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"Eine besondere, himmlische Welt"

  • Mathilda Pottini, Klasse F5, Clara-Grunwald-Schule (Freiburg)

  • Fr, 26. März 2021
    Zisch-Texte

ZISCH-INTERVIEW mit dem Akkordeonspieler und -lehrer Jörg Reinhardt über sein Instrument und die Faszination der Musik.

Als hätte man eine Band dabei: Akkordeonspieler Jörg Reinhardt   | Foto: Anke Nevermann
Als hätte man eine Band dabei: Akkordeonspieler Jörg Reinhardt Foto: Anke Nevermann

Jörg Reinhardt ist Akkordeonlehrer, Leiter der Trachtenakkordeongruppe Breitnau, Mitglied der Holst-Sinfonietta in Freiburg, Akkordeonist bei der Klezmerband "Die Haiducken" und hat hier in Freiburg an der Musikhochschule erfolgreich seinen Masterabschluss im Fach Akkordeon abgelegt. Zisch-Reporterin Mathilda Pottini aus der Klasse F5 der Clara-Grunwald-Schule in Freiburg hat ihn interviewt.

Zisch: Können Sie sich an den Moment erinnern, als Sie wussten, dass das Akkordeon Ihr Instrument ist?
Reinhardt: Mein Opa hat Akkordeon gespielt, und als ich klein war, hat er mich seines manchmal ausprobieren lassen. Deshalb war das Akkordeon das Instrument, das ich am besten kannte. Als ich dann in die Musikschule ging, habe ich mich logischerweise für das Akkordeon entschieden. In der Kindergartenzeit fand ich außerdem Volksmusik toll, und da gibt es das Instrument ja auch öfters.

Zisch: Wann haben Sie angefangen, Akkordeon zu spielen, und wie wurden Sie Berufsmusiker?
Reinhardt: Ich habe mit sechs Jahren angefangen. Mit zehn Jahren habe ich, durch meinen Lehrer angeregt, ein spezielles Knopfakkordeon bekommen, bei dem man auch mit der linken Hand Melodien spielen kann. So eines spiele ich bis heute, das ist vor allem gut, um klassische Musik zu spielen. Besonders die Orgelmusik von Johann Sebastian Bach, die mein Lehrer auf seinem Akkordeon spielen konnte, fand ich faszinierend, das wollte ich dann auch können. Da habe ich zum ersten Mal mehr geübt, als ich musste, und schnell gemerkt, dass man eigentlich alles spielen kann, wenn man nur genug übt. Mit 14 Jahren kam ich in eine Förderklasse für begabte Schüler an der Stuttgarter Musikschule, wo ich zusätzlich Unterricht in Musiktheorie und Gehörbildung bekam und auch regelmäßige Auftritte hatte. Von 2009 bis 2016 habe ich dann Akkordeon und Musikpädagogik an der Musikhochschule Freiburg studiert.

Zisch: Haben Sie auch bei "Jugend musiziert" mitgemacht und würden Sie das Ihren Schülern und Schülerinnen empfehlen?
Reinhardt: Ja, habe ich, 2007 habe ich auf Bundesebene sogar einen ersten Preis bekommen. Bisher habe ich noch keinem Schüler von mir empfohlen, da mitzumachen, würde es aber auf jeden Fall tun, wenn ich das Gefühl hätte, dass es denjenigen oder diejenige weiterbringen würde. Es ist aber sicher nicht für jeden was, man muss viel üben und über einen langen Zeitraum die gleichen Stücke spielen.

Zisch: Wann haben Sie Ihr erstes Solokonzert gegeben und wie war das?
Reinhardt: Da war ich 15, das war in der Kreissparkasse Reutlingen vor etwa 200 Leuten, da habe ich eine Stunde auswendig solo gespielt. Ich war schon Wochen davor furchtbar nervös, und am Anfang natürlich auch auf der Bühne, aber das legt sich Gott sei Dank bei so einem langen Auftritt nach einigen Minuten. Genießen konnte ich das trotzdem nicht, ich war erst glücklich, als es vorbei war und die Leute applaudiert haben.

Zisch: Viele Leute denken beim Akkordeon an Volksmusik. Sie spielen aber vor allem klassische Stücke. Braucht man dafür ein besonderes Akkordeon?
Reinhardt: Das stimmt nicht ganz, mittlerweile spiele ich alles Mögliche, nicht nur Klassik. Um klassische Musik spielen zu können, ist es hilfreich, wenn man ein Akkordeon mit einem sogenannten Melodiebass hat, mit dem man auch auf der linken Seite einzelne Töne spielen kann. Normalerweise hat man da nämlich nur tiefe Basstöne und Akkordknöpfe, bei denen die Tonbelegung schon vorgegeben ist. Das macht es zwar leichter zu erlernen, ist aber dafür unflexibler.

Zisch: Mit wem würden Sie gerne einmal auftreten und auf welcher großen Bühne würden Sie gerne ein Konzert geben?
Reinhardt: Da habe ich keine konkreten Träume. Ich habe aber seit letztem Mai meine coronabedingte Freizeit genutzt um mir das Orgelspielen beizubringen, und es gibt eine berühmte Orgel in der Kirche St. Sulpice in Paris. Auf der würde ich gern spielen! Oder, da ich gerne auch elektronische Musik höre, in einem Techno-Crossover-Projekt auf dem Fusion-Festival in Mecklenburg-Vorpommern.

Zisch: Wegen Corona geben Sie derzeit Fernunterricht. Was gefällt Ihnen daran und was nicht?

Reinhardt: Mir gefällt, dass ich nicht mehr so viel Zeit im Stadtverkehr verliere auf dem Weg zu meinen Schülern. Nicht schön ist die oft schlechte Klangqualität bei Videotelefonaten, und dass man nicht zusammen musizieren kann.

Zisch: Da wegen der Pandemie Musiker nicht mehr auftreten dürfen, haben plötzlich viele Künstler ihre Musik kostenlos ins Netz gestellt. Wie finden Sie das?
Reinhardt: Ich finde, jeder Künstler darf seine Musik verwalten, wie er mag, und wenn er sie verschenken möchte, kann ich das genauso gut verstehen, wie wenn er damit Geld verdienen möchte. Für die Hörer ist es aber natürlich toll, wenn sie die Sachen kostenlos abrufen können.

Zisch: Warum ist die Musik wichtig und was bedeutet sie Ihnen?
Reinhardt: Musik ermöglicht es vielen Menschen, einzigartige und vor allem angenehme Emotionen zu erleben. Sie ist sehr individuell, jeder Mensch erlebt sie ein bisschen anders, und gleichzeitig kann sie riesige Gruppen von Menschen vereinen, zum Beispiel auf einem großen Konzert. Sie spricht direkt unsere Gefühle an und intensiviert sie. Das kann man an vielen Orten gebrauchen – im Film, in der Kirche, in der Werbung, auf Partys oder als Trost, wenn es einem schlecht geht. Musik kann sich so tief im Gedächtnis festsetzen, dass nicht einmal Krankheiten wie Alzheimer oder Demenz sie löschen können . Auf mich hat Musik schon von frühester Kindheit an eine magische Anziehungskraft ausgeübt. Wenn ich schöne Musik höre, fühle ich mich wie die Motte, die unbedingt zum Licht will. Dann vergesse ich alles andere und bin in einer besonderen, himmlischen Welt.

Zisch: Was sind drei gute Gründe, um Akkordeon zu lernen?

Reinhardt: Es ist ein Instrument, das viele Töne gleichzeitig spielen kann. So braucht man niemanden, der einen begleitet, man kann sich nämlich selbst begleiten. So als hätte ein Sänger seine Band immer im Reisekoffer dabei. Man kann es überall mit hinnehmen. Und man kann fast jeden Musikstil darauf spielen.

Weitere Infos über Jörg Reinhardt auf http://www.akkordeon-freiburg.de.

Ressort: Zisch-Texte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 26. März 2021: PDF-Version herunterladen

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