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Gastbeitrag

Erzbischof Burger über die Weihnachtsbotschaft: Was ist der Mensch?

Stephan Burger
  • Sa, 24. Dezember 2022, 14:00 Uhr
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Weihnachten zeigt uns, was der Mensch ist: Kind Gottes! Von Gott wie ein Kind getragen zu sein, macht Mut und gibt Hoffnung, an dieser Welt nicht zu verzweifeln, schreibt Erzbischof Stephan Burger.

„Im Kind in der Krippe begegnet ...gemacht hat“, so Stephan Burger.  | Foto: Martin Hau
„Im Kind in der Krippe begegnet uns kein Geringerer als der, der uns in seiner Liebe beziehungsfähig gemacht hat“, so Stephan Burger. Foto: Martin Hau
Was ist der Mensch? Wikipedia behauptet: Ein Lebewesen, aus der Familie der Säugetiere, durch besondere Eigenschaften ausgezeichnet: aufrechter Gang, Sprache, Erfindertum, Vorausdenken und Nachahmung. Schön und gut. Aber ist das alles? Vielleicht geht es Ihnen so wie mir und Sie denken: Der Mensch ist doch so viel mehr. Die Definition wirkt leer, formelhaft, ja fast unmenschlich.



"Was ist der Mensch?" Philosophen haben sich das immer wieder gefragt. Biologen, Anthropologen, Soziologen und Pädagogen haben mit der Frage gerungen. Antworten gibt es somit viele – und keine, die mich zufriedenstellt.

Wenn wir in unsere Welt blicken, sehen wir, dass die Antwort auf diese Frage allzu oft mit der Frage nach Macht, Einfluss und der Deutungshoheit über unser Menschsein gekoppelt ist. Mit dem Streben, sich als Mensch und Menschheit selbst eine Antwort zu geben, neigen wir zu Allmachtsfantasien, denen das Menschliche fehlt. Wir verirren uns in Superlativen: Der Mensch als Herrscher, Krone der Schöpfung. Diese Sicht hat die Welt und die Menschheit allzu oft malträtiert.

Weihnachten zeigt uns, was der Mensch ist: Kind Gottes!

Aus meinem Glauben heraus muss sich der Blick des Menschen weiten, weil der Mensch sich nicht selbst verdankt. Gerade an Weihnachten werden wir darauf hingewiesen. Denn im Kind in der Krippe begegnet uns kein Geringerer als der, der uns in seiner Liebe beziehungsfähig gemacht hat.

Gott verschenkt sich an uns Menschen vorbehaltlos aus reiner Liebe. Und er will nichts anderes, als dass wir Menschen auf diese seine Liebe antworten, indem wir diese Liebe annehmen und in ihr unser Leben in Gemeinschaft mit Gott und dem Nächsten gestalten. Damit ist umschrieben, was im Prolog des Johannes-Evangeliums mit den Worten festgehalten ist: "Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden." (Joh 1,12).



Weihnachten zeigt uns, was der Mensch ist: Kind Gottes! Und so wie wir Menschen uns der Anziehungskraft eines Neugeborenen nicht entziehen können, so wie wir ihm Schutz, Geborgenheit, Wärme und Liebe entgegenbringen, so nimmt Gott in der Menschwerdung seines Sohnes unser Menschsein an, hebt uns in seine Liebe hinein. Das ändert nicht die Umstände der Geburt, die armseligen Verhältnisse im Stall, die Dunkelheit.

"Von Gott selbst wie ein Kind gehalten und getragen zu sein, macht Mut und gibt Hoffnung, an dieser Welt und am Mitmenschen nicht zu verzweifeln."

Das verhindert nicht, dass es Unsicherheit und Ängste, Ungerechtigkeit und menschenverachtendes Verhalten, Depression, Krankheit, ja Tod und Trauer gibt. Dies alles erfahren wir derzeit sehr direkt: auch in Europa, in der Ukraine und in vielen anderen Ländern. Aber von Gott selbst wie ein Kind gehalten und getragen zu sein, macht Mut und gibt Hoffnung, an dieser Welt und am Mitmenschen nicht zu verzweifeln. Ich muss mich mit dem Bösen in der Welt nicht abfinden. Im Gegenteil, getragen von Gott erwächst mir die Kraft, dagegen anzugehen, Leid und Not den Kampf anzusagen.



Wenn Gott mir als Mensch eine Chance gibt, wenn er sie meinem Mitmenschen gibt, dann habe ich keinen Grund mehr, dem Mitmenschen die Chance zu verweigern, gemeinsam Kinder Gottes zu sein. Gott ermutigt mich geradezu, seine Liebe zu leben, durch diese gelebte Liebe immer mehr zum eigentlichen Menschsein heranzureifen, immer mehr über alles biologische und soziologische Verständnis hinaus Mensch zu werden.



Gott bestärkt mich darin, die Mitmenschlichkeit und die Sehnsucht nach ihm zu leben. Ja, darin drückt sich unsere Gottebenbildlichkeit, unsere Gotteskindschaft aus. Dafür braucht es weder menschliche Allmacht noch Imperium. Dafür steht seit über 2000 Jahren eine kleine Krippe mit diesem Jesuskind. Das ist Gottes weihnachtliche Antwort auf die Frage "Was ist der Mensch?".
Der Autor ist Erzbischof von Freiburg und Vorsitzender der Caritaskommission der Deutschen Bischofskonferenz.

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