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"Es geht nur noch ums Essen und um Kalorien"

  • Mathilda Held, Klasse Sg8b, GHSE (Emmendingen)

  • Fr, 28. April 2023
    Schülertexte

     

Essstörungen werden häufig als reine Mädchensache gesehen. Doch es gibt auch immer mehr Jungen, die betroffen sind.

Janna Germs  | Foto: PRivat
Janna Germs Foto: PRivat
Bei der Essstörung werden drei Hauptformen unterschieden. Darunter sind die Anorexie (Magersucht), die Bulimie (Ess-Brech-Sucht) und die Binge-Eating-Störung (regelmäßige Essanfälle ohne gewichtsregulierende Maßnahmen). Eine Essstörung kann verschiedene Ursachen haben. Meine Interviewpartnerin, die Psychologin Janna Germs, meinte, einige Hintergründe könnten zum Beispiel Social Media sein. Die Jugendlichen bekommen durch die Medien ein Idealbild ihres Körpers und wollen dieses aufrechterhalten. Was auch eine Rolle spielt, ist die Familie – und die Frage, wie die Eltern mit ihrem Körper umgehen. Auch innerfamiliäre Probleme können dazu führen, dass Jugendliche diese Sorgen und Probleme mit verstärktem Essen oder einer extremen Nahrungsreduktion kompensieren.

Eine weitere Ursache verstärkt auftretender Essstörungen kann mit den Coronamaßnahmen in Verbindung gebracht werden. Nicht nur, weil die Kinder während der Pandemie mehr Zeit auf Social Media verbracht haben, sondern auch, weil ihr soziales Umfeld durch den Lockdown stark reduziert wurde. Auch hormonelle Veränderungen können eine Ursache sein. So spielt beispielsweise Ghrelin, ein Hormon, das appetitanregend wirkt, eine Rolle bei der Krankheitsentwicklung.

Essstörungen gelten nach wie vor als typische Frauenkrankheit. Tatsächlich jedoch sind auch immer mehr Männer davon betroffen. Von 1000 Männern erkranken durchschnittlich 18 an einer Essstörung, bei Frauen durchschnittlich 61 von 1000. Man muss aber auch beachten, dass Männer sich häufig nicht zu ihrer Essstörung äußern.

Die Krankheitszeichen bei Jungen und Männern sind ähnlich denen von Mädchen und Frauen. Ihre Gedanken kreisen ebenso vornehmlich um das Aussehen und die Figur und auch sie leiden beispielsweise häufig zusätzlich unter einer Depression, Angststörung oder Suchterkrankung. Zudem werden Essstörungen bei Männern erst spät diagnostiziert und therapiert. Angehörige und Ärzte übersehen die Krankheit oft, da Essstörungen eben als spezifisch weiblich angesehen werden. Essstörungen sind bei Männern nach wie vor eine Randerscheinung, auf die zu wenig eingegangen wird. Nur wenige Männer haben eine Krankheitseinsicht. Ein möglicher Grund dafür ist, dass sie sich unmännlich fühlen, weil Essstörungen als weiblich angesehen werden.

Das folgende Interview habe ich mit der Psychologin Janna Germs geführt:

Zischup: Was ist das Durchschnittsalter bei einer Essstörung?

Garms: Das ist sehr verschieden, grob kann man sagen, ab etwa zwölf bis 13 Jahren bis ins junge Erwachsenenalter. Bei Sportlerinnen und Sportlern oft deutlich länger. Zum Beispiel müssen Jockeys während ihrer gesamten Karriere penibel auf ihr Gewicht achten. Wiegen sie vor ihrem Rennen zu viel, müssen sie ein Strafgeld bezahlen oder werden vom Rennen ausgeschlossen.

Zischup: Wie können Familie und Freunde eine Essstörung erkennen?

Garms: Im ersten Schritt an der Gewichtsabnahme der betroffenen Person. Oft werden zuerst Süßigkeiten weggelassen. Man merkt, die Gedanken der Person drehen sich viel ums Essen. Es dreht sich viel ums Einsparen von Kalorien. Es geht nicht mehr um Hunger und Sättigungsgefühl. Viele Betroffene machen auch extrem viel Sport. Sie ziehen sich oft zurück, sind schlecht gelaunt und gereizt. Die Bulimie erkennt man am Erbrechen, allerdings bekommen Angehörige lange nichts davon mit.

Zischup: Warum schämen sich so viele und vor allem Männer für ihre Essstörung?

Garms: Viele Jugendliche fühlen sich nicht verstanden. Sie wollen mit ihrer Essstörung wahrgenommen und nicht verurteilt werden. Zudem ist das Thema Essstörung in unserer Gesellschaft leider oft noch ein Tabu, vor allem die Essstörungen bei Jungen und Männern finden nur wenig Beachtung. Viele Jungen und Männer schämen sich häufig auch, weil Essstörungen nach wie vor als typisch weiblich gelten.

Zischup: Welche Folgen können mit einer Essstörung einhergehen?

Garms: Kaputte Zähne, ausfallende Haare oder schlechte Nägel sind häufige Begleiterscheinungen von Essstörungen. Viele können sich auch kaum konzentrieren und schlafen schlecht. Die Betroffenen zeigen zudem vielfach ein vermindertes Selbstwertgefühl, besitzen kein intaktes Selbstbild mehr. Auch kann die Krankheit mit Depressionen, sozialem Rückzug und sogar Suizidgedanken einhergehen.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 28. April 2023: PDF-Version herunterladen

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