"Es gibt auch Abhängige unter 15"

ZISCHUP-INTERVIEW mit dem Allgemeinmediziner Friedrich Feldmeier über Drogen im Grenzgebiet zu Tschechien.  

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Schönsee ist eine Stadt im Oberpfälzer Wald und liegt nahe der Grenze zu Tschechien. Dort hat der Arzt Friedrich Feldmeier seine Praxis. Jakob Schindler, Schüler der Klasse 9a des Lörracher Hebelgymnasiums, hat mit ihm über den Drogenkonsum im Grenzgebiet gesprochen.

Zischup: Sie haben eine Landarztpraxis im nahen Grenzgebiet zu Tschechien. Laut Presseberichten ist die tschechische Grenzseite ein gängiger Umschlagplatz für Amphetamine, insbesondere für Crystal Meth. Bemerken Sie auch hier im Grenzgebiet eine Zunahme von Drogenabhängigen?
Feldmeier: Vielleicht ist unser Ort hier doch zu klein, aber von einer Zunahme können wir hier nichts bemerken. Nichtsdestotrotz existiert das Problem natürlich seit einigen Jahren in unveränderter Intensität.

Zischup: Was unternehmen Sie als Landarzt, wenn ein drogenabhängiger Patient zu Ihnen in die Praxis kommt?
Feldmeier: Als erstes muss man dazu sagen, dass es schon ein guter Schritt ist, wenn jemand wegen seiner Drogenabhängigkeit in eine Arztpraxis kommt. Das bedeutet ja, dass er sich seines Problems bewusst ist und Hilfe sucht. Oft genug sehen Drogenkonsumenten ihren Rauschmittelkonsum ja nicht als Problem oder verharmlosen ihn. Wenn also jemand kommt, dann haben wir die Möglichkeit, ihm oder ihr eine Entgiftung unter stationären Bedingungen anzubieten und ihm anschließend zu helfen, in eine längerfristige Entziehungsmaßnahme zu kommen. Wenn die Motivation des Betroffenen da ist, und er einen Freundeskreis außerhalb des Drogenmilieus findet, dann sind die Chancen gar nicht so schlecht. Weniger gut sind die Chancen erfahrungsgemäß leider bei denen, die man zum Entzug überredet, oder die das gezwungenermaßen tun, weil sie sonst etwa ins Gefängnis müssten.

Zischup: Und was tun Sie, wenn ein Patient zu Ihnen wegen einer anderen Erkrankung kommt, und Sie stellen bei der Untersuchung fest, dass er Drogen nimmt?
Feldmeier: Patienten, die wegen anderer Dinge kommen, bei denen wir aber eine Drogenabhängigkeit vermuten, sprechen wir in der Regel vorsichtig, das heißt unaufdringlich, darauf an, dass es da wohl auch ein Drogenproblem gibt. Dann sieht man schon, dass manche froh sind, dass das Thema angeschnitten wird, und sie darüber reden können. Bei anderen merkt man dann aber auch deutlich eine Abschottung, und die Sache mit den Drogen wird runtergespielt: "Ja, aber das ist schon okay, ich habe das im Griff", sagen sie dann. Dann können wir nur noch sagen, dass wir jederzeit zur Verfügung stehen, wenn sie mal Hilfe brauchen sollten.

Zischup: Sind insbesondere Jugendliche durch Crystal Meth gefährdet?
Feldmeier: Ja, überwiegend junge Leute, wobei jung hier von 15 bis Mitte, Ende zwanzig geht. Ab und an gibt es leider auch Drogenabhängige, die jünger als 15 Jahre alt sind. Wenn die Betroffenen Ende zwanzig und älter sind, dann nehmen sie eher Marihuana und nur sehr selten Crystal Meth.

Zischup: Welche Chancen sehen Sie für Abhängige, ihre Drogensucht zu überwinden?
Feldmeier: Sehr unterschiedliche. Wie gesagt, diejenigen, die aufgefangen sind in einer Familie, die sie nicht in Grund und Boden verdammt, sondern bereit ist, ihnen zu helfen, ohne dauernd den mahnenden Zeigefinger mit den Worten "ich habe es ja schon immer gesagt" zu erheben, oder sie immer als Versager behandelt, haben ganz gute Chancen, wenn sie selbst an den Punkt gelangen, dass sie Hilfe suchen und von den Drogen wegkommen wollen. Und auch ein Freundeskreis, in dem nicht gekifft wird, ist wichtig. Nicht zuletzt ist natürlich auch ein Arbeits- oder Ausbildungsplatz sehr wichtig. Denn wer eine Aufgabe hat, verbringt seine Zeit sinnvoll und kann für sich selber sorgen. Das stärkt natürlich das Selbstwertgefühl, was ebenfalls sehr wichtig ist.

Zischup: Was war Ihr eindrücklichstes Erlebnis in dieser Hinsicht?
Feldmeier: Das war relativ am Anfang meiner Zeit hier in der Grenzregion als Allgemeinarzt: Ich wurde notfallmäßig zu einem Patienten gerufen, der wild um sich schlug, ängstlich wimmerte, um Hilfe rief und immer wieder stöhnte: "Oh nein, ich sterbe, ich sterbe, scheiß..." Ich verstand immer "Scheiß Christl" und fragte mich, ob er wohl eine unglückliche Beziehung zu einer mir nicht bekannten Christl meinte. Erst nachdem er viele Male Christl beziehungsweise Crystal gesagt hatte, gab mir ein mittlerweile auch anwesender Sanitäter den Tipp, dass der Patient nicht von einer Frau namens Christl, sondern von Crystal Meth sprach. Das war damals für mich Anlass, mich etwas mehr mit diesem und anderen Szene-Rauschmitteln zu beschäftigen.

Zischup: Und was wurde aus diesem Patienten?
Feldmeier: Der junge Mann hat sich mittlerweile sein durch Crystal Meth völlig ruiniertes Gebiss richten lassen und arbeitet seit einigen Jahren zuverlässig in einem ortsansässigen Betrieb. Ich glaube, er hat es geschafft, von der Droge wegzukommen. Das freut mich jedes Mal, wenn ich ihn auf der Straße sehe.

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