NBA-Finals

Dirk Nowitzki: Der Geradlinige

Er hat manchen Tiefschlag verdaut – nun rückt der Titel in Reichweite: Dirk Nowitzki hat mit den Dallas Mavericks die Chance, die Krone der NBA zu gewinnen. Ein Porträt.  

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Manchmal wohnt den kleinen Dingen des Lebens ganz Großes inne. Während sich Dirk Nowitzki, das 2,13 Meter große Über-Ich des deutschen Basketballs, in der Nordamerikanischen Profiliga (NBA) in den Playoffs abrackert, tritt in seiner Heimatstadt Würzburg die dortige Turngemeinde (TG) in der Tennis-Kreisklasse gegen den TSV Kleinrinderfeld an. Auf der Meldeliste der TG steht, an Position Eins geführt, der Name Dirk Nowitzki. Gegen Kleinrinderfeld kommt der Korbjäger, der ehemals unterfränkischer Jugendmeister im Tennis war, noch nicht zum Einsatz. Wenn aber die am Dienstag beginnende NBA-Playoff-Finalserie zwischen den Dallas Mavericks um ihren deutschen Star Nowitzki und Miami Heat Mitte Juni vorbei ist, wird Europas bester Basketballer wohl nach Würzburg fliegen und tatsächlich für die Turngemeinde in der Kreisklasse zum Schläger greifen.

Die Episode vom Tennisplatz zeigt zwei Dinge: dass der fast 33 Jahre alte Basketballer aus Würzburg ein sehr bodenständiger Mensch geblieben ist; und dass er auch ohne den übertriebenen Glanz der nordamerikanischen Sportwelt ganz gut auskommen kann.

Fast zwölfeinhalb Jahre sind vergangen, seit Dirk Nowitzki sein letztes Bundesligaspiel für die DJK Würzburg absolvierte – in Freiburg. Er führte als 20-Jähriger sein Team zu einem 78 :77-Sieg. Danach schrieb er etliche Autogramme, trottete Richtung Kabinengang der Sepp-Glaser-Halle im neuen Stadtteil Rieselfeld, wischte sich mit einem Handtuch den Schweiß aus dem Gesicht und stützte sich mit den Armen auf einen Schwebebalken, der dort ziemlich verloren in der Ecke stand.

Nowitzki hatte sich zu einem Interview verabredet und fragte höflich, ob er vorher noch duschen dürfe. Durfte er. Danach kam er in Badelatschen aus der Kabine, stützte sich wieder auf dem Schwebebalken ab und beantwortete ohne Hast Frage für Frage. "Die Bundesliga ist nicht so toll, wie sich das alle einreden", sagte er. Respektvoll sprach er hingegen über den damals einzigen deutschen Star in der NBA, Detlef Schrempf: "Er hat seit mehr als zehn Jahren gezeigt, was er kann." Dann fragte Nowitzki sich selbst und ziemlich nachdenklich: "Und was habe ich vorzuweisen? Nichts. Gar nichts."

Das hat sich binnen zwölfeinhalb Jahren gründlich geändert. "Die einzige Grenze für Nowitzki ist der Himmel", beschrieb NBA-Legende Carl Malone schon 2001 den Deutschen. Nowitzkis Stärke ist seine unglaubliche Vielseitigkeit: stark in Eins-gegen-Eins-Duellen, dank seiner Größe unterm Korb eine Macht, wegen seiner ruhigen Hand einer der besten Freiwerfer der Liga. Inzwischen hat Nowitzki Preise und Ehrungen zuhauf erhalten. Er war 2007 als erster Europäer der beste NBA-Spieler der regulären Saison (ohne Playoffs), er ist regelmäßig ins All-Star-Team gewählt worden, er übertraf im Januar 2010 die Schallmauer von 20 000 Punkten. Der Würzburger trägt den Hauptanteil daran, dass sein erstarktes Team aus Texas erstmals seit 2006 wieder im NBA-Finale steht.
"Er wirkt gereift und bereit
für den letzten Schritt."

Dirk Bauermann, Bundestrainer
Aber ein Makel begleitet den Deutschen. Er hat diesen NBA-Titel noch nicht gewonnen, bei dem sich die Spieler einen dicken Ring über den Finger stülpen dürfen und danach Zigarren rauchen bis sie stinken. 2006 gab es – ebenfalls gegen Miami – nach zwei Siegen vier Niederlagen in Folge. Die Sieger waren nicht Nowitzki und Co., sondern Dwayne Wade und der fast drei Zentner schwere glamouröse Center Shaquille O’Neal.

Verglichen mit O’Neal passt Dirk Nowitzki gar nicht in die NBA. Denn diese wird geprägt von Sportlern, die sich im Laufe ihrer Karriere zu Selbstdarstellern, Egoisten und Angebern entwickelt haben. Für viele NBA-Spieler gehören Drogen, das Protzen mit dem erlangten Reichtum, wilde Partys und Affären zum Alltag. Nach Recherchen der US-Zeitschrift Sports Illustrated bringt es rechnerisch jeder der rund 300 NBA-Profis auf ein außereheliches Kind – was die Klubs meist dann mitbekommen, wenn der Streit um Unterhaltszahlungen einsetzt.

Dirk Nowitzki taucht in dieser Statistik, die das Nachrichtenmagazin Spiegel einmal als "Krieg der Machos" bezeichnete, nicht auf. Im Gegenteil: Er wurde gar als Opfer einer Betrügerin ausgemacht, die anschließend wegen Verstoßes gegen die Bewährungsauflagen zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde.

Im Sommer 2009 war der deutsche Basketballer durch die Beziehung zu einer Frau in die Schlagzeilen geraten. Er wollte seine Verlobte Crystal Ann Taylor eigentlich heiraten, als sich herausstellte, dass er einer vorbestraften Schwindlerin aufgesessen war. Auch erwiesen sich Berichte als falsch, wonach sie ein Kind von ihm erwarte.

Für Dirk Nowitzki war das Ende dieser Beziehung die größte persönliche Niederlage. Und er reagierte, wie er auch bei sportlichen Tiefschlägen reagiert. Er zog sich für eine Weile in sein Schneckenhaus zurück, er überdachte die ganze Geschichte – und nach einigen Wochen sagte er, dass er die Enttäuschung weggesteckt habe, und dass er sich in seine Arbeit stürzen wolle.

Wie in Jugendtagen stand er mit seinem Entdecker und Mentor Holger Geschwindner in der Trainingshalle. Unweit seines 90-Quadratmeter-Appartements in Dallas versuchte er die Schwächen zu beseitigen und die Stärken zu festigen. Er hätte nun aus seinem Vertrag, der ihm im zuletzt jährlich 15,2 Millionen Euro gebracht hat, aussteigen können. Doch einmal mehr entschied sich Nowitzki für Kontinuität. Er verließ Dallas nicht, sondern unterschrieb einen neuen Vierjahresvertrag. Er schlug einen besonderen Deal aus und verzichtete freiwillig auf etwa elf Millionen Euro. Als Gegenleistung wurde vereinbart, dass das dadurch gesparte Geld für Neuzugänge verwendet wird.

Es scheint sich gelohnt zu haben. Die Dallas Mavericks, mit einem Schnitt von knapp 32 Jahren das älteste Team der Liga, stehen in der Finalserie. Mit 28,4 Punkten im Durchschnitt war Nowitzki bisher der überragende Playoff-Spieler der Mavericks dieser Runde. Im Conference-Finale gegen Oklahoma brachte er es sogar auf 32,2 Zähler. Nowitzki versenkte den Ball, verteilte den Ball und übernahm in entscheidenden Situationen das Kommando. "Besser kann man nicht sein. Er spielt auf einem Level, bei dem es aus meiner Sicht keine Steigerung mehr gibt", sagt Bundestrainer Dirk Bauermann über seinen Spitzenmann.

Es ist vielleicht Nowitzkis letzte Chance auf den NBA-Titel. "Ich bin fast 33 Jahre. Ein alter Mann eben", sagte er jüngst dem Magazin Stern. "Auf einmal tun dir morgens beim Aufstehen die Knochen weh, und dann weißt du: Aha, von nun an geht die Fahrt rückwärts."

Dirk Nowitzki steht im Herbst seiner Basketball-Karriere. Gewinnt er den NBA-Titel, ist er am Ziel seiner Träume. Holt er ihn dieses Jahr nicht, gewinnt er ihn wahrscheinlich nie mehr. Vielleicht ist er dann bald Stammspieler der TG Würzburg in den Tennis-Duellen gegen den TSV Kleinrinderfeld. Denn manchmal wohnt den kleinen Dingen des Lebens ganz Großes inne – besonders, wenn man die großen Dinge des Lebens schon erfahren hat.

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