"Es gibt gegenseitige Beeinflussung"

BZ-INTERVIEW mit der Ethnologin Michaela Oberhofer über die Ähnlichkeiten afrikanischer Masken mit denen der Fasnacht.  

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Maske aus Liberia Foto: Rietberg-Museum, Zürich

FREIBURG. Hexen, Dämonen, Fabelwesen – manche Fasnachtsmaske sieht gruselig aus. Auch in einigen afrikanischen Regionen kennt man Masken, und oft sehen diese unseren Fasnachtsmasken erstaunlich ähnlich. Ein Zufall? Michael Saurer sprach darüber mit der Ethnologin Michaela Oberhofer, der Kuratorin der Afrika-Sammlung des Rietberg-Museums in Zürich.

BZ: Frau Oberhofer, schaut man sich manche Fasnachts-Masken an, fallen Ähnlichkeiten zu bestimmten afrikanischen Masken auf. Gibt es da Parallelen?
Oberhofer: Es gibt dort tatsächlich Ähnlichkeiten – aber auch deutliche Unterschiede. Man darf nicht vergessen, dass Afrika ein Kontinent ist, der aus 54 Ländern besteht und Hunderte unterschiedliche Kulturen vereint. Es gibt also nicht die eine afrikanische Maske mit einer bestimmten Funktion.
BZ: Welche Funktionen gibt es denn?
Oberhofer: Da gibt es religiöse, politische und soziale Funktionen. Es gibt zum Beispiel Masken aus dem Kongo, die von Angehörigen bestimmter Geheimbünde getragen werden, die die lokalen Herrscher bei der Ausübung ihrer Macht unterstützen. Solche Masken sind sehr gefürchtet. Andere dienen wiederum eher der Unterhaltung.
BZ: Zu welchen Anlässen werden die Masken getragen?
Oberhofer: Das ist sehr unterschiedlich. Da gibt es zum Beispiel die sogenannten Übergangsriten, die etwa den Übergang von der Welt der Lebenden in die Welt der Toten vorbereiten. Oder es gibt die Initiationsriten, bei denen die Aufnahme in die Welt der Erwachsenen vollzogen wird. Andere Masken werden zu bestimmten jahreszeitlichen Ereignissen getragen, nach der Aussaat der Hirse zum Beispiel.
BZ: Bei bestimmten Fasnachtsfiguren schlüpft man ja auch in die Rolle der Figur. Eine Hexe benimmt sich entsprechend wüst, andere sind sanfter oder ulkiger. Tritt eine solche Verwandlung auch in Afrika bisweilen auf?
Oberhofer: Da ist die Verwandlung teilweise noch stärker. Bei vielen Gemeinschaften wird man durch das Aufsetzen der Maske auch tatsächlich zu dem Wesen, das die Maske verkörpert. Also nicht nur gespielt, wie in der Fasnacht. Im Glauben der lokalen Bevölkerung steht dann dort eine ganz andere Art von Wesenheit, die mit der Person unter der Maske nichts mehr zu tun hat.
BZ: Nun stellen Fasnachtsmasken ja oft Dämonen oder Hexen dar. Wie ist das in Afrika?
Oberhofer: Die sehen oft so aus, haben aber meist einen anderen Bezug. Die Maske stellt keinen Dämon dar – aber durch das Aufsetzen der Maske können entsprechende Wesensmerkmale symbolisiert werden. Setze ich etwa die Maske eines Büffels auf, kann ich auf die Kräfte des Büffels verweisen. Man stellt also nicht etwas Bestimmtes dar, sondern kann auf Kräfte zurückgreifen, die man normalerweise nicht zur Verfügung hätte.
BZ: Die Fasnacht geht oft mit sehr viel Lärm einher. Die Maskenträger schwingen Peitschen oder Rasseln, es wird gesungen und getanzt.
Oberhofer: Das ist eine Ähnlichkeit zu vielen afrikanischen Festen, bei denen Masken getragen werden. Die haben oft einen performativen Charakter, es ist ein Spektakel – auch für die Zuschauer. Oft gibt es auch – wie in der Fasnacht – eine Interaktion mit dem Publikum.
BZ: Gibt es weitere Ähnlichkeiten?
Oberhofer: Es gibt vor allem auch eine gegenseitige Beeinflussung. Wir haben im Museum Fasnachtsmasken aus dem Schweizer Lötschental vom Anfang des 20. Jahrhunderts, die vermutlich stark von afrikanischen und ozeanischen Masken inspiriert wurden. Man hat sich da von der vermeintlichen Exotik beeinflussen lassen, um eine Gegenwelt zur eigenen Heimat aufzubauen.
BZ: Nun reden wir immer von Museumsexponaten und Traditionen. Spielen Masken im heutigen Afrika auch heute noch eine Rolle?
Oberhofer: Und ob. So wie die Fasnacht in Europa auch noch an ihren Traditionen festhält, gibt es auch in Afrika eine Wiederbesinnung auf das Brauchtum. Es finden mittlerweile wieder viele Festivals statt, wo man neben Musik und Tanz auch Masken verwendet. Aber Maskenbünde haben auch noch eine politische Bedeutung – etwa wenn sie von der Opposition benutzt werden, um die Zivilgesellschaft zu mobilisieren.

Michaela Oberhofer ist promovierte Ethnologin. Sie hat jahrelang in Afrika geforscht und arbeitet heute als Kuratorin der Afrika-Sammlung am Museum Rietberg in Zürich
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