Natur

Die Nosferatuspinne – ein Achtbeiner mit vielen Besonderheiten

Lange Beine, haariger Körper und beißen kann sie auch: Für Spinnenphobiker ist die Nosferatuspinne ein Albtraum. Mittlerweile ist der Zuwanderer über Südbaden hinaus weit verbreitet.  

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Die Nosferatu-Spinne sieht schon ein wenig gruselig aus.  | Foto: IMAGO/fotototo
Die Nosferatu-Spinne sieht schon ein wenig gruselig aus. Foto: IMAGO/fotototo

Es war ein Toilettengang mit Gruseleffekt. Kyung-Sun Park wollte zum Klopapier greifen, als sie auf dem Blatt, das sie gerade abreißen wollte, einen Schatten sah. Eine große Spinne mit langen Beinen saß darauf und hätte Park nicht aufgepasst, wäre sie womöglich von dem Tier gebissen worden. Die Freiburger Klavierlehrerin und Organistin hatte gerade in der Lukaskirche in Freiburg-St. Georgen geübt, als sie die unliebsame Begegnung mit dem Achtbeiner auf der Toilette des dortigen Gemeindesaals hatte. Sie machte ein Foto des Tiers, zeigte es einem Experten und seitdem weiß sie, dass es eine Nosferatuspinne war, die da so unvermittelt auf dem Klopapier saß.

Das, was der Musikerin passiert ist, ist derzeit Alltag. Wenn nicht auf dem Toilettenpapier, dann sitzen Nosferatuspinnen auf Fenstersimsen, sie krabbeln Wände hoch, laufen den Boden entlang. Besonders viele gibt es in Gartenlauben. Nun sind Spinnen in Deutschland allgegenwärtig und sie sind ein wichtiger Bestandteil des Ökosystems. Ohne Spinnen würden wir noch viel mehr Moskitos, Fliegen, Bremsen und anderes Getier haben, das wir eigentlich nicht bei uns haben wollen. Die Uni Basel hat 2017 eine Studie im Fachmagazin Science of Nature veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass die mehr als 45.000 Spinnenarten weltweit 400 bis 800 Millionen Tonnen Beutetiere pro Jahr vertilgen – und dass 90 Prozent davon Insekten seien. Bis zu 1000 Spinnen hielten sich mancherorts auf einem Quadratmeter auf. Das ist beachtlich.

Drei Dinge machen sie zu etwas Besonderem

Nun ragt die Nosferatuspinne dabei aus verschiedenen Gründen heraus. Das liegt zunächst einmal an der schieren Größe. Mit einer Körperlänge von über zwei Zentimetern und einer Gesamtlänge, inklusive der Beine, von über fünf Zentimetern gehört sie zu den größten Spinnenarten, die es in Deutschland gibt. Dennoch ist der braun-melierte Achtbeiner deutlich sichtbarer als Kreuz- oder Hauswinkelspinnen. Das liegt vor allem daran, dass die beiden letztgenannten Arten überwiegend stationär leben.

Die Kreuzspinne etwa baut ihr sehr typisches Spinnennetz, in dem sie fortan auf ihre Beutetiere lauert. Auch die Hauswinkelspinne verharrt meist in einem trichterförmigen Netz in kleinen Spalten oder Maueröffnungen. Die Nosferatuspinne hingegen baut kein Netz. Sie stellt ihren Beutetieren selbst nach, schleicht sich an sie heran und packt dann zu. Das heißt, sie ist viel mobiler als andere Spinnenarten und dadurch sowie aufgrund ihrer Größe auch für den Menschen sichtbarer.

Giftig sind praktisch alle Spinnen in Deutschland, und sie alle können mit ihren Kieferklauen, den sogenannten Cheliceren, auch zubeißen. Nur schaffen die meisten Arten es nicht durch die menschliche Haut. Bei der Nosferatuspinne hingegen ist das anders. Ihre Cheliceren sind so kräftig, dass sie durch die Haut beißen und dabei ein Gift injizieren kann. Das ist in der Regel nicht weiter schlimm. Betroffene sprechen von einem leichten Schmerz, ähnlich einem Wespenstich, sowie einer leichten Schwellung an der Bissstelle, die nach einigen Stunden oder nach spätestens einem Tag wieder von alleine abheilt. Von schwereren Verläufen ist derzeit nichts bekannt. Dennoch ist diese Eigenschaft der Art bemerkenswert. Man sollte tunlichst vermeiden, die Tiere in die Hand zu nehmen.

2022 trat sie plötzlich überall in Deutschland auf

Besonders ist auch das Tempo, mit dem sich die Nosferatuspinnen in Deutschland ausgebreitet haben. Denn Nosferatuspinnen sind Zuwanderer. Im westlichen Mittelmeerraum kennt man sie schon lange. Auch in Russland und China ist sie bekannt. Aber in Deutschland hat man zum ersten Mal 2005 ein Exemplar gefunden. 2022 war dann das Jahr, in dem sie plötzlich, wie aus dem Nichts, überall aufgetreten ist. Und mittlerweile ist sie praktisch flächendeckend aktiv: "Aus unseren Daten sehen wir, dass sie mittlerweile in Deutschland tatsächlich fast überall zu finden ist. Im Norden sogar bis Flensburg. Es gibt aber eine deutliche Dichte der Nachweise im Westen Deutschlands, vor allem entlang des Rheins und noch ein paar Lücken im Nordosten", sagt der Spinnenforscher Hubert Höfer, Leiter des Referats Biowissenschaften und Zoologie am Naturkundemuseum Karlsruhe und Mitglied im Vorstand der Arachnologischen Gesellschaft, dem Dachverband der Spinnenforscher. Die hohe Geschwindigkeit der Ausbreitung hänge mit der Art und Weise zusammen, mit der die Tiere nach Deutschland gekommen seien. Im Gegensatz zu anderen tierischen Zuwanderern wie dem Wolf oder dem Goldschakal seien die Spinnen nicht allmählich zugewandert, sondern als blinde Passagiere auf Schiffscontainern oder in Lkw nach Deutschland eingeschleppt worden. "Sie ist mittlerweile eine häufige einheimische Spinne und das wird sie auch in Zukunft bleiben", ist sich Höfer sicher.

Die Spinne lebt nur ein Jahr

Bleibt die Frage, warum sie gerade in diesen Tagen so häufig zu sehen ist. Viele denken, dass sie, wenn die Tage kälter werden, einfach einen warmen Platz im Inneren von Häusern sucht. Das ist aber nicht ganz richtig. Die wahre Erklärung sei einfacher, betont Höfer. "Derzeit ist sie tatsächlich sehr aktiv. Das liegt daran, dass die einstigen Jungtiere jetzt groß und sichtbar sind und sich fortpflanzen wollen. Wir Spinnenforscher reden von einer herbst- bis winterreifen Art." Sprich: Im Frühling und Frühsommer sind die Tiere noch sehr klein und daher unauffällig. Erst nach mehreren Häutungen im Spätsommer sind sie zu ihrer endgültigen Größe herangewachsen, sind geschlechtsreif geworden und wollen sich fortpflanzen. Und nach der Paarung sterben die Männchen bald, die Weibchen folgen nach der Eiablage. "Wir bezeichnen die Nosferatuspinne als einjährige Spinne, auch wenn die Weibchen auch mal anderthalb Jahre alt werden können. Aber der Lebenszyklus ist innerhalb eines Jahres abgeschlossen."

Was sollte man nun tun, wenn eines der stattlichen Tiere die Wand entlangläuft, ist für Tierschützer klar: "Ein ausreichend großes Gefäß über sie stülpen, einen dünnen Karton zwischen Untergrund und Glas schieben und die Spinne sicher nach draußen befördern", ist die Empfehlung des Experten Robert Pfeifle vom Naturschutzbund Deutschland.

Schlagworte: Hubert Höfer, Robert Pfeifle

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