Der Tag X einer langen Schullaufbahn

Eine Freiburger Abiturientin hat den Tag ihrer Mathe-Abi-Klausur für die JuZ in Tagebuchform festgehalten/ Erfahrungen, die vielen vertraut vorkommen dürften.  

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Eine gewisse Nervosität spürt fast jeder bevor es losgeht. Man sitzt unruhig auf seinem Stuhl, knabbert nervös am Bleistift, hört das eigene Herz laut pochen und blickt, wenn das Blatt endlich vor einem liegt, je nachdem, erfreut auf das Aufgabenblatt - oder ist verzweifelt. Die Nervosität ist nachvollziehbar, gilt das Abitur doch als wichtige Eintrittskarte ins Studenten-und Berufsleben. Ein paar Klausuren können die Zukunftsplanungen junger Menschen entscheidend beeinflussen. In Baden-Württemberg waren dieser Tage wieder Zehntausende dem Abi-Stress ausgesetzt. Klara Wehrle war mittendrin und führte für die JuZ am Tag ihrer Matheklausur Tagebuch.

Dienstagabend, 22:30 Uhr: In zehn Stunden werde ich im obersten Stock meiner Schule sitzen und in den Tiefen meines Gehirns nach zwar gelernten, doch längst wieder vergessenen Formeln kramen. Also Wecker stellen: 5:40 Uhr - der Mensch muss ja hin und wieder auch duschen.

Mittwoch, 4:30 Uhr: Trotz Mathe, wache in dieser Nacht nur ein einziges Mal auf. Andere in meiner Stufe, die nur eine Stunde Nachtruhe finden, hatten es da schlechter erwischt.

5:40 Uhr: Mein Wecker scheint heute besonders quälend schrill zu klingeln, und ich überlege mir, ob ich nicht doch lieber das Duschen auf eine andere Tageszeit verlegen, und stattdessen ein bisschen länger liegen bleiben sollte. Die Reinlichkeit siegt, und so schleppe ich mich schlaftrunken unter die nicht wirklich warm werdende Dusche. Dann schnell noch was gegessen, denn wie meine Biolehrerin immer sagt: "Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages". Danach die Haare trocknen und schon kann ich los. Doch der Föhn spuckt just an diesem Morgen meines Mathe-Abis nur kalte Luft aus, und so stolpere ich mit noch halb nassen Haaren um 6:30 Uhr aus dem Haus.

6:45 Uhr: Ich steige also endlich in den Zug, der mich nach Freiburg bringen soll. Entgegen aller Befürchtungen und schlechten Erwartungen ist er an diesem Tag sogar pünktlich - auf die Minute. Nur darf ich mir jetzt eine halbe Stunde lang einen Kerl anschauen, der schräg gegenüber von mir aufgeregt in seiner Formelsammlung blättert. Diese Möglichkeit habe ich nicht mehr, denn ich musste meine gestern abgeben, damit ich auch ja nicht betrüge.

Im Sekretariat steht ein Karton voller Handys

Bis jetzt hat sich mein Adrenalinspiegel eigentlich brav im Zaum gehalten, und auch Deutsch konnte ich gestern ohne jeden Nervenzusammenbruch überstehen. Doch langsam macht mich der Typ nervös. Also kram ich in meiner Tasche nach den Merkblättern, auf denen zusammengefasst ist, wie ich die Abstände zwischen allen möglichen Dingen berechne. Und während ich so ganz ohne Verstand auf das Papier in meinen Händen starre, steigt in mir die Frage auf, ob ich das, was dort vor meinen Augen auf den Blättern langsam verschwimmt, überhaupt jemals kapiert habe. Nach Fünf Minuten entscheide ich mich, die Zettel wieder wegzupacken - ein Gefühl leichter Unsicherheit hat sich jedoch bereits in meinem Magen festgesetzt.

7:30 Uhr: Ich stehe vor meiner Schule und versuche, meine Aufregung zu besänftigen. Da trudeln meine Mitschülerinnen ein. Schwupps - sind meine "Beruhigungsversuche" verpufft: Nichts ist schlimmer, als kurz vor einer Klausur, über die man selbst nur spekulieren kann, noch Fragen beantworten zu müssen. Da hilft nur schnelles Verkrümeln.

8:00 Uhr: Gang zum Sekretariat, um die Verbindung zur Außenwelt, sprich das Handy, abzugeben. Denn ein Handy, auch wenn es abgestellt ist, zählt im Prüfungszimmer als Betrugsversuch und wird mit nicht bestandenem Abi geahndet. Und so liegt es da mit vielen anderen in einem Karton und wartet darauf, wieder abgeholt zu werden, um dann frohe oder schreckliche Nachricht kundzutun.

8:30 Uhr: Nun sitze ich an meinem Fensterplatz im sechsten Stock und verfolge nervös wie meine Mathelehrerin die Abi-Mappen austeilt. Als ich die Mappe aufklappe und anfange, die Fragen durchzulesen, merke ich, wie so langsam das mathematische Verständnis zurück in meine Gehirnwindungen findet. Wider Erwarten fällt mir ein ums andere ein, wie ich die gestellten Aufgaben zu bearbeiten habe. So rechne und rechne ich, und merke gar nicht wie die Zeit vergeht. Kein Wunder, sie vergeht ja auch nicht. Denn als ich nach abermaligem Durchrechnen den Stift hinlege, um zu signalisieren, "Juhu, ich bin fertig", schaue ich auf die Uhr und kann es nicht fassen: Gemäß den Abi-Bestimmungen hätte ich noch eine Stunde Zeit. Ich überlege und überlege, schaue zehnmal nach, ob ich auch nichts übersehen habe. Aber ich bin fertig.

Also kommt jetzt eine Stunde lang meine Lieblingsaufgabe: Meditieren. Denn wenn einer im Abi rausgeht, darf keiner mehr aufs Klo. Und was für verheerende Folgen das auf einer Mädchenschule hätte, muss ich wohl nicht weiter erläutern. Also Meditieren oder, was auch echt toll ist, Duden lesen. Der liegt nämlich in jeder Abi-Prüfung aus. Auch in Mathe. Und wenn ihr mal Zeit habt, die Buchstaben X und Y sind echt sehr spannend. Da stehen Wörter, von denen ich davor noch nie was gehört hab und von denen ich auch danach wahrscheinlich nichts mehr hören werde.

12:30 Uhr: Erlösung! Endlich geschafft. Zeit, sein Handy abzuholen und mit Muttern zu telefonieren, Zeit, über mögliche Ergebnisse zu diskutieren, (eine Angewohnheit, die ich hasse - von der ich mich aber hin und wieder auch mitreißen lasse) und Zeit, die ersten Sektkorken knallen zu lassen. Denn, selbst wenn wir noch einiges vor uns haben, Mathe ist vorbei und das gehört gefeiert.

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