Jugendkriminalität

"Es gibt Jugendliche mit 180 Taten"

ZISCHUP-INTERVIEW mit Enar Soeder, der bei der Freiburger Kriminalpolizei für den Bereich Jugendkriminalität zuständig ist.  

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Körperverletzungen – etwa durch ...äufigsten Straftaten von Jugendlichen   | Foto: dpa
Körperverletzungen – etwa durch Faustschläge – gehören zu den häufigsten Straftaten von Jugendlichen Foto: dpa

Welches sind die häufigsten Straftaten unter Jugendlichen? Und wie wird mit den jungen Tätern umgegangen? Diese und andere Fragen kann Enar Soeder, bei der Freiburger Kriminalpolizei für Jugendkriminalität zuständig, am besten beantworten. Marin Sakota und Raphael Hipp, Schüler der Klasse 9b am Rotteck-Gymnasium Freiburg, haben mit ihm gesprochen.



Zischup
: Welche Arten von Jugendkriminalität verübt die Freiburger Jugend hauptsächlich?
Enar Soeder: Also bei Kindern liegt der Schwerpunkt ganz klar bei Ladendiebstahl, bei Heranwachsenden sind es mehr Körperverletzungen. Die letzten detaillierten Unterscheidungen nach Stadtteilen und Delikten habe ich zwar schon vor zehn Jahren gemacht, aber da hat sich kaum etwas verändert. Damals waren es 1150 jugendliche Tatverdächtige in Freiburg. Davon sind 700 wegen Diebstahldelikten straffällig geworden und wiederum davon 522 aufgrund von Ladendiebstählen. Rund 75 Prozent der Kriminalität der Kinder sind damit abgedeckt. Bei Jugendlichen sind es knapp 50 Prozent. Nach den Diebstählen kommt eindeutig die Körperverletzung, da unterscheidet man zwischen der einfachen und gefährlichen Körperverletzung. Unter die gefährliche Körperverletzung fällt, wenn mehrere Personen auf eine Person einschlagen, wenn mit Gegenständen geschlagen wird und zum Beispiel auch das Treten in das Gesicht des anderen. Danach kommen noch Rauschgiftverstöße und Schwarzfahren.

Zischup: Und sind die Straftäter generell eher Ausländer oder Deutsche?
Soeder: In der Tendenz sind die Ausländer ein wenig überrepräsentiert gegenüber den Deutschen. Aber das ist schwer zu vergleichen. Denn es gibt Ausländer, die schon seit Jahren in Deutschland leben und es gibt deutsche Staatsbürger, die erst seit kurzer Zeit in Deutschland leben. Macht es da Sinn, zwischen Ausländern und Deutschen zu unterscheiden?

Zischup: Aus welchem Stadtteil kommen die meisten Täter?
Soeder: 190 jugendliche Täter und damit die meisten kamen vor zehn Jahren aus Haslach. Dazu muss man aber auch sagen, dass in Haslach die meisten Menschen und Jugendlichen leben. Deshalb kann man nicht sagen, da ist es krimineller als anderswo. Man muss es immer ins Verhältnis zur Wohnbevölkerung setzen.

Zischup: Wie hoch sind die Strafen für Jugendliche?
Soeder: Die Strafen gehen von Einstellung des Verfahrens bis zur Jugendhöchststrafe: zehn Jahre Jugendgefängnis. Bei Jugendlichen gilt das Prinzip "Hilfe statt Strafe". Es werden zum Beispiel bei familiären Problemen durchaus auch mal Familienhilfen eingeleitet. Es kann bei Jugendlichen sein, dass einer für das gleiche Delikt eine ganz andere Strafe bekommt als ein anderer, je nach persönlicher Vorgeschichte. Die meisten verordneten Strafen vor Gericht sind Arbeitsauflagen, manchmal auch Freizeitarrest, Freiheitsstrafen zur Bewährung und in ganz seltenen Fällen auch Freiheitsstrafen ohne Bewährung.

Zischup: Können Täter in der Justizvollzugsanstalt (JVA) die Schule nachholen und wer unterrichtet die Häftlinge?
Soeder: Die meisten, die in die JVA kommen, haben keinen Schulabschluss, sie können in der JVA Adelsheim aber einen Schulabschluss nachholen. Es gibt dort ganz normale Lehrer, die dort unterrichten und die Abschlüsse sind genauso gültig, wie jeder andere auch. Auch verschiedene Ausbildungsgänge sind dort möglich.

Zischup: Wurden bei der Festnahme von Jugendlichen schon Beamte verletzt und geschieht dies öfter?
Soeder: Oh ja, des Öfteren. Da gibt es nicht nur böse große Jungs, sondern auch jüngere, 13-/14-Jährige und auch Mädchen rasten zum Teil völlig aus. Gerade wenn sie unter Einfluss von Alkohol oder Drogen stehen. Dann treten, beißen, kratzen und spucken sie. Alles was man halt macht, um sich zur Wehr zu setzen.

Zischup: Was war aus Ihrer Sicht der schlimmste Fall?
Enar Soeder: Oh, kann man das so sagen? Ein vergewaltigtes Mädchen, ein Junge, der über drei, vier Jahre immer wieder von seinen Mitschülern gemobbt wurde und der jegliches Selbstvertrauen verloren hat. Bei Jugendstraftaten gibt es alles bis hin zum Mord. Es gibt viele Bereiche, die für die Betroffenen furchtbar schlimm sind, da kann man gar nicht sagen, was am schlimmsten ist.

Zischup: Gibt es viele Mehrfachtäter?
Soeder: Weiß Gott genügend, es gibt Jugendliche mit 180 Straftaten. Im Durchschnitt begeht ein jugendlicher Straftäter zwischen einer und fünf Straftaten, dann wird er daraus schlau und lässt es sein. 15 Prozent von allen ermittelten Tätern werden jedoch öfters straffällig und fünf Prozent, die in ihrer Kindheit kriminell waren, bleiben es ihr ganzes Leben lang.

Zischup: Spielt Bandenkriminalität in der Freiburger Jugend eine Rolle?
Soeder: Dazu muss man erst mal wissen, was eine Bande ist. Eine Bande ist ein Zusammenschluss von Menschen, die sich auf Dauer verbunden haben, um kriminelle Handlungen zu begehen. Da die Beziehungen in dem Alter unter kriminellen Gruppen sehr oberflächlich sind, wechseln sie sehr oft und darum gibt es Bandenkriminalität unter Jugendlichen nicht.

Zischup: Gibt es viele weibliche Täterinnen?
Soeder: Durchaus gibt es auch viele weibliche Täterinnen, vor allem im Bereich Ladendiebstahl und Körperverletzung. Da sind mit diesen zwei Bereichen schon 90 Prozent der Kriminalität bei Mädchen abgedeckt. Aber statistisch sind Mädchen deutlich weniger auffällig als Jungs.

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