift und weil ich Rechtshänder bin. Meine Sorte Magnet ist recht groß, was den Vorteil hat, dass er relativ stark ist, aber auch den Nachteil, dass es mal kurz weh tut, wenn ich Druck darauf bekomme, zum Beispiel wenn ich etwas greife.
Fudder: Hat das Einsetzen weh getan?
Marquardt: Ja klar! Der Piercer darf ja nicht lokal betäuben, man sollte also etwas schmerzresistent sein. Es wird mit einer dicken Nadel von der Hand weg in die Fingerspitze gestochen, ein wenig Fettgewebe entfernt und der Magnet reingedrückt. Der Einstich ist aber sehr klein und verheilt innerhalb einiger Tage.

Fudder: Für so ein Magnetimplantat muss man etwas verrückt sein, oder?
Marquardt: Ja. Ich bin jemand, der gern mal spontan entscheidet, aber grundsätzlich kein risikofreudiger Mensch, gerade wenn es um den eigenen Körper geht. Ich hab vorher wirklich das ganze Internet leergelesen über diese Implantate, und was das so mit sich bringt.

Fudder: Wird das ein Trend?
Marquardt: Es wird zumindest immer einfacher und günstiger: Ich habe insgesamt 200 Euro bezahlt. Ich merke auch am Feedback auf meine YouTube-Videos, dass das Thema an Fahrt gewinnt. Es gibt auch Berufe, in denen so ein Magnet sinnvoll sein kann, zum Beispiel für Elektriker, die dann von außen spüren können, ob irgendwo Strom drauf ist.

Peter Marquart, 31, stammt aus Horb am Neckar und arbeitet als Webentwickler bei einer Freiburger Internetagentur. Auf Twitter ist er als @toastroom aktiv.

Videos von Peters Implantat in Aktion: fudr.fr/magnetimplantat

Ressort: fudder

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 14. August 2014: PDF-Version herunterladen

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