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Die Party steigt in der Provinz

  • Felice Ziesemer

  • Sa, 26. Mai 2001
    Zisch

     

Kenner der Szene beobachten eine regelrechte "Stadtflucht" der Partygänger - und die großen Discos auf dem Land boomen.

Es ist nicht etwa so, dass die Disco-Gänger aus den Landgemeinden in die City nach Freiburg drängen. Im Gegenteil: immer mehr Disco-Besucher aus der Stadt zieht es in abgelegene Clubs, in die Dörfer und Kleinstädte der "Provinz". Und das trotz all der vielen Angebote - speziell für junge Leute - wie Konzerte und Partys, die hier gleich vor der Haustür stattfinden. Ohne aufwändige Fahrzeiten und zusätzliche Fahrtkosten, versteht sich. Warum viele die Provinz reizvoller finden? Hier der Versuch einer Ursachenforschung im "Universal Dog" in Lahr.

Samstagabend im "Universal Dog/Mantis Club": der Treffpunkt für Partyfanatiker, Discobesucher und ungezählte Individualisten der Stadt - und zahlreicher anderer Städte der näheren und weiteren Umgebung dazu. Hier treffen sich jedes Wochenende oft tausende von Leuten, die nur eins im Sinn haben: so richtig Party machen, Freunde treffen und sich von einer stressigen Woche erholen. Warum hier und nicht in Freiburg? Was macht überhaupt eine gute Atmosphäre in einer Disco aus? Die Location, die Leute, die Musik? Dennis, 19-jähriger Azubi aus Freiburg, findet das "Dog" die "einzig gescheite Disco in der Umgebung". Seit einem Jahr fährt er fast jedes Wochenende zum Partymachen nach Lahr. "Obwohl dieser Club in der Provinz liegt", sagt Dennis, "zieht er massenhaft Leute an - von überall her, sogar aus Frankreich." Und jedesmal die weite Strecke fahren? Das ist es ihm wert, meint er ohne Zögern.

Die Discos und Clubs "vor der Haustür" sind für ihn bestenfalls mal eine Notlösung, eine magere Alternative. Warum? Ganz einfach: Sie haben nicht so lange auf. In den Clubs auf der grünen Wiese geht der Discobetrieb länger, manchmal bis in den Mittag vom nächsten Tag hinein. "Der Partyspaß ist hier sozusagen unbegrenzt", erklärt Robert, 18 Jahre und Schüler, der aus Freiburg ins "Dog" fährt. Ihn zieht auch die spezielle Musik her: "In den Discotheken in der Stadt gibt es so viel "Standard". Im "Dog" legen oft wahre DJ-Legenden auf."

Für den 20-jährigen John, Freiburger Zivildienstleistender, liegt der Vorteil der entlegeneren Disco woanders. "In Freiburg findet man sehr gut gestaltete Discotheken, die weder kalt noch unangenehm auf mich wirken", so John. Und doch sei das nicht alles. "Meine Ansprüche liegen nun mal nicht allein im Styling, in der Aufmachung, sondern vor allem in der Atmosphäre." Und die, findet John, wird von den Partygängern gemacht. Keine Frage, wo für John die Stimmung stimmt.

"Eigentlich sollte man zum Partymachen eher in seinem Umkreis bleiben." Carmen, 18 Jahre (Partygängerin)

Nicht anders geht es Nadja, 21 Jahre und Bürokauffrau in Emmendingen: "Ja, er sagt es! Es ist echt selten das man hier blöd angemacht wird. Und wenn man neue Leute kennen lernen will, ist man hier genau richtig. Teilweise fühl ich mich hier wie in einer Familie. Wenn man öfter herkommt, trifft man die alten Freunde wieder." Kann man das denn in Freiburg nicht erleben? "Nein, da sind in den Clubs einfach mehr Jugendliche und Erwachsene, die provozieren. Und hier oder in den anderen Discotheken in der "Provinz" sind eben mehr Menschen, die Party suchen, Spaß haben und Freunde treffen wollen." Nicht ganz so eindeutig ist Carmens erste Wahl. Die 18-jährige Realschülerin aus Freiburg findet, dass das "Dog" in Sachen Musikstile wesentlich mehr zu bieten hat: "Außer Techno gibt es hier auch viel Hip-Hop und Metal." Weniger gut gefällt ihr die lange Anfahrt und auch die Mehrkosten dafür: "Eigentlich sollte man zum Partymachen besser in seinem Umkreis bleiben." Deshalb findet man Carmen auch häufiger in Freiburger Discos und Clubs.

Nur dann nämlich erübrigt sich auch die leidige Absprache "wer fährt?". Für Johannes, 22 Jahre, aus Freiburg, ist das allerdings kein Problem. Nicht immer der, dem das Auto gehört, muss auf Alkohol verzichten. "Wir wechseln uns eigentlich immer ab, jeder kommt mal dran", sagt Johannes. Und die Benzinkosten? Auch das ist kein Problem, wenn einfach jeder einen kleinen Schein beisteuert. Keine Chance also für die städtischen Discos? Doch, immer! Und es bleibt natürlich auch zu hoffen, dass die große Konkurrenz in der Provinz nicht alles aus der Stadt abzieht, sondern im Gegenteil dazu beiträgt, dass die Clubs in der Stadt eher noch zulegen.

Ressort: Zisch

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 26. Mai 2001: PDF-Version herunterladen

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